Seite:Die Gartenlaube (1889) 515.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

hervorquellenden orangefarbenen, der Giftreizker dagegen einen weißen milchigen Saft von sich giebt.

Der Reizker ist ein Herbstpilz, und die Zeit, in welcher er nach Menge und Güte am besten zu sammeln ist, geht von Mitte September bis Mitte Oktober. Vereinzelt kommt er schon Ende Juli vor und so auch nach der Hauptsaison bis in die Mitte des November.

Was die Oertlichkeiten betrifft, an denen dieser Pilz zu suchen ist, so liebt er das Nadelstangenholz mit trockenem sandigen Boden, wo man ihn, namentlich im Tannenholz, oft in größerer Menge antrifft, in Hochwaldungen erscheint er nur vereinzelt. Die ergiebigste Ernte jedoch macht man an kurzrasigen Rändern, wenn solche das gedachte Stangenholz umsäumen, und auf wenig begangenen Graswegen, die durch dasselbe führen.

Man sammelt nur solche Exemplare, deren Hutränder noch nach unten gebogen sind, ein Zeichen der Jugend; in der Regel werden die so geformten Exemplare noch klein sein, doch habe ich alljährlich wiederkehrend an einer bestimmten Stelle riesige und stets ganz gesunde und frische Reizker mit nach unten gebogenem Hutrande gefunden, die eine besondere Spielart dieses Pilzes zu sein scheinen. Einen derselben habe ich gemessen, dessen Hut 18 cm und dessen Stiel 3 cm im Durchmesser hatte, diese Riesenreizker haben stets einen vollen, massiven Stiel, während dieser beim gewöhnlichen Reizker meist hohl zu sein pflegt.

Der Reizker giebt, sowohl frisch als getrocknet, auch ohne Fleischbrühe nur in Wasser mit etwas Gries gekocht, eine ganz vorzügliche Suppe, die in der Farbe der Krebssuppe gleicht, dieselbe aber an Wohlgeschmack wegen des eigenthümlichen Pilzaromas noch übertrifft. Das Kochen in Fleischbrühe steigert die Güte. Die ausgekochten Pilze werden mittels Durchschlags beseitigt.

Zum Schlusse noch einige allgemeine Bemerkungen.

Außer den vorstehend behandelten vier Edelpilzen, welche sowohl in frischem als getrocknetem Zustande für den Genuß vorzüglich zu verwerthen sind und die ich, jede Art für sich, getrocknet besonders aufbewahre, trockne ich alle übrigen genießbaren Pilze und verwahre sie zusammen gemischt; sie geben – einige Hand voll – ohne weitere Zuthat wie die Reizker ausgekocht, ebenfalls vorzügliche Suppen; bei der Verwendung von Fleischbrühe genügt eine erheblich geringere Menge.

Die Aufbewahrung der getrockneten Pilze, welche in Säcken leicht Feuchtigkeit anziehen, erfolgt am besten in gut verschlossenen gläsernen oder thönernen Gefäßen und in Blechbüchsen an trockenen Orten.

Die Ausrüstung zur Pilzjagd besteht zunächst in einer großen Botanisirbüchse zur Unterbringung des Gesammelten, innerlich mit einem Schieber versehen, um leicht zerbrechliche Pilze von den schweren massiven trennen zu können. Will die Büchse für die gemachte Beute nicht ausreichen, so werden die Pilze gleich im Walde geputzt, da sie dann erheblich weniger Raum beanspruchen.

Ferner versieht man sich mit einem derben, gegen Sonne und Regen zu brauchenden, event. als Stock dienenden Schirm und einem Plaid zur Herstellung einer behaglichen Lagerstätte. Bei größeren Ausflügen wird auch Speise und Trank in die Büchse gepackt, und ein nach flottem Marschieren und reger Sammelthätigkeit durch scharfen Appetit gewürztes Mahl, gelagert auf Plaid und weichem Moospolster, im schönen grünen Wald, ist wahrlich ein gut Ding und Pilzjägers Lust und Lohn. A. T.




Blätter und Blüthen.

