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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Kleine Bilder aus der Gegenwart.

Zwei Veteranen der Marine.

Allmählich verschwinden aus der Reihe unserer Panzerkolosse die alten aus Holz gezimmerten Kriegsschiffe, die noch Zeugen waren der ersten Regungen deutscher. Kraft und deutschen Unternehmungsgeistes zur See. Sie werden verdrängt durch die gewaltigeren Schöpfungen der modernen nur noch in Stahl und Eisen arbeitenden Schiffsbaukunst – ihres Schmuckes entkleidet, abgetakelt, werden sie aufs Trockene gesetzt, um zumeist Opfer zerstörender Experimente zu bilden. So war im Sommer 1881 der alte „Barbarossa“ auf der Kieler Bucht das Ziel eines vernichtenden Torpedoschusses bei einem feierlichen Gepränge, mit welchem die Ostseestation die Taufe des Panzerschiffes „Baden“ beging. Im Sommer 1882 folgte ihm aus einem gleichen Anlaß die „Elbe“, und im vergangenen Jahre wurde die Trophäe des 5. April 1849, die den Dänen im Gefecht bei Eckernförde abgenommene Fregatte „Gefion“, zum Werftprahm degradirt. Und nun scheint auch der alten kürzlich aus der Liste der Kriegsschiffe gestrichenen Corvette „Arkona“ das Sterbeglöcklein schlagen zu wollen, während ihr Schwesterschiff „Hertha“ in nicht mehr langer Zeit wohl dem gleichen Schicksal entgegenzusehen haben wird.

„Hertha“ und „Arkona“.

Die „Arkona“ ist gegenwärtig das älteste Schiff unserer Flotte: sie wurde als eine hölzerne Dampfcorvette 1855 in Danzig auf Stapel gesetzt und begann ihre Laufbahn als Flaggschiff eines aus den Schiffen „Thetis“, „Frauenlob“ und „Elbe“ bestehenden Geschwaders, welches den Grafen zu Eulenburg, den späteren preußischen Minister des Inneren, nach Japan an den Hof von Jeddo, nach Peking und nach Siam zum Abschluß eines Handels- und Schifffahrtsvertrags mit dem deutschen Zollverein führte. Nach der Rückkehr von dieser ersten großen Expedition preußischer Kriegsschiffe unterzog sich die Corvette auf der Danziger Werst einer Reparatur und nahm im Kriege 1864 rühmlichen Antheil an den Erfolgen der preußischen Waffen gegen den Danebrog. Unter dem Commando des späteren Admirals Jachmann war sie das Flaggschiff eines kleinen aus der Glattdeckscorvette „Nymphe“ und dem Aviso „Loreley“ bestehenden Geschwaders, das im Gefecht bei Jasmund am 17. Mai 1849, gegen eine große dänische Uebermacht kämpfend, die ersten Lorbeern um die Flagge der jungen Marine wand. Nach dem Kriege unternahm sie eine zweite Reise nach den transoceanischen Gewässern, um hierauf zu den Eröffnungsfeierlichkeiten des Suezcanals mit der „Hertha“ und der „Elisabeth“, auf welcher sich der Kronprinz eingeschifft hatte, nach dem Mittelmeer zu gehen und dann von neuem auf großer Fahrt den Atlantischen Ocean zu kreuzen.

Die Kriegserklärung 1870 traf die „Arkona“ in Nordamerika, gerade da ihr von den dortigen Deutschen ein großartiger Empfang bereitet wurde. Eine Ordre rief sie nach den europäischen Gewässern zurück. Als sie nach glücklich überstandenen schweren Stürmen die Azoren erreicht und Fayol angelaufen hatte, um einen Schaden an der Maschine auszubessern, wurde sie von dem französischen Panzer „Malcalur“ auf der Rhede blokirt. Sie durchbrach aber die Blokade und eilte nach den spanischen Gewässern, um hier einem erhaltenen Befehle gemäß auf französische Postschiffe zu fahnden. Neue Stürme in der gefährlichen Bai von Biscaya zwangen sie indessen, von Neuem einen Hafen anzulaufen, und so mußte sie sich leider dazu entschließen, in Lissabon vor Anker zu gehen. Französische Freunde setzten die Regierung in Paris natürlich sofort von der Ankunft des preußischen Kriegsschiffes per Telegraph in Kenntniß, was die augenblickliche Absendung eines Geschwaders nach Portugal und bis zum Waffenstillstand die Blokade unserer Corvette in dem neutralen Hafen zur Folge hatte. Nach dem Kriege entfaltete die „Arkona“ noch zweimal die deutsche Flagge im Auslande, um dann noch einige Jahre bis zum Beginne des gegenwärtigen, in dem eine kaiserliche Cabinetsordre ihre gänzliche Inactivität befahl, in der Ostseestation als Hafenwachtschiff zu dienen.

Das Schwesterschiff der „Arkona“, die „Hertha“, gleich jener eine hölzerne Dampfcorvette und auf der Danziger Werft erbaut, war nach der Eröffnung des Suezcanals als erstes deutsches Kriegsschiff durch denselben nach den chinesischen Gewässern abgegangen und hatte nach einer nachdrücklichen Regulirung der deutschen Interessen nach dem Gemetzel in Tientsin in dem chinesischen Kriegshafen Tschifu gemeinsam mit einem französischen Geschwader Anker geworfen, als plötzlich die Schiffe die Nachricht von dem Ausbruche des deutsch-französischen Krieges erreichte. Unsere „Hertha“ sah sich einer höchst bedenklichen Uebermacht gegenüber, zumal das einzige außer ihr in Ostasien stationirte deutsche Kriegsschiff, die kleine Corvette „Medusa“, in Yokohama gerade mit der Reinigung ihrer Kessel beschäftigt, also vorläufig nicht einmal seeklar war, andererseits aber die Franzosen noch über mehrere in Nachbarhäfen stationirte Schiffe verfügten. Darum beschloß auch der Commandant der „Hertha“ den Waffenstillstand unter dem Schutze der Neutralität in Tschifu abzuwarten. Nach der Campagne von 1870 und 1871 hat die „Hertha“ noch zweimal die überseeischen Gewässer und noch einmal das Mittelmecr aufgesucht und sich gleich der „Arkona“ Verdienste um eine werthvolle Bereicherung vieler Zweige maritimer Wissenschaften erworben.

Die „Arkona“ und „Hertha“ sind die ältesten Veteranen unserer Marine, und namentlich die erstere hat ein thatenreiches, verdienstvolles Leben hinter sich. Beide ruhen sie nun, wie unser Bild es zeigt, im Abrüstungsbassin der kaiserlichen Werft zu Kiel; vor ihnen breitet sich malerisch die See aus, der Schauplatz ihres vielbewegten Lebens; rings um sie herum aber entfaltet die moderne Zeit ihr geräuschvolles Treiben. F. S.     




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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 397. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_397.jpg&oldid=- (Version vom 13.6.2021)