Seite:Die Gartenlaube (1888) 671.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Aehren glänzt Euer Haar, wie Kornblumen leuchten die Augen, und der wilde Mohn ist nicht röther als Eure Lippen.“

Mit offenem Mündchen sog sie seine Worte ein; versunken in seinen Anblick stand sie vor ihm.

Er aber vergaß über das holde Bäschen seine Bequemlichkeit nicht. Schäkernd fragte er:

„Darf ich meine kriegsmäßige Rüstung ablegen, oder gebietet meine strenge Herrin, daß ich vor ihr paradire wie vor einem Obristen?“

Sie besann sich auf ihre häusliche Pflicht und nahm ihm eifrig Hut, Stulphandschuhe und Degen ab.

„Sind wirklich so viele Monde vergangen, seit Ihr mit Eurem Herzog Albrecht hier weiltet?“ flüsterte sie. „Mir ist, als hätte ich in der ganzen Zeit geschlafen und wäre jetzt erst ausgewacht.“

Er lächelte selbstgefällig und küßte die kleinen, hilfsbereiten Hände.

„Euer Gewissen wird aufgewacht sein und Euch Vorwürfe machen, daß Ihr bei den Festivitäten auf den Schlössern und Burgen des schönen Saalthales dem Gedenken an mich Valet gegeben habt.“

Käthchen schüttelte den Kopf:

„Die Frau Mutter ist dem Herumfahren im Lande abhold und wehret Einladungen zu Schmausereien und Tänzen mit dem Sprüchlein ab: Wenn fliegt die Taub’ zu weit ins Feld, zuletzt der Habicht sie behält.“

Achatius führte sie lachend nach dem Fenster, aus dessen Brüstung ein Rosmarinsträuchlein duftete, und zog sie neben sich auf die Bank.

„Die Frau Mutter ist eine fürsichtige Frau. Wenn nur derweilen kein Marder in ihren Taubenschlag kommt.“

„Ein Marder?“ wiederholte Käthchen, und die blauen Kinderaugen lugten pfiffig unter dem Büschelchen blonden Stirnhaares hervor, das ihr immer wieder auf das zierliche Stumpfnäschen fiel. „Meint Ihr den Junker Utz, der das schöne Gut drüben in der Stadt gekauft hat mit dem Schlößchen? Ja, der kommt oft. Welch einen Hühnerhof hat er! Dagegen ist mein Taubenschlag gar nichts. Wenn er pfeift, laufen kalekutische Hähne mit langen rothen Nasen herbei, und ach! so liebe grau gesprenkelte Perlhühnerchen, denen die Hauben bis über die Augen hängen. Und welche drollige Kratzfüße macht der bunte Gockel! Die hat der Utz ihm abgeguckt.“ Sie kicherte in sich hinein.

Achatius hob neckisch drohend den Finger.

Sie gerieth außer sich vor Vergnügen. „Er hat mir auch zu Fastnacht eine stattliche Verehrung von süßen Fladen geschickt und zu meinem Geburtstag grüne Maien setzen lassen,“ erzählte sie eifrig und sah ihn gespannt an, um zu erkunden, welchen Eindruck des Junkers Werbung auf den Vetter machte.

Er that ihr den Willen und stieß einen herzbrechenden Seufzer aus, von dem die Quästchen seines Spitzenkragens erbebten.

„Wenn ich wollte“ – suchte sie ihn, selig über seinen Kummer, weiter zu quälen.

Aber sie vermochte nicht zu vollenden.

Die Thür öffnete sich. Frau von Tautenburg rauschte herein im starren stahlgrauen Kleid, den Schlüsselbund an der Seite.

„Hab’ ich recht gehört?“ rief sie mit schallender Stimme. „Wahrlich, es ist unser lieber Vetter aus Weimar. Was führt Euch lustigen Hofschalk her?“

Er neigte sich mit verschlossener Miene. „Eine Botschaft meiner gnädigen Herrschaft an Eure Frau Herzogin. Bis Selbige sie Euch kund thut, laßt Euch an meiner demüthigen Reverenz genügen, großgünstige Frau.“

Sie lachte. „Wollt Ihr Euch wichtig machen mit Eurem Geheimnißkram? Nun, dem sei also! Wir empfangen Euch gleich einem mächtigen Scharhansen.“

Sie küßte ihn mütterlich auf die eine Wange und gab ihm einen freundschaftlichen Backenstreich auf die andere. Dann streiften ihre klugen Augen das glühende Antlitz ihres Kindes.

„Flink, Käthe!“ befahl sie, „hilf die Abendtafel beschicken. Mein Eheherr und der geladene Gast werden gleich kommen. Hier ist der Schlüssel zum Keller. Nein, seht mich nicht so ängstlich an; der Kunitzer Wein wird heut nicht angezapft.“

Erst nach der Tochter verließ sie das Gemach, und nun tönte es von draußen: „Suse, sind die guten Messer mit den Achatsteingriffen geputzt? Grethe, bringe den Schinken aus der Vorrathskammer! Die Torte von Lammfleisch nicht zu vergessen!“

Die Thür öffnete sich; unter den Händen Käthchens und der stämmigen Mägde wurde die Eichentafel in der Mitte der Stube zum Tischlein deck dich.