Johnstown. Ungeheuerlich, fast über alles Begreifen und Verstehen schrecklich ist das Unglück, das am 30. Mai dieses Jahres über die Stadt Johnstown in Pennsylvanien und ihre Umgebung hereingebrochen ist. Man denke sich eine mittlere deutsche Stadt von 15 000 Einwohnern, etwa in der Größe von Marburg, durch einen fürchterlichen Schlag vernichtet; zertrümmert, verkohlt, weggeschwemmt die Häuser, die stolzen wie die bescheidenen, todt die meisten Bewohner, ertrunken, verbrannt, ja vom Entsetzen allein entseelt; ausgestrichen das ganze blühende Gemeinwesen aus dem Buche des Bestehenden – und das alles das Werk einer einzigen Nacht, fast eines einzigen Augenblicks! Kein Wunder, wenn die ganze gesittete Welt aufs tiefste erschüttert ist von diesem ungeheuren Schicksalsschlage, der das ferne Thal des Conemaugh getroffen, kein Wunder aber auch, wenn die ganze gesittete Menschheit wie ein Mann in werkthätiger Barmherzigkeit sich aufmacht, auf diesem Schlachtfeld der Elemente ihren Samariterdienst zu üben. Wie einst der alte Römer Marcus Curtius seine Vaterlandsliebe, so wirft sie ihre Menschenliebe in den Abgrund, daß er sich schließe.

Ganz besonderen Grund zu inniger Antheilnahme, zu thätiger Beihilfe hat Deutschland, denn Johnstown hatte eine starke deutsche Bevölkerung, mehrere deutsche Kirchen, Schulen, Anstalten, einen deutschen Turnverein, mehrere deutsche Gesangvereine und Freimaurerlogen.

Es war immer Brauch der „Gartenlaube“, in solchen Augenblicken unter den Vordersten zu stehen und an die unerschöpfliche Milde ihrer Leser zu appelliren; und niemals hat sie umsonst geworben und gebeten. Aber die Verhältnisse haben sich im Laufe der Jahre wesentlich verschoben. Die schöne Sitte, in Fällen öffentlicher Noth den hilfsbereiten Mitmenschen ein Vermittler ihrer Gaben zu sein, ist heute ein Gemeingut der gesammten Presse geworden, und da die Hilfe ja immer eine doppelte ist, wenn sie schnell kommt, so sind es naturgemäß die Tageszeitungen, denen die Rolle des Bittens und des Sammelns zufällt. Sie haben denn auch in diesem Falle ihre Aufgabe ergriffen und durch sie hat auch bereits ein von hervorragenden deutschen Männern gebildetes Unterstützungskomitee seinen Aufruf für die Opfer der Wassersnoth in Pennsylvanien erlassen. Die „Gartenlaube“, die einerseits zu ihrer sorgfältigen Herstellung begreiflicherweise längere Zeit in Anspruch nimmt und die infolge ihrer starken Auflage allein zum Drucke vierzehn Tage bedarf, kommt zu spät. Aber nichts liegt ihr ferner, als eine Empfindung des Neides, daß sie ihr schönes Ehrenamt, die Vermittlerin für ihrer Leser menschliches Mitgefühl zu sein, hat abtreten müssen. Im Gegentheil, sie freut sich von Herzen, daß die Ungeduld unserer Zeit sich wie im Leben so auch im Geben äußert, und mit Genugthuung beobachtet sie, wie ihre Nachfolger die übernommene Aufgabe rascher und darum besser lösen.

Sollte vielleicht doch ein Leser dieser Zeilen noch nicht den Weg gefunden haben, da er sein Scherflein zur Linderung der Noth jener armen Unglücklichen von Johnstown anbringen kann, so ist die „Gartenlaube“ selbstverständlich gerne bereit, seine Gabe in Empfang zu nehmen und an den Schatzmeister des deutschen Unterstützungskomitees, Dr. G. Siemens, Direktor der Deutschen Bank in Berlin, Mauerstraße 29, weiterzubefördern.

Das Ruhrkohlenbecken. Zwischen Ruhr, Lippe und Rhein, durchflossen von der bei Holzwickede entspringenden Emscher, liegt das in letzter Zeit vielgenannte Becken, wo der Bergmann tief unter der Erde das schwarze Gold dem dunklen Schachte entringt und gewaltige Maschinenkräfte die gehobenen Schätze an die Oberfläche befördern, damit sie nährend und belebend, Licht und Wärme spendend, in die weite Welt hinausgehen.

Der Steinkohlenbergbau im Becken der Ruhr wird nach Dr. Gurlt zuerst 1317 in einer Stiftungsurkunde für ein Hospital von Bettelmönchen im Stifte Essen erwähnt. Die älteste noch jetzt betriebene „Zeche“ ist wohl Grube „Vereinigte Hagenbeck“, die ursprünglich „Goiß“ und später „Kohlberg Steut“ hieß. Sie hatte eine freiwillig vereinbarte Bergordnung vom Jahre 1575, welche auf einen schon lange vorher geführten Betrieb hindeutet. Die Zeche „Bröckling“ wurde 1682 „beliehen“; „Schödlerpad“ wird 1678 erwähnt und „Sälzer“ und „Neuack“ schon um 1623. Die Gruben waren sämmtlich Stollenzechen, die durch einen Stollen, eine „Aack“ oder „Aackaldruft“ (aquaeductus) gelöst wurden. Zeche „Wolfsbank“ wurde 1763 beliehen. Bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts war der Betrieb sämmtlicher Ruhrkohlenbergwerke nur unbedeutend, weil es an genügendem Absatz fehlte, der erst durch die sich mehr und mehr entwickelnde Eisenindustrie und später durch die Gasbereitung und die allgemeine Einführung der Dampfmaschinen geschaffen wurde.

