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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

ihnen, das Wunder auf natürliche Weise zu erklären. Nur einer von den Hypnotisirten vermochte in der Regel das Kunststück zu vollbringen. Er las aber keineswegs in den Gedanken des Magnetiseurs, sondern so zu sagen in dessen Augen. Auf der Hornhaut des Mannes spiegelten sich die aufgeschlagenen Seiten des Buches wieder und der Hypnotisirte vermochte die Zahlen oder Ueberschriften der Kapitel zu entziffern. Wenn dem Magnetiseur befohlen wurde, die Augen zu schließen, anstatt wie früher sein Gegenüber anzusehen, hörte die ganze Gedankenseherei mit einem Schlage auf. Die Beobachtung war aber für die Wissenschaft äußerst werthvoll: denn wir erfuhren dabei, bis zu welcher Feinheit der Gesichtssinn gesteigert werden kann. Die Größe des Spiegelbildes der Buchstaben und Zahlen auf der menschlichen Hornhaut beträgt etwa 1/10 Millimeter. Ein gesundes Auge würde dieses winzige Spiegelbild niemals entziffern können; wohl aber vermag es ein krankes, dessen Empfindlichkeit so zu sagen krankhaft gesteigert, überreizt ist. Die Ärzte nennen es Hyperästhesie des Gesichtssinnes, und in der That war der vermeintliche Hellsehende damit behaftet. Man hatte dafür einen vollgültigen Beweis erbracht. Es wurden ihm Photographien vorgelegt, auf welchen Bildwerke etc. stark verkleinert waren, und der Hellsehende vermochte Umrisse zu erkennen und nachzuzeichnen, die nur 1/15 Millimeter groß waren und die wir gewöhnlichen Sterblichen nur mit Hilfe von Vergrößerungsgläsern würden wahrnehmen können. Der Fall ist verbürgt, wie unglaublich er auch klingt. Auch Ludwig Büchner führt ihn in seinem neuesten Werke „Thatsachen und Theorien“ an.

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Ein oberschlesischer Roman. So kann man wohl den neuen Roman von Moritz von Reichenbach (bekanntlich das Pseudonym für Gräfin Bethusy-Huc) „Die Lazinski“ (Berlin, Otto Janke) bezeichnen; denn das ganze Lokalkolorit und die geistige Atmosphäre des Romans versetzt uns nach Oberschlesien. Ist doch der alte Lazinsky selbst, der Vater der beiden Töchter, welche die Heldinnen des Romans sind, ein verkommener Edelmann und Beamter der industriellen Etablissements, eine echt oberschlesische Figur; er hat sich zuletzt dem Trunk ergeben und geht daran zu Grunde, wie hundert Andere in jenen verräucherten Industrieorten. Es schwebt über dem Ganzen ein ähnlicher Kohlendunst wie über Zola’s Roman „Germinal“, der, unter der Erde spielend, voll abschreckender, häßlicher Scenen, aber vielleicht nicht ganz so verwerflich ist wie der neueste auf der Erde spielende „La Terre“, der als ein Gräuel von Geschmacklosigkeit und widerwärtigster Rohheit bezeichnet werden muß. Moritz von Reichenbach ist kein solcher Virtuose der Detailmalerei wie der mit jeder Art von Schmutzfarben malende Zola; aber sie weiß lebendig zu schildern und stimmungsvolle Bilder zu entwerfen.

Es handelt sich in dem Roman um die Arbeiterfrage, und auch die Geschicke der beiden Fräulein Lazinsky sind mit derselben eng verwebt. Die älteste, Sophie, bewegt sich auf Irrwegen; von einem Officier verführt, später Mitglied der Operettengesellschaft, wird sie durch ihren Bruder, einen Anhänger der extremen Richtungen, der Anarchisten und Nihilisten, in die Bahnen derselben gelenkt, arbeitet zuletzt in „Dynamit“, soll die Explosion eines neuerrichteten Etablissements ins Werk setzen und dabei die Chefs, ihre nächsten Verwandten, dem Tode weihen, zieht es aber vor, sich selbst zu opfern, indem sie vor der festgesetzten Stunde der festlichen Eröffnung zwar das neue Maschinenhaus in die Luft sprengt, während aber nur sie allein darin verweilt.

Die Schwester, Anna, heirathet einen Direktor der Gruben und Hüttenwerke und nimmt sich der armen Arbeiter in humaner und vernünftiger Weise an; sie gründet Volksküchen, Häuser, wo die Kinder der Arbeiter unter verständiger Leitung außer der Schule beschäftigt und beköstigt werden. Bei einem Sommeraufenthalte an der Riviera fliegt ein Schatten über ihr häusliches Glück: sie sieht dort eine Jugendliebe, den Grafen Max Blessen, wieder; doch sie erkennt den höhern Werth ihres Gatten und lebt dann, heimgekehrt, in befestigtem Glück: durch ihren Einfluß wendet sich auch Graf Blessen ernster Thätigkeit zu; denn wie ihr Gatte sagte: „Der Max Blessen, der keine andere Aufgabe hatte, als die, sich zu amüsiren, war eine antiquirte Nippesfigur und gehörte in die Glasservante der Vorzeit.“ – Aus der Kohlenatmosphäre Oberschlesiens führt uns der Roman bisweilen in die Reichshauptstadt und an die italienische Küste: doch die Hauptbegebenheiten spielen sich in jener Scenerie ab, welche der Verfasserin durch eigene Anschauung wohlbekannt ist.

