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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Seine erste Empfindung war Befriedigung, daß es dem Freunde gelungen sei, sich Luisen so weit zu nahen; seine zweite Erstaunen, Luise so ankömmlich zu sehen, sein endliches und überwiegendes Gefühl aber wieder jene Art von Eifersucht, seltsamerweise nicht auf die Frau – diese war ihm mit der Zeit zu gleichgültig geworden, sondern auf den Freund, mit dem er in letzter Zeit so wenig frei verkehren konnte, der ihm so absprechend erschien und nun, ihm entfremdet, sich dem feindlichen Theile zuwandte.

„Ist Luise ihm mehr, als ich ihm bin?“ fragte sich Karl August ärgerlich.

Als er dann, ganz gegen seine arglose Natur, noch verdrießlich hierüber nachsann und ungern seinem Wolfgang den Vorwurf der Treulosigkeit machen wollte, trat der lustige Kumpan Wedel, welcher ihn mit seinen in jedem Licht geübten Jägeraugen erspäht hatte, heran und bat ihn mit an seinen Tisch zu kommen, wo ein munterer junger Kreis, wie der Herzog ihn gern habe, beisammen sitze. Ohne sonderliche Lust folgte Karl August, war aber bald, inmitten der Gesellschaft, ebenso ausgelassen wie die Andern.

Vielleicht hätte er ganz den verstimmenden Eindruck vergessen, welchen er von seinem dunklen Beobachterposten mit hinweg genommen, wären ihm später nicht zufällig Worte zu Ohren gekommen, die jenen Eindruck festigten, sodaß er mehrerer Tage bedurfte, um einigermaßen wieder er selbst und ganz klaren Gemüths zu werden.

Die Gesellschaft war nämlich aufgebrochen, ein buntes Durcheinander, das hier und da in ein Gedränge ausartete, entstand. Der Herzog, in einem Wortgefecht mit der Göchhausen, die in der besten Laune über ihren wohlgelungenen Streich triumphirte, sich aber durchaus nicht in die Karten sehen ließ, war zurückgeblieben. Sein kleiner Widerpart entrann und er gerieth allein und unbemerkt hinter ein voranschreitendes Paar. Er erkannte Goethe’s Stimme, welche zu Frau von Stein sagte:

„Luise ist doch ein unendlicher Engel! Ein blinkender Stern! Ich konnte mich nicht enthalten einige Blumen aufzuheben, die ihr vom Busen fielen, und sie in der Brieftasche zu bewahren, die auf meinem Herzen ruht. Ich habe meine Augen hüten müssen, nicht zu oft über Tafel nach ihr zu sehen. Die Götter mögen uns Allen beistehen!“

Karl August war nicht so gleichmüthig, sich bei einer solchen Gelegenheit mit der Rolle eines stummen Hörers zu begnügen, aber zu edel geartet, zu herzlich für den Freund gesonnen, um Uebles in dessen Verehrung für Luise zu finden.

Ein paar große Schritte brachten ihn an Goethe’s Seite, wo er mit merklicher Ironie ausrief:

„Du scheinst meine frostige Gemahlin als Deine Muse zu feiern? Glück zu! Wird aber Deinen Versen nicht sonderlich bekommen!“ Worauf er bitter lachend abbrach.

„Meine Muse wird immer nur ‚die Wahrheit‘ sein, so hoch ich auch Ihre Durchlaucht verehre!“ entgegnete Goethe ernst, dann fügte er bewegt hinzu: „O lieber gnädiger Herr, wo haben Sie Ihre Augen, daß Sie den Reiz des Weibes nicht gewahren, welches Ihnen gehört?“

„Meine Augen sahen jüngst in die helle, lichte Sonne und sind blind für alles Andere!“ rief der Herzog mit Nachdruck.

(Fortsetzung folgt.)


Blätter und Blüthen.

Arbeitsschule. (Mit Illustration S. 656 und 657.) Zu den erquicklichsten Vergnügungen gehört das Belauschen und Beobachten stiller geselliger Thätigkeit, und die Künstler, welche uns durch ihre Darstellungen einen Einblick in die Räumlichkeiten ermöglichen, wo sich solche Scenen friedlichster Arbeit abspielen, werden allezeit ein dankbares Publicum um sich versammeln. Wie gern stehen wir vor dem Bilde des einsamen Denkers, oder des Malers, der, von seinem Werke beglückt, stillselig am Abend die Fortschritte des Tages betrachtet, oder der emsigen Stickerinnen in dem Gebirgsdorfe, wo Frauen und Mädchen die Kunst ihrer Nadel üben und der Großvater das jüngste Kind in der Wiege hütet, oder jenes stillvergnügten Nähens im friedlichen Stübchen! Unsere Künstler haben uns schon mit vielen sinnigen Darstellungen dieser Art erfreut. Aber diesmal thut Otto Piltz ein Uebriges, indem er uns mit einem ganzen Blumenbeet voll heitersten, lieblichsten Blüthenlebens überrascht, mit einer Schaar von Mädchen, deren Kindergesichtchen uns Auge und Herz festhalten an dem Bilde, das trotz der Einfachheit der vorgeführten Handlung uns doch durch eine reiche Mannigfaltigkeit der Gestalten anlockt. Sie stricken nur, diese kleinen Mädchen, welche die vorderste Gruppe unserer Illustration bilden, aber ist nicht jede einzelne so charakteristisch in ihrem Thun und Treiben, daß sie für sich ein fertiges Bildchen giebt? Man möchte jedes einzelne dieser lieblichen Kinder schildern, wenn das nicht unnützes Beginnen für unsere Leser wäre, da sie ja selbst alle vor Augen haben. Und auch im Hintergrunde, wo eine höhere Stufe weiblicher Thätigkeit erstiegen, wo das Nähen gelehrt und geübt wird, erfreut uns der Anblick des stillen Fleißes der Lehrenden und der Lernenden. Freilich sollten wir das Wörtchen „still“ nicht zu stark betonen, denn ob die kleinen Mündchen „Ruhe als die erste Bürgerpflicht“ anerkennen und halten, dürfte doch nicht ganz „zweifelsohne“ sein. Vor unserem Bilde stört uns dieser Zweifel nicht; es thäte nicht einmal wohl, die hübschen Plappermündchen sich alle schweigend zu denken.