Heutzutage ist der Verbrauch von westfälischer Steinkohle ein geradezu riesiger. 98 000 Bergleute förderten im Jahre 1887 über 30 Millionen Tonnen, die Tonne zu 1000 Kilogramm, im Haldenwerthe von 139 Millionen Mark. Etwa 40 000 Eisenbahnwagen waren unausgesetzt im Rollen, um diese ungeheuren Massen nach den verschiedensten Himmelsrichtungen zu befördern; Paris, Rotterdam und Amsterdam, Antwerpen und andere Städte zählen zu den regelmäßigen Abnehmern.

Ungefähr 2000 Geviertkilometer umfaßt das Ruhrkohlengebiet und es soll nach den Berechnungen des Bergraths Dr. Schulz in Bochum weit über 50 000 Millionen Tonnen bergen – eine genügende Menge, um nach dem Maßstabe der heutigen Förderung wenigstens noch anderthalb tausend Jahre vorhalten zu können.

Rast in der Wüste. (Zu dem Bilde S. 504 und 505.) Das Gemälde, welches wir heute in Holzschnittwiedergabe unseren Lesern vorlegen, ist eine Frucht der Orientstudien des Landschaftsmalers Friedrich Perlberg. Er hat außer Oberägypten und Nubien nicht nur die Sinai-Halbinsel, sondern auch Palästina durchzogen und längere Zeit in Jerusalem verweilt, ging dann nach Damaskus und unternahm den beschwerlichen Ritt nach Balbeck und Palmyra. Welch schöne Ausbeute diese Reisen für die Kunst ergaben, das bekundete die mit Skizzen und malerischen Entwürfen reich ausgestattete Mappe des heimgekehrten Künstlers, sowie eine Anzahl farbenprächtiger Oelgemälde, welche die Besucher der Ausstellungen des Münchener Kunstvereins zu sehen bekamen. Zu diesen Werken zählt in erster Linie unser Bild: „Rast in der Wüste“. Die aus einer kleinen Karawane bestehende Reisegesellschaft, welche den ganzen Tag über die Wüste durchzogen hat, ist schließlich ermattet am Fuße eines Felsengebirges angelangt und hat sich in der Nähe einer Quelle zur Rast niedergelassen. Mit großer Gewandtheit haben die Araber, welche die Gesellschaft begleiten, an einem schützenden Felsenvorsprung rasch ein buntfarbig gestreiftes Leinwandzelt aufgeschlagen, vor welchem sich, nachdem zuerst ein Feuer zum Kochen angezündet worden ist, Menschen und Kameele theils sitzend, theils stehend gruppieren.

Der vornehmere Theil der arabischen Gesellschaft hat sich im Vordergrund bei den Dromedaren niedergelassen; von letzteren trägt das eine das farbenreiche Baldachinzelt, in welchem die Frauen und Kinder des Beduinenchefs während des Zuges ihren Sitz haben. Der wachhabende Araber ist allein auf seinem Dromedar, das lange Gewehr auf den linken Schenkel gestützt, sitzen geblieben und betrachtet sich so von oben herab seine Schutzbefohlenen, während der in seinen weißen Burnus gehüllte Beduinenchef vor dem Familienbaldachin steht, mit der linken Hand sein arabisches Pferd am Zügel hält und mit der rechten die Hand seiner vor ihm sitzenden Gemahlin ergreift. Rechts im Hintergrund sehen wir noch die Nachhut in Gestalt eines in einen weißen Burnus gehüllten und bewaffneten Arabers auf einem Dromedar heranreiten.

Es ist Abend geworden und die Sonne gießt noch jene magische Lichtwärme auf die Berge dieser Wüstengegend aus, wie sie dem Orient eigenthümlich ist. Die Stimmung, die über dem ganzen Gemälde liegt, ist eine ganz wunderbare, und so oft ich in Betrachtung vor dem Originalbilde stand, schwebten mir unwillkürtich die Verse Freiligraths aus dessen Gedicht „Gesicht des Reisenden“ vor dem Gedächtniß:

„Tiefe Stille; nur zuweilen knistert das gesunk’ne Feuer,
Nur zuweilen kreischt verspätet ein vom Horst verirrter Geier.“

George Morin.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 515. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_515.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)