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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

gegrüßt; wir können aber nichts mittheilenswerther finden, als die Worte seiner Mutter: „Ich habe meinen Sohn in der Liebe zum Vaterlande erzogen und ich hoffe, er wird sie bewähren!“ Und es geschah offenbar mit im Geiste dieser Mutter, daß der Prinz am 7. November die Universität (Bonn) bezog, ein damals für die Angehörigen regierender Häuser noch sehr ungewöhnlicher Bildungsgang.

Nach Bonn waren ihm sein bisheriger Erzieher Professor Dr. Curtius und Oberstlieutenant Fischer gefolgt, deren Rath er allezeit ehrte. Dabei hatten ihm die Eltern den Genuß des freien, frohen deutschen Studentenlebens sowohl hinsichtlich der Wahl der Lehrer, wie des geselligen Verkehrs gestattet, und so trieb er’s auch. Er hörte nicht bloß römisches, Kirchen- und Völkerrecht bei Walter, Bluhme und Hälschner, sondern auch Politik und vergleichende Völkerkunde bei Dahlmann und dem alten Arndt, der als Professor der Geschichte vom deutschen Bundestag 1821 ab- und erst 1840 von Friedrich Wilhelm IV. wieder eingesetzt worden war. Und ebenso ist sein freies, offenes und fröhliches Wesen durch die rüstige akademische Jugendlust gekräftigt und zu dem edeln Humor ausgebildet worden, der auch dem Ernst gerecht wird und am standhaftesten der Trübsal Trotz bietet.

Nachdem der Prinz von Preußen als Militärgouverneur der Rheinprovinz und Westfalens am 17. März 1851 seinen Hofhalt nach Koblenz verlegt hatte, wo er mit seiner Familie sieben glückliche Jahre verleben sollte, mußte Prinz Friedrich Wilhelm das Bonner Studium von Ostern 1851 bis zum Oktober unterbrechen, um seine Eltern zum Besuch der Weltausstellung in London zu begleiten. Hier hatte er zum ersten Male seine künftige Gattin, die damals im Alter von zehn Jahren stehende Prinzessin Victoria, gesehen.

Am 26. Mai verließ der Prinz von Preußen mit den Seinen England, um schon am 31. der Feier der Enthüllung des Denkmals Friedrichs des Großen beizuwohnen. Friedrich Wilhelm ward wieder vom Dienst festgehalten, wurde im Juni bei einem Besuche des Zaren zum Chef eines russischen Husarenregimentes (Isum Nr. 11) und nach den Manövern von seinem königlichen Oheim zum Hauptmann ernannt. Ende Oktober kehrte der Prinz nach Bonn zurück, von Stadt und Universität mit festlicher Freude begrüßt, und als er Ostern 1852 scheiden mußte, war es ihm wirklich zu Muthe wie einem „bemoosten Haupte“, das von der „alten Burschenherrlichkeit“ scheidet. Die Liebe, die sich der Prinz auch da erworben, wurde durch glänzende Feste und Erinnerungsgaben, Fackelzüge der Studenten und der Bürger, ein prachtvolles „Abgangszeugniß“ u. dergl. bethätigt.

Staatsgeschäfte, Reisen nach Rußland und Italien füllten die nächsten Lebensjahre des Prinzen aus, bis er im September 1855 die Fahrt nach England antrat, um mit Zustimmung seiner Eltern um die Hand der Prinzessin Victoria zu werben. Die königliche Familie hielt sich damals in dem schottischen Schlosse Balmoral auf, und hier erfolgte auch die Verlobung, von welcher die Königin von England in ihrem „Tagebuch“ unter dem 29. September folgendes erzählt:

„Heute hat sich unsere geliebte Victoria mit dem Prinzen Friedrich Wilhelm von Preußen verlobt. Schon am 20. hatte er uns sein Anliegen mitgetheilt, aber um ihrer großen Jugend willen waren wir zweifelhaft, ob er jetzt mit ihr reden oder bis zu seiner Wiederkehr warten solle, entschlossen uns aber doch zu ersterem. Als wir nun heute Nachmittag den Craig-na-Ban hinaufritten, brach er einen Zweig weißer Heideblumen (der Glück bedeutet), gab ihr denselben und knüpfte daran auf dem Heimwege. den Glen-Girnoch hinab, Andeutungen seiner Hoffnungen und Wünsche, die dann alsbald in Erfüllung gingen.“

Nach seiner Heimkehr mußte sich Prinz Friedrich Wilhelm den Staatsgeschäften widmen, welche, wie aus seinen Briefen an den Prinz Albert ersichtlich ist, nicht gerade erfreulich waren; desto freudiger eilte er im Mai 1856 wieder zu seiner Braut und kehrte als Ehrendoktor von Oxford zurück, um sogleich eine große Repräsentationsreise zur russischen Kaiserkrönung in Moskau anzutreten.

