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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Haus Makart.

Von Balduin Groller.

Am 3. October ist Hans Makart in Wien gestorben. Als er am dritten Tage darauf bei düsterem regnerischen Wetter zu Grabe getragen wurde, da waren all die langen Straßen, durch welche sich der Trauerzug zu bewegen hatte, über und über wie besäet von einer vieltausendköpfigen Menge, welche geduldig da harrte, um dem todten Meister die letzte Ehre zu geben. So dicht stand auch die Menge, als er vor einigen Jahren beim Jubiläums-Festzuge der Stadt Wien an der Spitze der Künstlergruppe ritt. Er ward bejubelt wie ein Triumphator, denn er war der Schöpfer jenes denkwürdigen Zuges, der wahrlich auch ein künstlerisches Werk vorstellte, und eines seiner besten. Wenn man heute so die Menge übersah, mußte man unwillkürlich an jenes frühere Massenaufgebot denken, das derselbe Mann veranlaßt hatte; die Staffage war dieselbe, aber in anderer Stimmung. Denn jetzt gab es einen Todtenfestzug, und der Mann, der damals von stolzem Rosse die Menge grüßte, er war jetzt ein stiller Mann geworden. Der Feuergeist war erloschen, ausgebrannt die vulcanische Phantasie, die so viele leuchtende und glühende Bilder geschaffen, es war nur mehr die todte Hülle seines Geistes, die da auf dem prunkvollen, von acht reichgeschirrten Rappen gezogenen Leichenwagen zur letzten Ruhestätte gebracht wurde.

Hans Makart auf dem Todtenbette.
Originalzeichnung von F. Schlegel.

Man kann es unbedenklich aussprechen: Hans Makart war der populärste Maler, von dem die österreichische Kunstgeschichte zu sagen weiß. Jedes Kind in österreichischen Landen wußte von ihm; aber sein Ruhm drang auch über die Grenzen des Reiches hinaus, und selbst im fernsten Auslande hatten alle Gebildeten Kenntniß von seinem Namen und von seinen Werken, und wo die Originale dieser letzteren nicht hindrangen, da mußten Nachbildungen Ersatz bieten. Alle erdenklichen reproducirenden Künste hatten sich seiner Schöpfungen bemächtigt und diesen so eine wahrhaft weltumspannende Publicität verschafft. Er galt allüberall als der glänzendste Vertreter der österreichischen Kunst, und er führte diese Repräsentanz mit königlichem Aufwande. Nun, da er dahingeschieden ist, hat er eine Lücke gelassen, die nicht so bald ausgefüllt werden wird. Noch ist die Zeit nicht gekommen zu einem letzten, abschließenden Urtheil über seine künstlerische Thätigkeit, noch kann man nicht mit derselben apodiktischen Bestimmtheit sagen, daß, wie er der populärste, er auch der größte Maler Oesterreichs gewesen sei. Die allgemeine, tiefschmerzliche Erregung, die sein jäher Tod hervorgerufen, erschwert jetzt noch zu sehr die nüchterne, ruhige, gerecht abwägende Werthschätzung und Vergleichung. Wie aber auch das Urtheil einer späteren Zeit ausfallen mag, das Eine wird auch sie jedenfalls zugeben, daß es eine seltene Begabung, eine glänzende Künstlererscheinung war, die uns der Tod so grausam und so vorzeitig entrissen.

Makart hatte sich aus kleinen, engen Verhältnissen emporgearbeitet. Im Jahre 1840 am 29. Mai zu Salzburg als der Sohn eines kaiserlichen Schloßaufsehers geboren, absolvirte er in seiner Vaterstadt die Volksschule und einige Classen der Realschule. Der schwächliche, still sinnende Knabe kam in den Classen zur Noth mit, gab aber keinerlei Proben einer besonderen geistigen Aufgewecktheit, nur beim Zeichnen that er sich hervor, und der betreffende Lehrer ward bald aufmerksam auf das Kind, dessen Geistesthätigkeit sich zumeist im Schauen offenbarte. Auch verständige Verwandte hatten die specielle Begabung des Kleinen beobachtet, und sie beredeten ihn förmlich, sich der Malerei zu widmen, obschon er selbst den Wunsch hatte, Graveur zu werden. Er gab nach und bezog als halbwüchsiger Jüngling die Wiener Akademie der bildenden Künste. Die Wiener Akademie hatte zu jener Zeit gerade keine glückliche Epoche, Makart’s Talent blieb unbeachtet, ja es wurde ihm geradezu abgesprochen, und so zog er denn weiter nach München. Doch auch da verbrachte er mehrere Jahre in unsicherem Umhertasten, er arbeitete und arbeitete, und es war doch, als könne er sich selbst nicht finden. Erst als ihn Piloty, dieser berühmteste und erfolgreichste aller Lehrer unter den deutschen Malern, in seine Meisterschule aufnahm, gewann Makart bald Klarheit über sich selbst, über sein Wollen und Können, über seine Ziele und die Wege zu denselben, und nunmehr geht er in seiner Entwickelung mit Riesenschritten vorwärts.

Das erste Bild, das er unter der Leitung Piloty’s malte, war „Lavoisier im Gefängnisse“; es war noch eine conventionelle und unfreie Arbeit, die jedoch schon in coloristischer Hinsicht zu schönen Hoffnungen berechtigte. In den folgenden Arbeiten wich die conventionelle Befangenheit immer mehr, und immer deutlicher machte sich ein großer, auf decorativen Effect gerichteter Zug geltend, und ein Bild „Der Ritter und die Nixen“ wies schon solche Vorzüge auf, daß es von dem bekannten Dichter und Sammler, dem kunstsinnigen Grafen Schack für würdig erachtet wurde, seiner berühmten Gallerie einverleibt zu werden. Aber auch dieses Bild gehört noch in die Periode der Einleitung. Seinen eigentlichen Ruhmes- und Siegeslauf begann Makart mit seinen beiden folgenden cyklischen Werken, den „Modernen Amoretten“ und den „Sieben Todsünden“, letzteres später umgetauft in „Pest in Florenz“.

Diese beiden Schöpfungen machten den Namen des Künstlers sofort zu einem weltberühmten. Ein wahrer Sturm der Begeisterung einerseits und andererseits laute Proteste erhoben sich gleichzeitig. Die Künstler, das Publicum, die Kritik theilten sich in zwei Lager, und aus beiden heraus tönte lautes Feldgeschrei. Je glühender die Begeisterung der Einen sich geberdete, desto erbitterter wurde der Widerspruch der Anderen, aber so laut auch der Widerspruch war, über die Thatsache konnte er nicht wegtäuschen: Makart war der Held des Tages geworden, und vielleicht ist es nicht übertrieben, wenn man sagt: er ist es geblieben bis an sein Lebensende. Und noch Eines darf man aussprechen, wohl ohne dem dahingeschiedenen Künstler Unrecht zu

thun: es wäre besser für ihn und für die deutsche Kunst gewesen,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 709. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_709.jpg&oldid=- (Version vom 16.10.2022)