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verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

angehören, nur beistimmen und hoffen, daß sie ein Echo in vielen Kreisen finden wird. Die Ausführung der Kolossalbüste ist dem Bildhauer Julius Moser in Berlin anvertraut worden. Man darf mit Recht behaupten, daß für Dichter und Denker die Form der Büste am meisten geeignet ist, wo es eine monumentale Verherrlichung gilt. Die bisher eingegangenen Beiträge reichen indeß nicht aus für Herstellung von Reliefs auf dem Piedestal und für die Aufstellung des Denkmals, für welches zunächst ein Platz an der Lisière des Thiergartens der Matthäikirchstraße gegenüber in Aussicht genommen ist. Jeder Freund des Dichters wird gewiß gern sein Scherflein dazu beitragen, daß das sinnende Antlitz desselben, wie es unser Bild zeigt, freundlich anregend den Spaziergänger im Thiergarten an die liebenswürdigen Schöpfungen eines begabten Dichters erinnert.[1] †     

Lieder von Martin Greif. Martin Greif, der so viele stimmungsvolle Lieder geschaffen, erfreut uns durch immer neue Kundgebungen seiner sinnigen Muse, von denen wir einige unsern Lesern hier mittheilen.

  Im Gebirge.

Daheim zu süßem Schlaf geneigt,
Gebiet’ ich hier der Ruh’
Und eile, eh’ die Sonne steigt,
Den frischen Wäldern zu.
Ich schwinge mich den Hang hinauf,
Der noch vom Tann mich trennt,
Und suche jeden Zauber auf
Bis an das Firmament.

Die Berge, die so still und groß
Im Morgenroth erglühn,
Der Ache Sausen und Getos
Läßt mich nicht weiter ziehn.
Und gar des Sees erhab’ne Pracht,
Der wallend vor mir blaut,
Da mich Natur zum Zeugen macht,
Wie sie sich selbst beschaut!

Nun hin, wo sie die Schauer drängt
In starrer Einsamkeit,
Wo schroff der Felsen überhängt
Seit ungedachter Zeit!
Wohl stellt auch dort sich wirkend dar,
Der Alles liebend schuf;
In jedem Habichtschrei sogar
Erkenn’ ich seinen Ruf.

Drum bet’ ich, wenn im tiefen Thal
Geläute fromm erhallt,
Und Nebel dort mit Einemmal,
Wo ich genächtigt, wallt.
Und dringt mir ans gerührte Herz
Erst Herdenglockenton,
So fliegt mein Gruß auch mattenwärts
Zur trauten Alme schon.


  Ergebung.

Wohl, das Tagwerk ist vollbracht,
Ruhe naht mit hehrem Frieden.
Alles webt in hoher Macht;
Selbst das Aug’, vom Schlaf gemieden,
Fühlt, daß Einer droben wacht:
Lenk’ es, Herr, wie Du’s beschieden!


     Bei meiner Mutter Begräbniß.

Als verstummt der Grabgesang,
Meint’ ich vor des Friedhofs Schwelle
Zu vernehmen leis, doch helle,
Noch ein Lied im Feierklang.

Näher zog es mehr und mehr;
Zu dem dröhnend dumpfen Rollen
Der hinabgestürzten Schollen
Drang es voller Trost daher.

Und dies war der Kündung Sinn
Durch den Chor aus Engels Mitten:
„Ausgelitten, ausgestritten
Hat die sanfte Dulderin.“