Mit dem Anfang des Jahres 1857 finden wir den Prinzen in Breslau, wo er als Führer des 11. Infanterieregiments das Schloß bezieht und es in kurzer Zeit zum Mittelpunkt eines frischen geistigen Verkehrs erhebt. Hier war es auch, wo er endlich die am 16. Mai in Berlin erfolgte Verkündigung seiner Verlobung las.

Diesmal langte er als erklärter Bräutigam in England an und empfand dies sofort bei den Huldigungen, die ihm nun gebracht wurden, denn als er nach dem stillen Glück der Liebe und den lauten Festen England wieder, zum letzten Male vor der Hochzeit, verließ, that er es als „Ehrenbürger von London“. –

In Breslau nahm der Prinz, nachdem er noch die Manöver in der Reichenbacher Gegend mitgemacht, am 19. September Abschied von seinem Regiment. Wenige Wochen später erschütterte seine Familie und das ganze Land das schwere Schicksal des Königs, der, vom Gehirnschlage getroffen, der Regierung entsagte. Prinz Wilhelm wurde Prinz-Regent von Preußen, und als solcher erhob er seinen Sohn an dessen Hochzeitstage zum Generalmajor.

Umgeben von allen Lieben, Verwandten und Theilnahmeberechtigten reichten in der Kapelle des St. James-Palastes am 25. Januar 1858 Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen und Prinzeß Victoria von England sich die Hände zum ewigen Bunde, welchem der Erzbischof von Canterbury den kirchlichen Segen ertheilte.

In der deutschen Heimath wurde dem jungen Ehepaar das Haus zur Stadtwohnung hergerichtet, welches Friedrich Wilhelm III. bewohnt hatte und in welchem Kaiser Wilhelm geboren worden war.

Am 27. Januar 1859 schenkte Prinzessin Victoria dem jetzt regierenden Kaiser das Leben; zur Begrüßung dieses Enkels, der den Namen Wilhelm erhielt, war der Großvater in einem Fiaker zum Palais geeilt; auch der alte Wrangel fehlte nicht und verkündete der Volksmenge vor dem Palais: „Kinder, es geht alles gut; es ist ein tüchtiger, derber Rekrut, wie man es nur verlangen kann!“

Es beginnen nun die Tage großer innerer und äußerer Kämpfe. Der Krieg Oesterreichs gegen Italien und Frankreich, welcher mit der Schlacht von Solferino, am 24. Juni 1859, und dem Verlust der Lombardei endete, veranlaßte Preußen zu einer „Mobilmachung“, in deren Folge der Prinz das Kommando der 1. Garde-Infanterie-Division erhielt; im Oktober wurde er Mitglied der Kommission für die „Reorganisation der Armee“, welche dann die Konfliktszeiten verursachte.

Mitten in diesen äußern Unruhen mehrte sich das stille Glück des Hauses, dem am 24. Juli 1860 das erste Töchterlein beschert wurde: Charlotte, jetzt Gemahlin des Erbprinzen von Meiningen. Indessen war die Zeit angebrochen, in welcher die großen politischen Umwälzungen sich vollziehen sollten, die wir alle erlebt haben.

In der Nacht vom 1. zum 2. Januar 1861 war König Friedrich Wilhelm IV. gestorben – König Wilhelm bestieg den Thron; sein Sohn hieß von jetzt an „Kronprinz von Preußen“ und wurde zugleich zum Statthalter von Pommern ernannt. Mit der großen Fahnenweihe am 17. Januar, bei welcher der Kronprinz als nunmehriger Generallieutenant das Truppenkommando zu leiten hatte, galt die Armeereorganisation als vollendet.

Der Glücksstern der Hohenzollern strahlte hell. Der August des Jahres 1862 bescherte den königlichen Großeltern zwei nette Enkel, am 7. Victoria von Baden (jetzt Kronprinzessin von Schweden) und am 14. den Prinzen Heinrich, der nun als Seefahrer glänzt. – In diesem Jahr ist auch Bismarck Preußens Minister geworden.

Das Jahr 1863 rief durch seine fünfzigjährigen Erinnerungen an 1813 eine nationale Bewegung in ganz Deutschland ins Leben, und zwar bei den Fürsten wie im Volke. Noch lauter als die Berufung eines Fürstenkongresses und Pläne zur Verbesserung der Bundesverfassung sprachen die großen Nationalfeste der Turner, der Schützen, der Sänger und der Kämpfer von der Leipziger Völkerschlacht, und das überall erschallende „Schleswig-Holstein meerumschlungen“ weckte sogar den Bundestag auf, so daß er zum ersten Male und noch am Schluß des Jahres Bundestruppen gegen Dänemark marschiren ließ. Aber erst im folgenden Jahre unternahmen Preußen und Oesterreich in ihrem nicht von gegenseitiger Eifersucht freien Bündniß die Kriegsführung.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 442. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_442.jpg&oldid=- (Version vom 24.3.2018)