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Die Strähne verwickeln sich. (Mit Illustration S. 33.) Eine bescheidene Sennhütte im Wälsch-Tirol ist der Schauplatz der alten ewig neuen Geschichte. Wer möchte zweifeln, daß es Schicksalsfäden sind, die Strähne, die das jugendliche Paar hier an der traulichen Feuerstätte abwickelt? Unsere hübsche Sennerin hat, wenn wir ihr kokettes Lächeln recht verstehen, bisher die Taktik des berühmten Strategen befolgt, der durch sein Zaudern den großen Hannibal besiegte, und die treuherzigen Züge des Freiers erzählen von einer langen, aber hoffnungsvollen Probezeit, die nun glücklich abgelaufen ist. Heute holt er sich das beglückende Ja aus ihrem Munde, und das Garn, das ihm die listige Schöne zu halten gab, ist nur eine letzte schwache Schanze, die sie gegen den stattlichen Bewerber aufgeführt hat.

Soeben werden wir Zeugen des entscheidenden Augenblicks; die Strähnen haben sich schon so rettungslos verwickelt, daß die zuversichtliche Hand es wohl wagen darf, mit stummer Frage den Faden festzuhalten, und der schwache Versuch der Schönen, ihn wieder frei zu machen, ist nicht so ernstlich gemeint. Bald wird der lächelnde Mund wiederholen müssen, was die strahlenden Augen schon lange ausgesprochen haben, und es gehört wenig Prophetengabe dazu, um vorherzusagen, daß die fleißigen Finger ihr Garn heute nicht mehr zu Ende wickeln werden.





Bilder-Räthsel.


Skat-Aufgabe Nr. 1.
Vom. Geh. Jzrth. M. … in Kassel.
Die Mittelhand tournirt auf folgende Karte:
(tr. B.)
(p. B.)
(c. B.)
(car. 8.)
(car. 7.)
(tr. Z.)
(tr. 7.)
(p. As)
(p. 7.)
(c. As)
den
(car. B.)
sagt Schellen (car.) an und findet noch das
(tr. As)
verliert
      aber das Spiel, denn die Gegner erhalten 82 Augen – Wie saßen die Karten? Wie war der Gang des Spieles?*
*Abkürzungen: e., g., r., s. = Eicheln (tr.); Grün (p.); Roth (c.); Schellen (car.); W., D., Z., K., O., 9, 8, 7, = Wenzel (B.), Daus (As), Zehn, König, Ober (Dame) etc.



Kleiner Briefkasten.
(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)


W. in S. R. (Siebenbürgen.) Zu dem von Ihnen angeführten Zwecke von Kostümbällen eignen sich wohl vor Allem die Volkstrachten der deutschen und österreichischen Alpenländer sowie der Schweiz, weil sie zugleich für ein stimmungsvolles Arrangement des Saales mit Tannen, Almhütten, Schützenständen u. dergl. sowie für einen Schützenfestzug, Schuhplattltanz u. s. w. Veranlassung bieten. Sie finden vollkommen getreue Abbildungen in den von Braun und Schneider in München herausgegebenen Kostümbilderbogen; dabei muß freilich bemerkt werden, daß alle diese Trachten verhältnißmäßig theuer kommen, wenn Sie auf vollständige Echtheit in Silberschmuck, Kopfbedeckungen etc. reflektiren. Indessen können hier geschickte Hände ziemlich zufriedenstellende Imitationen hervorbringen, welche nicht allzu hoch gespannten Erwartungen entsprechen. Spanische, griechische, orientalische Kostüme sind alle theuer, weil sie aus kostbaren Stoffen hergestellt werden müssen. Auch diese sowie die Trachten der alten Welt finden Sie in den angegebenen Bilderbogen, welche von tüchtigen Künstlern gezeichnet sind.

Braut. Sie fragen, ob man „ich gratulire Dir“ oder „ich gratulire Dich“ sagen soll. Man sagt allerdings Jemanden beglückwünschen, da aber die wörtliche Uebersetzung von „gratuliren“ gleich „einen Glückwunsch darbringen“ ist, so muß man sagen: „Ich gratulire Dir.“ Wie würde es klingen, wenn man Ihnen schreiben würde: „Ich gratulire Sie zu Ihrer Verlobung!“ Wozu brauchen wir aber das Fremdwort? Glückwünschen giebt denselben Gedanken wieder.

P. in Koblenz. Die äußersten bis jetzt bekannten Grenzen des menschlichen Wachsthums haben erreicht: der „schwedische Riese“ in der Garde Friedrich’s des Großen, dessen Höhe 252,3 Cm. betrug, und der von Buffon gemessene Zwerg, der nur 43,3 Cm. groß war.

R. B. in Wolgast.Ueber die Erlernung fremder Sprachen aus Büchern“ hat die „Gartenlaube“ im Jahrg. 1883, S. 346 einen Artikel aus der hochgeschätzten Feder von Prof. Dan. Sanders gebracht. – Auf gute Bücher über die Kanarienvögel haben wir erst vor Kurzem im Briefkasten (S. 304 vor. Jahrganges) hingewiesen.

M. G. in B. Ein derartiges Komité giebt es unseres Wissens nicht.


Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_036.jpg&oldid=- (Version vom 10.3.2018)