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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886)


Die Berliner Jubiläums-Ausstellung.
Von Ludwig Pietsch.0 Mit Illustrationen von R. Warthmüller.

Die deutsche Reichshauptstadt schickt sich an, während dieser Sommermonate viele Gäste zu empfangen. Sie erwartet dieselben oder hofft auf ihr Kommen zu einem ungewöhnlichen künstlerischen Schauspiel. Die Bühne desselben liegt auf dem zum lustigen Parke umgewandelten, vom Viadukte der Stadtbahn der Länge nach getheilten weiten ehemaligen Sandfelde an der Straße nach Moabit zwischen der Garde-Ulanenkaserne im Norden und dem Justizpalaste im Westen. Es ist dasselbe Terrain, welches schon zweimal als Scene großer, bedeutungsvoller, folgenreich gewordener öffentlicher Schaustellungen im Laufe der letzten sieben Jahre gedient hat: der Berliner Gewerbe-Ausstellung im Jahre 1879 und der Ausstellung für Hygiene und Rettungswesen im Jahre 1882 – von kleineren, gelegentlichen Ausstellungen zu geschweigen. Der Titel aber des für diesen Sommer dort vorbereiteten und in der nächsten Zeit beginnenden Schauspiels heißt: Die Jubiläums-Ausstellung der königlichen Akademie der Künste.

Hundert Jahre sind an diesem 20. Mai seit dem Tage verflossen, an welchem zum ersten Male in Berlin sich die Pforten einer von der Akademie der Künste ins Leben gerufenen Kunstausstellung dem Publikum der preußischen Hauptstadt aufthaten. Hundert Jahre voll gewaltiger, wechselvoller Schicksale, welche Preußen und Deutschland wiederholt im Tiefsten erschüttert, beider Gestalt, Verfassung, politische, sociale, wirthschaftliche und künstlerische Zustände völlig umgestaltet haben. Aber wie das gesammte Vaterland und wie seine Hauptstadt ist auch die Berliner Akademie der Künste in der glücklichen Lage, auf dieses schicksalsreiche Jahrhundert nicht mit Schmerz und Wehmuth über einst Besessenes und Verlorenes, wohl aber mit frohem Stolze zurück zu blicken. Haben jene Geschicke schließlich doch Preußen, Deutschland und Berlin zu einer damals nicht zu ahnenden Größe, Macht und Blüthe geführt, und sind doch diese Umwandelungen nicht ohne mächtigen, tiefgreifenden Einfluß auf die Entwickelung der vaterländischen Kunst wie auf die Stellung und Bedeutung unserer Akademie selbst geblieben.

Aus sehr bescheidenen Anfängen hat sich das Institut entwickelt. Sie liegen in jener Zeit, welche für die gesammte Gestaltung Berlins, für die Erweckung des schlummernden künstlerischen Geistes in dieser Stadt so epochemachend gewesen ist; der Zeit, in welcher die gewaltigsten Schöpfungen der monumentalen Bau- und Bildnerkunst dem Sumpf- und Sandboden des einstigen Fischerdorfs – Dank der Zauberkraft eines der größten kunstlerischen Genien aller Zeiten, Andreas Schlüter’s – erwachsen sind. Der Hofmaler jenes kunst- und prachtliebenden Kurfürsten Friedrich III., des späteren ersten Königs Friedrich I. in Preußen, der Holländer Terwesten, machte im Jahre 1694 seinem fürstlichen Herrn den Vorschlag, die in Berlin thätigen Künstler zu einer Akademie der bildenden Künste nach dem Muster der bereits zu Rom und Paris bestehenden zu vereinigen. Der allmächtige Minister Dankelmann wurde gemeinsam mit Schlüter mit der Ausarbeitung eines Organisationsplanes eines solchen Instituts beauftragt. Das von ihnen entworfene Reglement erhielt die kurfürstliche Bestätigung. Ein Fonds von jährlich tausend Thalern wurde der Akademie für ihre Bedürfnisse zugewiesen, als Lokalität für ihre Sitzungen und Lehrklassen sechs große Zimmer im Hauptgeschoß des „kurfürstlichen Marstallgebäudes auf der Dorotheenstadt“ – des heutigen Akademiegebäudes Unter den Linden. Nehring, der berühmte Baumeister des Zeughauses, richtete diese Räume für ihre neue Bestimmung ein. Am 1. Juli 1699 erfolgte in Gegenwart des ganzen Hofes die Einweihung. In der Stiftungsurkunde heißt es wörtlich: „Für die mehrere Etablirung und desto nützlichere Fortpflanzung aller Künste und Wissenschaften in den kurfürstlich brandenburgischen Staaten soll eine Kunstakademie dienen, um zur Aufnahme der Bildhauer-, Mahler- und Architekturkünste mit zu wirken.“

