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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

nachgegangen. Und weil er schon einmal da wäre, meint er, könnte er auch noch das „Katzensprüngl“ bis zu unserer Hütte mitmachen. Mein Jäger blinzelt mich an und stuppt mir den Ellbogen in die Seite. „Mir scheint, der hat ’s Bierfaßl im Wind!“

Gemächlichen Schrittes wird der Heimweg angetreten. Während wir das Almfeld überschreiten, begegnet uns die Nannei vom untersten Kaaser, unsere Rahmspenderin. Sonderlich hübsch ist sie nicht, aber lustig, jung und „g’sund“. Kaum sieht sie die Läufe des Rehbocks über die Schultern des Jägers ragen, da stemmt sie die Fäuste in die Hüften und „laßt ein’ aussi, aber schon a sakrischen Juchezer.“

Für diese Salutirung unseres Jägerglücks sucht sie sich auch gleich bezahlt zu machen – mit lustigen Worten verspricht sie ihr tüchtiges Mithalten bei der saueren Rehleber oder bei den Leberknödeln, die es ja wohl am Abend im Jaagerhäusl absetzen würde.

Jagdhütte im Hochgebirg.
Originalzeichnung von J. Schmitzberger.

Und richtig – kaum dämmert’s vor der Hütte, kaum brodelt auf dem gluthsprühenden Ofen die Leber in der Pfanne, da tritt die Nannei mit lachendem Gruß unter die Thür. Sie hat sich „schön“ gemacht – und die Sennerin vom Nachbarkaaser, die Resl, hat sie auch noch mitgebracht – es wäre nur wegen dem Heimgehen in der späten, dunklen Nacht, so sagt sie, und dabei schmunzelt sie so verdächtig.

Nun sitzen wir beim zweifelhaften Lichte einer Hängelampe eng gereiht um den kleinen Tisch und löffeln unter Lachen und Plaudern die saure Leber aus der Pfanne; dann wird der Tisch geräumt und der Bierkrug macht die Runde. Während ich meinen Platz verlasse, um die Cigarrentasche aus dem Rucksack zu holen, stecken die Viere wispernd hinter mir die Köpfe zusammen – und nun kommt’s heraus: ich soll meine Cither aus dem Kasten nehmen.

„Meinetwegen! Also her mit der Klampfern!“

Lautloses Schweigen herrscht schon, während ich die Cither stimme – und der Ausdruck einer naiv gefühlvollen Andacht malt sich auf den sonngebräunten Gesichtern, wenn ich dann von den halb schwerwüthigen, halb innig fröhlichen Volksliedern, die ich da und dort aufgeschnappt, so eines nach dem andern mit meinem bischen Können aus den Saiten bringe. Kaum aber geräth mir der „Neubayrische“ in die Finger, da fahren die Viere von den Bänken; der eine Jäger faßt die Nandl, der andere die Resl um die Mitte, und durch die enge Stube geht ein Schleifen, Drehen, Stampfen, Klatschen, Springen und Jauchzen, daß Tisch und Ofen wackeln, daß die ganze Hütte zittert. Unverdrossen spiel’ ich drauf los und schaue lachend auf die beiden wirbelnden Paare, von denen keines in den Ellbogen des anderen oder in den Ecken des Kreisters eine verdrießliche Härte zu verspüren scheint.

Da plötzlich trifft mein Auge im Zufall an der weißen Bretterwand auf einen kleinen dunklen Punkt – und mir vergeht das Lachen. Jener dunkle Punkt – er rührt vom Einschlagen einer Kugel her – und ehe die meuchlerische Kugel dort den Balken traf, ist sie mitten durch die Stirn des Jägers gegangen, der hier am Tisch, gerade meinem Platze gegenüber, unter der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_045.jpg&oldid=- (Version vom 24.3.2018)