Seite:Die Gartenlaube (1889) 011.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

Pfeilerbasilika, im Westen, ähnlich wie an den uralten Kirchen des Sachsenlandes, woher ja die Kaisertochter Agnes stammte, mit einem sogenannten Westbau, einer Art Vorhalle mit zwei runden Thürmen neben sich, von denen einer heute noch steht. – Im Innern der Kirche hinwandelnd durch das flachgedeckte Mittelschiff über Grabplatten früherer Aebte, vorbei am spätgothischen Grabdenkmal der Hohenstaufen, halten wir unwillkürlich still vor dem Eintritt ins Kreuzschiff, denn hier sieht man breite Bündelpfeiler, die Kapitäle tragen, gewaltsam in die nüchternen Formen der Pfeilerbasilika hineingedrängt, mit langgeschwänzten Drachen und anderem wilden Gethier lebhaft geschmückt.

Diese vier Pfeiler trugen einst auf vier starken Spitzbögen einen Kuppelthurm, der nun auch verschwunden ist. Er ward errichtet von den späteren Hohenstaufen und verkündete schon von außen den Ruhm und die Macht der erlauchten, nunmehr Kaiser gewordenen Stifter.

Auf den viereckigen Pfeilern des Mittelschiffes sind die Bilder der Hohenstaufen gemalt, wenig bedeutende Arbeiten aus dem 17. Jahrhundert, doch mögen ältere Bilder darunter verborgen sein. Schön aber ist das spätgothische Grabdenkmal aus Sandstein, das Abt Nicolaus Schenk von Arberg im Jahre 1475 dem Andenken der Hohenstaufen errichten ließ. Im linken Arm des Querschiffes stehen sodann an den Wänden die Steinbilder der Wöllwarth, der Vorfahren eines heute noch blühenden schwäbischen Rittergeschlechtes. Von dem Kloster ist noch der Nordflügel erhalten mit einem Theil des gothischen Kreuzganges, sowie mit dem von geschnitzten Holzsäulen gestützten Refektorium, das durch große Wandbilder aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts geschmückt ist.

Inneres der Klosterkirche Lorch.

Im Bauernkriege ward das Kloster Lorch auch schwer mitgenommen. Am 26. April 1525 bemächtigten sich die Bauern der Ringmauer, verbrannten Kirche und Kloster, so viel daran von Holzwerk war, plünderten die Kleinodien und Kostbarkeiten, verwundeten den Abt Sebastian tödlich und erklärten alle Privilegien des Klosters für aufgehoben.

Von großem Werthe für das Kloster waren gerade die hier befindlich gewesenen vielen und seltenen Reliquien. Hoch bewundert war die tabula reliquiarum mit griechischer Schrift, welche Irene aus Griechenland erhalten und hierher gestiftet hatte. Von nah und fern kamen die Gläubigen, um die Kleinodien zu verehren, die meist von den Hohenstaufen auf ihren Fahrten durch das Morgenland erworben und um ihres Seelenheils willen in ihr Erbbegräbniß geschenkt worden waren.

Stälin zählt in seiner württembergischen Geschichte von Hohenstaufen, die in der Klosterkirche zu Lorch bestattet wurden (nur ihre glatten leeren Steinsärge sind noch erhalten), folgende auf: Herzog Friedrich der Stifter († 1105), Herzog Konrad, Sohn von Friedrich Barbarossa († 1196), den römischen König Heinrich; er starb 1150, zwei Jahre vor seinem Vater, dem Kaiser Konrad III., dreizehnjährig, und König Philipps Gemahlin, die griechische Kaiserstochter Irene, „die Rose ohne Dornen, die Taube sonder Galle“ († 1208), die nach ihres Mannes Ermordung durch Otto von Wittelsbach auf die Burg Hohenstaufen geflüchtet und dort wenige Wochen darauf vor Kummer gestorben war. Als man die Leiche in der Nacht bei Fackelschein herübertrug von der Kaiserburg durch das enge Seitenthal und hinauf in das Kloster Lorch, da stand schon jene Steinlinde, die heute noch draußen an der Nordostecke der Klostermauer emporsteigt, jetzt bis in die Wurzel gespalten. Die Krone des noch immer gewaltigen Baumes sank schon im Sturme des 1. November 1755, zu derselben Stunde, da Lissabon durch Erdbeben zerstört wurde, und wieder ein Hauptast fiel in dem großen Sturm des 1. November 1870, des Tages der Einnahme von Metz durch die Deutschen. Aber immer noch ist es ein riesiger Baum, breitet noch fröhlich grünend die Zweige aus und rauscht uns Erinnerungen in die Seele an das große, durch furchtbare Geschicke so früh zerbrochene Heldengeschlecht.

„Am Thor steht ein uralter Lindenbaum,
Mit weitem, sturmzerzaustem Blätterkranze,
Oft wenn er sich verklärt im Abendglanze,
Errauscht in ihm sein erster Jugendtraum:

‚Mir ist, es waren wenig Jahre kaum,
Daß man mich eingesetzt als junge Pflanze,
Da traten oft zu mir zum Reigentanze
Die Hohenstaufen aus dem Klosterraum.

Doch eine Nacht kam, nie vergeß ich jene,
Es ward ein schwarzer Sarg bergauf getragen,
Darinnen lag die Kaiserin Irene,

Die starb im Schmerz, weil ihr der Mann erschlagen, –
O welche Nacht, kein Aug’ war ohne Thräne,
Der ganze Berg erscholl von Weheklagen!‘“

Am Fuße des Klosterberges liegt das hübsche Städtchen Lorch, reizend umgeben von Wiesengrund und tief in die Berge hineinschneidenden Waldschluchten. In Lorch wurde 1762 geboren der schwäbische Dichter Karl Philipp Conz, der begeisterte Freund Friedrich Schillers, und Schiller selbst verbrachte einige Jahre seiner ersten Knabenzeit in Lorch bei dem damaligen Pfarrer Moser, demselben, den er später in seinen „Räubern“ als Pastor Moser mit liebender Anhänglichkeit geschildert hat. – In das Gemüth des frühreifen Kindes mag damals aus der schönen poesie- und geschichtevollen Landschaft von Lorch unbewußt, aber unvergänglich mancher Lichtstrahl gefallen sein.




Die Vermählung der Todten.

Von Isolde Kurz.

In der schönen Stadt Florenz stand um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts in der Nähe des Alten Markts die hochberühmte Loggia degli Agolanti. Dieser schöne gothische Bau, von dem jetzt nur noch schwache Spuren erhalten sind, gehörte einem streitbaren alten Ghibellinengeschlecht, das seit Jahrhunderten großes Ansehen in der Stadt genoß, und führte im Volk den bedeutungsvollen Namen „Loggia del Parentado“, weil sich dort die alten Florentiner Adelsfamilien gesellig zu versammeln pflegten und bei solcher Gelegenheit manche Verschwägerung zum Abschluß gebracht wurde. „Verschwägerungen“ nannte man nämlich damals die Eheschließungen zwischen den Großen, bei denen es nicht die Wahl der Herzen, sondern ein Schutz- und Trutzbündniß zweier

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1889). Leipzig: Ernst Keil, 1889, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1889)_011.jpg&oldid=- (Version vom 30.3.2020)