Faß ihn! (Mit Illustration S. 664.) Der Schelm ist so glücklich gewesen, bei seiner jüngsten kleinen Razzia am See-Ufer einen willkommenen Fang zu thun: eine Anzahl Krebse, die er dann flugs heimgetragen und seiner erfreuten Mutter übergeben hat. Nur einen derselben hat er auf einen Augenblick escamotirt – unser Bild zeigt uns, zu welchem Zweck. Aber er täuschte sich gründlich, wenn er glaubte, seinen klugen Liebling irreführen und mit dem kleinen Ungethüm in seiner Hand in Conflict bringen zu können. Die Thiere, und zumal die Hunde, haben zumeist einen sehr feinen Instinct, erkennen bald eine ihnen drohende Gefahr und sind dann auf ihrer Hut. Dies erfährt auch der übermüthige Knabe, denn so oft er auch „Faß ihn!“ rufen mag – es ist umsonst: das Hündchen hütet sich, diesem Zurufe zu folgen, sträubt sich vielmehr energisch dagegen, auch nur irgendwie mit dem wunderlich gestalteten Feinde in Berührung zu kommen. Vielleicht erreicht es dadurch, daß der Knabe es entläßt und sich dem Kätzchen zuwendet, um auch bei diesem sein Glück zu versuchen Ob das Kätzchen sich tapferer erweisen wird? Ohne Zweifel, aber sicherlich mit eben so wenig Erfolg, sobald der Junge den Krebs auf den Boden setzt. Denn die Katze will den Davoneilenden von hinten angreifen, wo aber gerade die Waffen des sich rückwärts concentrirenden Ritters sich ihr entgegenstrecken. Ein Beispiel, wie auch der Rückschritt seinen Vortheil haben kann und weshalb jede Reaction den Krebs im Wappen führen sollte.


Kartenskizze des deutschen Besitzes in Südafrika.

Kamerun und Lüderitz-Land. (Mit Illustration S. 665 und Karte S. 667.) Im Anschluß an unsere Artikel über Deutschlands Colonialbestrebungen (vergl. Nr. 37) bringen wir heute zwei Landschaftsbilder aus Kamerun und Fernando Po und eine Kartenskizze des deutschen Besitzes in Südafrika. Während sich das Lüderitz-Land ursprünglich vom Oranjeflusse längs der Küste bis zum 26° südlicher Breite erstreckte, ist nach inzwischen eingetroffenen Nachrichten dieser Besitz bedeutend erweitert worden. Der etwa 120 geographische Meilen lange Küstenstrich vom Oranjefluß bis zu den portugiesischen Colonien von Mossamedes befindet sich jetzt in deutschen Händen, allerdings mit Ausschluß der Walfischbai, welche seiner Zeit von den Engländern annectirt wurde. Auf unserer Karte sind der ursprüngliche Besitz und die neueste Erwerbung besonders markirt.

Das herrliche Panorama, welches in der Biafrabucht das Kamerungebirge und der Pik von Fernando Po den Augen der Reisenden darbietet, haben wir in unserem Artikel „Kamerun“ (Nr. 37) geschildert, und heute sind wir in der Lage, beide Gebirgslandschaften nach Originalaufnahmen unseres Mitarbeiters, des Afrikareisenden Dr. Pechuel-Loesche, unseren Lesern vorführen zu können. Die höchste Gipfelmasse des Kamerunstockes wird von den Eingeborenen Mongo Ma Lobah, das ist „Göttersberg“, genannt und bildet zwei dicht an einander liegende Krater des ehemaligen Vulcans Kamerun. Während wir am Fuße des Berges der üppigsten tropischen Vegetation begegnen, wird das kahle Haupt des „Götterberges“ oft von Schnee bedeckt, und auf seinen mittleren Höhen herrscht das gesunde Klima unserer gemäßigten Zone. Vom Schiffe aus, welches von Südwesten her kommt, schweift der Blick über die tiefblaue Meeresfläche und trifft zunächst auf die mächtigen, von unserem Standpunkte aus einer langen dunklen Linie vergleichbaren Urwälder, welche die Küstenniederungen bedecken und sich weit landeinwärts bis über die Vorberge, bis zur mittleren Höhe des Götterberges hinanziehen, der sein stolzes Haupt in königlicher Majestät über das Meer

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 667. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_667.jpg&oldid=- (Version vom 8.10.2022)