Ein heimgekehrter Afrika-Reisender. Am 16. März fand zu Ehren des Dr. Junker eine Festsitzung im Centralhôtel zu Berlin statt. Junker gehört zu Denen, die muthig in das Innere Afrikas vordrangen; er hatte sich die Erforschung der Zwischengebiete zwischen dem Nil und dem Kongo zum Ziel gesetzt; namentlich wollte er den Lauf des Uëlleflusses festsetzen, der sich in den Kongo ergießt, von wo aus der untere Flußlauf schon untersucht ist. Trotz wichtiger Entdeckungen hat Dr. Junker dies Ziel nicht erreicht; er vermochte es nicht, bis zum Kongo vorzudringen, und es liegt noch eine terra incognita von mehreren hundert Kilometern zwischen der von ihm durchwanderten Landstrecke und jenen bereits bekannten Uferlandschaften des Kongo; gleichwohl hat sich Junker um die Kenntniß von Land und Leuten im inneren Afrika große Verdienste erworben und bei seinen Reisen jene Unerschrockenheit bewährt, welche all diesen unternehmungslustigen Männern der Wissenschaft und Pionieren der Civilisation zur größten Ehre gereicht.

Ende 1879 war Junker nach Kairo gekommen, im Januar 1880 langte er in Khartum an. Der Nil war damals wegen des hohen Wasserstandes durch Grasbarren verstopft; doch Junker gelangte noch glücklich durch dieselben hindurch, glücklicher als der Negerdampfer ein Jahr später, der mit mehreren hundert Eingeborenen sich in einer solchen Verstopfung festgefahren hatte und nicht vor- und zurückkonnte, so daß die unglücklichen Passagiere zum Theil den Hungertod starben, zum Theil sich von den Leichen der Gestorbenen nährten. Seine Forschungen begann er in Dem Bekir und südlich davon bei dem Fürsten der Niam-Niam, Ndoruma, bei dem er eine freundliche Aufnahme fand. Von hier wandte er sich zum Semio im Lande Palembatas. Weiterhin legten ihm die Mangballefürsten Schwierigkeiten in den Weg, so daß es ihm nur mit Mühe gelang, zum Uëlle zu gelangen, welchen er zweimal überschritt.

Bei einer Forschungsreise weiter nach Süden und Südwesten besuchte er einen anderen Fürsten der Niam-Niam, Bakangai. Auch hier fand er freundliches Entgegenkommen; ein Schimpanse und zwei schwarze Zwerge von der Rasse Akka-Akka wurden ihm zum Geschenk gemacht. Es giebt also verschiedene Zwergvölker im Innern Afrikas: wir berichteten erst neulich von einem solchen Stamme, der im Süden des Ngamisees wohnte. Dr. Junker machte der Kolonie der kleinen Leute einen Besuch. Nach einigen Streifereien in das Gebiet der Monbuttu und Momon kehrte er noch einmal zum Semio zurück, von wo aus er 1882 eine Rundreise unternahm, die ihn wieder zweimal an den Uëlle führte.

Inzwischen war ihm die Rückkehr durch den Aufstand des Mahdi gesperrt, welcher auch die von Emin Bey verwaltete Aequatorialprovinz bedrohte. Er begab sich nach der Hauptstadt derselben, Ladò, wo er Emin Bey traf; die Mahdisten schrieben fanatische Drohbriefe; es erschien unmöglich, ihren Bannkreis zu durchbrechen. Da faßte Junker den heldenmüthigen Entschluß, sich über die südlichen Nachbarreiche Unyoro und Uganda den Weg zur Heimath zu bahnen: es gelang ihm dies; er vermochte sogar die Briefe der Eingeschlossenen zu befördern und mit Hilfe arabischer Kaufleute für 2000 Thaler Munition und Vorräthe an sie abzusenden, die auch glücklich dahin gelangten. Auf der Handelsstraße nach Sansibar schloß er sich dem Elfenbeinhändler Tibu Tibb an, der ihn glücklich an die Küste geleitete. Leider wurde noch ein Deutscher, Giesecke, Vertreter des Hamburger Handelshauses Meyer, von den Arabern erschossen, ehe Sansibar erreicht war.