Nach kurzer Blüthezeit ereilte diese Schöpfung König Friedrich’s I. ein trauriges Los. Die Sparsamkeit, die Kunst- und Luxusfeindlichkeit seines Sohnes und Nachfolgers, des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I., bereitete ihr dasselbe. Er setzte die königlichen Zuschüsse auf ein Minimum herab. Ja, er verlangte sogar noch eine jährliche Miethszahlung von 50 Thalern seitens der Professoren für die Akademieräume an den Fiskus. Aber officiell aufgehoben wurde das Institut dennoch nicht. Es siechte so hin bis zur Thronbesteigung Friedrich’s II., von dem es sich die Heraufführung einer neuen glücklicheren Zeit versprechen zu können glaubte. Die Erfüllung dieser Hoffnung blieb freilich trotz der kundgegebenen wohlwollenden Absichten des neuen Herrschers noch ziemlich lange vertagt, wenn derselbe ihr auch 1745 schon in dem französischen Hofmaler Le Sueur einen neuen, von ihm hochgeschätzten Direktor gab und ihre Einkünfte einigermaßen verbesserte. Aber erst im letzten Lebensjahre des Königs, 1786, gelang es dem Etats- und Kriegsminister von Heinitz, dem obersten Vorgesetzten und eifrigen Protektor der Akademie, das Projekt zu einer völligen Neu-Organisation und eine Bewilligung von Fonds zur Erhöhung der Lehrergehalte und den sonst nothwendigen Ausgaben bei seinem Monarchen durchzusetzen. Im zwölften Paragraphen des neuen Reglements wird Paragraph 13 des alten, von 1699 datirenden Reglements, welches jeden akademischen Künstler verpflichtet, alljährlich ein Kunstwerk seines Faches der Akademie zum Eigenthum anzufertigen, aufgehoben und statt dessen das „wo möglich" alljährliche Stattfinden einer öffentlichen Ausstellung von Kunstwerken in den Räumen der königlichen Akademie angeordnet. Noch im Mai und einem Theil des Juni desselben Jahres fand, wie schon oben erwähnt, die erste dieser akademischen Ausstellungen in jenen neustädtischen Marstallgebäuden statt. Am 18. Mai ging der Eröffnung eine feierliche Sitzung der akademischen Körperschaft vorauf, in welcher Daniel Chodowiecki, der berühmte Kupferstecher, damals Direktor der Akademie, eine kurze Anrede an die neuernannten Ehrenmitglieder der Akademie hielt und die Gegenstände (drei Scenen aus der Fridericianischen Heldenzeit) mittheilte, welche als Konkurrenzaufgaben für Bildhauer zur Darstellung in Zeichnungen oder Reliefs gewählt worden seien.

Bau des „Tempels von Pergamon“ auf dem Ausstellungsplatze.

Am 19. Mai wurde die Kunstausstellung durch die Königin, den Prinzen und die Prinzessin von Preußen, die anderen Prinzen und Prinzessinnen des königlichen Hauses und eine Menge von Kavalieren und Damen des Hofes besichtigt, wobei Minister von Heinitz diese Herrschaften an der Spitze der in corpore versammelten Akademiker empfing und die gesammte studirende akademische Künstlerjugend den hohen Besuchern vorstellte. Tags darauf fand die Eröffnung für das Publikum statt. Kunstwerke von Rohde, Chodowiecki, W. Weil, Frisch, Tassaert, Meyer, Krüger, Berger, Rosenberger, Arleton, den auswärtigen Akademikern Graf Liszewsky, Vanloo, Philipp Hackert, Darbes; Bildnisse von Cunningham und Frank, Kupferstiche von Cunego und Townley; Zeichnungen von Prinzessin Luise und von den Prinzen Friedrich Wilhelm, Heinrich, Ludwig und August scheinen die größte Anziehungskraft für das Publikum gehabt zu haben.

Das Jahr der ersten akademischen Kunstausstellung zu Berlin war bekanntlich auch das des Todes des großen Königs. Sein Nachfolger, Friedrich Wilhelm II., bewies dem Institute, das sich nach dem neuen Reglement vom 26. Januar 1790 „Akademie der bildenden Künste und mechanischen Wissenschaften“ nannte, eine viel lebhaftere Gunst. Von Neuem wurde es darin wiederholt, daß „von Zeit zu Zeit, womöglich alle Jahre“ öffentliche Ausstellungen von Kunstwerken der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Leipzig: Ernst Keil, 1886, Seite 331. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_331.jpg&oldid=- (Version vom 12.3.2024)