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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)


orientalischen Göttin, die, als die heidnische Welt in Trümmer zerfiel, in Rom Anbeter gefunden. Die segenbringende Göttin der Ordnung war sie für die Einen, als Beschützerin der Ausgelassenheit von den Andern verehrt. Der altrömische Geist vertrieb sie mehr als einmal aus den Mauern der Stadt und verfolgte und kreuzigte ihre Priester, bis ihr Cultus vom Staate anerkannt wurde. Da sah man jetzt ihr Bild von Weihrauchwolken umgeben, von Priestern begleitet.

Aus Pompeji: Die Gräberstraße.0 Nach einer Skizze von Salvatore de Gregorio.

Mit glattrasirten Köpfen, den Oberkörper entblößt und eine Klapper in der Hand, so schritten sie anscheinend voller Würde dahin – gut getroffene Masken, zu denen die heutigen Zuschauer wohl ehrfurchtsvoller als die alten Römer hinaufblickten, denn in der Stadt auf sieben Hügeln standen einst die Isispriester in üblem Rufe, und man verachtete sie als Bettlergesindel. Aber die Cäsaren beschützten den Cultus der Isis, und so beugte sich das Volk vor ihrem Bild.

Dicht hinter dieser ersten Gruppe erscheint die kaiserliche Leibwache, Prätoriauer zu Fuß und zu Pferd, und ihnen folgt die Musikantenschaar mit Cithern, Cymbeln, Trompeten und Trommeln. Sie verkünden die Ankunft des Kaisers, der auf einer mit Elfenbein und Gold geschmückten Sänfte sich durch die Straßen von Pompeji tragen läßt. Senatoren, Ritter, Clienten, pompejanische Magistratspersonen beschließen den Zug, der in dem Eingange zum Circus verschwindet.

Der Wagenkampf ist beendet, lauter Jubel begrüßt die Sieger, und man freut sich, daß kein Unglück bei dem Wettrennen geschehen. Die Schauspieler und Zuschauer ruhen nunmehr aus, um am Abend das anmuthige Bild einer römischen Hochzeit zu spielen und zu schauen.

Schon wartet die Auserwählte im Hause ihrer Eltern auf den Hochzeitszug (pompa nuptialis), der sie zu ihrem Manne geleiten soll. Längst hat sie ihr Spielzeug den Göttern geopfert, längst ist der Ehecontract zwischen dem Vater der Braut und dem Bräutigam vereinbart und der eiserne Verlobungsring der zukünftigen Gemahlin übersandt worden. Nun steht sie da mit blumenbekranztem Haupt in den Schleier verhüllt, auf hohem Kothurn, daß sie stattlicher und größer erscheine. Es kommen die Freier, sie wird den Armen der Mutter entrissen, und der Zug setzt sich in Bewegung. Knaben eilen mit Hymensfackeln voran, Hochzeitslieder werden angestimmt, die Braut wird mit geheiligtem Wasser besprengt, daß sie gereinigt in das Haus ihres Mannes trete. Hinter ihr tragen die Freundinnen eine Spindel mit Wolle, das Symbol ihrer künftigen Pflichten. Vor dem Hause des Bürgers Cornelius hält der Zug, und man überreicht der künftigen Herrin Feuer und Wasser und fragt sie nach ihrem Namen. Demüthig erwidert sie ihrem Gemahl; „Wo Du Cajus sein wirst, werde ich Caja heißen.“ Nun wird sie mit kräftigen Armen über die Schwelle des Hauses gehoben und nimmt die Schlüssel in Empfang.

Aus Pompeji: Der Begräbnißzug.0 Nach einer Skizze von Salvatore de Gregorio.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 420. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_420.jpg&oldid=- (Version vom 14.7.2021)