Wer würde nicht in das begeisterte Lob einstimmen, das beim Berliner Fest ein anderer großer Reisender und Völkerkundiger, Adolf Bastian, dem Gefeierten spendete, dem Dulder und Wanderer, der sieben lange Jahre hindurch gebannt gewesen sei in diesen Zauberkreis von Centralafrika, inmitten der jungfräulichen Wildnisse auf dem Grenzgebiete der großen Stromsysteme, der dort an den Grenzen des Unbekannten sinnend und spähend gewandert sei, den Eintritt zu suchen, mitten unter rings drohenden Gefahren, denen er glücklich entkommen? †     

Entzündbare Gase im Magen. Im vorigen Jahre wurde in dem „British medical journal“ von einem Fall berichtet, in welchem der Magen eines Kranken Gase enthielt, welche bei der Berührung mit einer Flamme explodirten. Es handelte sich dabei um einen Mann im Alter von etwa 70 Jahren. Derselbe litt eine Zeit lang an einer Magenerkrankung, welche neben den Symptomen eines starken Katarrhs auch eine lästige Bildung von Gasen hervorrief. Oft wurden dieselben durch die Speiseröhre hervorgestoßen und verbreiteten alsdann einen sehr lästigen üblen Geruch. Eines Abends wollte der Kranke gerade seine Pfeife anzünden, als er von jenem unangenehmen Aufstoßen überrascht wurde; das Gas entflammte sich an dem brennenden Streichhölzchen und versengte dem Kranken Schnurrbart und Lippen, was ihm einen nicht geringen Schrecken einjagte. Dieser Vorgang wiederholte sich im Ganzen fünf- oder sechsmal.

Die Bildung entzündbarer Gase im Magen ist schon früher beobachtet worden. Friederich untersuchte chemisch ein solches Gasgemenge und fand in demselben außer Kohlensäure und Stickstoff geringe Mengen von Grubengas und 32,30% Wasserstoff, welcher in Verbindung mit dem Sauerstoff eine explodirbare Mischung darstellt.

Waldenburg berichtete von einem Fall, in welchem die von einem Magenkranken ausgestoßenen Gase sich leicht entzündeten und unter Erzeugung einer bläulichen Flamme verbrannten.

In einem anderen von Beatson beobachteten Falle war die Gasexplosion sogar von einem so starken Knall begleitet, daß die Frau des Kranken durch denselben erwachte. Die entzündbaren Gase entstehen ohne Zweifel durch die Zersetzung unverdauter Speisereste im Magen. *     

Ein neuer Roman von Konrad Telmann. Von den jüngeren Romanschriftstellern verdient Konrad Telmann hervorgehoben zu werden, der in letzter Zeit überaus fleißig ist, ohne in das seichte Fahrwasser oberflächlicher Unterhaltungslektüre einzulenken; denn in allen seinen Romanen herrscht ein leitender Grundgedanke. Seine Novellen spielen zum Theil auf italienischem Boden und zeigen ein glänzendes Lokalkolorit.

Im Ganzen liebt er eine düstere, grelle Beleuchtung. Das zeigt sich auch in seinem neuesten vierbändigen Roman „Dunkle Existenzen“ (Leipzig, Karl Reißner). Der Dichter schildert uns zwei Theologen, Vater Ringelhard und Sohn, als heuchlerische Intriganten, welche heimtückisch in das Leben der andern Hauptgestalten des Romans eingreifen: es sind dies zwei vollendete Schurken, und es ist fast des Guten zu viel, sie beide gleichzeitig auf der Bildfläche des Romans erscheinen zu lassen: der Vater geht mitten in seinen Intrigen beim Brande des gräflichen Schlosses zu Grunde, welches rebellische Gutsarbeiter angezündet hatten; der Dichter verhängt ein grausames Strafgericht über diesen verbrecherischen Scheinheiligen, und auch dem jüngeren Tartüffe wird ein tragisches Los zu Theil. Der eigentliche Held des Romans ist ein aufgeklärter junger

  1. Zur Annahme von Beiträgen ist bereit die Depositenkasse der Deutschen Bank, Berlin W Mauerstr. 29, und die Wechselstube der Bank für Handel und Gewerbe, Berlin W 3 Schinkelplatz.
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