Dann dröhnten starke Schritte auf der Treppe. Der Schloßhauptmann erschien, ein stattlicher Herr mit grauem Haupt und rundem rothen Antlitz. Hinter ihm schob sich die kräftige Gestalt des Junkers von Hagenest herein. Sein ehrliches rothbackiges Gesicht färbte sich noch dunkler beim Eintritt. Aus den von weißblonden Wimpern umrahmten blauen Augen sprach eine treuherzige Freude. Er sah aus, als erwarte er, daß ihn nun die gebratenen Tauben ist den Mund fliegen würden, er brauche denselbigen nur zu öffnen.

Breitspurig stellte er sich auf und rief: „Guten Abend, Jungfrau Katharine!“

Aber sein Gesicht wurde lang, als von der Fensterbank statt des blonden Mägdleins ein schlanker Kavalier sich erhob, der seine feinen Glieder auf eine schmale Linie zusammenzog und eine schier unheimliche Reverenz machte.

Auch der Schloßhauptmann war sichtlich überrascht. Fragend sah er den jungen Vetter an, während er ihm gemüthlich die Hand schüttelte. Dann machte er die Herren mit einander bekannt.

Utz maß den Hofmeister von dem braunlockigen Scheitel bis zu den zierlichen Fußspitzen. Er empfand einen Widerwillen gegen den Fant, er wußte selbst nicht, warum, und seine Verbeugung fiel sehr aufstutzig aus.

Achatius lächelte leise. Ja, ja, den Kratzfuß mochte er wohl seinem Gockel abgelernt haben. Es lag für ihn klärlich auf der Hand, wie es um die Tautenburgs und den Junker bestellt war. Aber er gehörte zu den Menschen, die an einem rechtschaffenen Gewebe nicht vorüber gehen können, ohne eine kleine Verwirrung zu stiften. Als Frau von Tautenburg zur Mahlzeit rief und Anstalten traf, dem Junker zwischen Käthchen und sich den Platz anzuweisen, da glitt Achatius wie eine Schlange um ihn herum und saß neben dem Bäschen, bevor der umständliche Junker nur an den Tisch gelangt war.

Dieser mußte sich gegenüber an der andern Seite der Tafel niederlassen. Dort machte er es sich bequem. Er rückte so lange auf seinem hochlehnigen, mit ingwerfarbigem Tuch beschlagenen Stuhl hin und her, bis die Ellenbogen Spielraum hatten, und knöpfte einen Knopf seines Wamses auf in Erwartung der Tafelfreuden.

Der Schloßhauptmann bemerkte nicht, wie der Plan seiner Hausfrau vereitelt wurde. Als echter Hofmann sann er darauf, zu erforschen, weß Inhalts die Botschaft war, die der Vetter überbrachte.

Die Deckelkrüge vollschenkend, hob er in seiner behaglichen Weise das Gespräch an: „Ist doch ein wahres Labsal, zu sehen, wie das gute Einvernehmen der beiden Häuser Weimar und Altenburg immer wieder sich herstellt trotz mancher Zwiespältigkeiten. An solchen hat es schon zu Lebzeiten der beiden, leider Gottes! so früh verstorbenen Häupter der Familie nicht gefehlt. Denn wiewohl Brüder, waren sie doch verschiedentlich geartet. Unser Herzog Friedrich Wilhelm fegte wacker den Beutel, Euer Herzog Johann lebte still und sparsam wie ein guter Hausvater. Und selbige Eigenschaften haben sich fortgeerbt. Unser Fräulein Dorothea strahlt von Kleinodien wie der Nachthimmel von Sternen und ist beweglich gleich einer Welle der Saale. Welch ein Bild schlichter fester Männlichkeit ist dagegen Euer Herzog Albrecht! Und doch schien Hochderselbe nur Augen für unser Fräulein zu haben, als er im vorigen Herbst zur Reiherbeize hier weilte.“

Er blinzelte den Hofmeister forschend von der Seite an.

Der dachte: Da müßt Ihr früher aufstehen, Vetter! gabelte eine Morchel aus der Lammtorte, verspeiste sie zierlich wie ein Eichkätzchen und antwortetet: „Darum ist mein gnädiger Herr nicht zu verdenken. Fama hat recht, wenn sie verkündet, die Herzogin Dorothea besitze eine Alabasterhaut, Rubinlippen, Augen gleich verschleierten Topassteinen und Marmorschultern.“

Utz lachte verächtlich. „Oho, unser fürstliches Fräulein ist nicht von Stein.“

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 671. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_671.jpg&oldid=- (Version vom 6.6.2018)