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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Hochalpen, um sich in die tieferen und gefährlicheren Waldregionen herabzuziehen. Hier werden sie auch am ehesten erlegt, doch ist ihre Jagd auch da noch äußerst schwierig und nur von sehr geübten Jägern mit Erfolg zu betreiben. Gefährlicher als der Mensch werden ihnen hier hungrige Wölfe.

Oft hat ein Trupp Ziegen einen Wald betreten, nachdem die Wachen vorsichtig das Terrain ausgekundschaftet haben. Nichts Verdächtiges zeigt sich ihren Blicken. Weder Ohr noch Nase haben einen Ruhestörer wahrnehmen können. So begeben sich die Thiere an die Stellen, wo unter dichtem Nadeldache noch frei von Schnee das Moos hervorsieht. Immer halten einige Thiere Wache, und selbst die äsenden sehen von Zeit zu Zeit umher.

Doch ihr Feind, der beutehungrige Wolf, ist ebenso vorsichtig wie sie. Weit sind die Vorposten der Wolfsrudel umhergeschweift, viele sind zum Gros zurückgekehrt, ohne günstige Nachrichten bringen zu können, und sind heulend von der hungrigen Gesellschaft empfangen worden. Da wird plötzlich ein Genosse dieser Räuberbande sichtbar, der im eiligen Laufe mit Zeichen freudiger Erregung zurückkehrt. Er hatte auf seinen Streifereien Witterung von der Ziegenheerde bekommen und vorsichtig sich unter dem Winde angeschlichen, bis er durch ein Gebüsch hindurch die Heerde beobachten konnte. Am liebsten hätte er sich gleich auf eines der Thiere geworfen, allein die Ziegen vermeiden es sorgfältig, sich einem Gegenstande zu nähern, hinter welchem ein Feind lauern könnte. Da schien es dem Meister Isegrimm gerathener mit seinen Genossen die Heerde einzuschließen, um sie sicher einander in den Rachen zu jagen. Kaum hatten nun die Wölfe die triumphirenden Geberden ihres Genossen bemerkt, als sie auch alle auf ihn zueilten – und bald war man über den Jagdplan einig.

Der Entdecker voran eilt das Corps der Rache lautlos, aber rasch der Fährte des ersteren nach. Sobald sie Wind von der Heerde bekommen haben, schleichen sie langsamer und entsenden zwei lange Flügel, um die Beute zu umgehen, immer weiter Abstand von derselben haltend, je mehr sie ihr in den Wind kommen könnte. So schleichen sie, stets Deckung suchend, sich lautlos um den Trupp herum, während die zuerst Zurückgebliebenen, hinter Buschwerk ungeduldig die arglos weidenden Thiere beobachten. Nun nähern sich auch die beiden Flügel immer mehr, und kaum erblicken sich die vordersten Räuber, so stürzen sie in rasendem Lauf, in schiefer Linie sich einander nähernd, auf die Heerde zu. Jetzt hat auch diese das verdächtige Geräusch und Wind von ihren Feinden wahrgenommen. Durch die Zeichen ihrer Wachen aufgeschreckt, flieht sie nach der entgegengesetzten Seite, doch hier stürzen ihnen schon die aus ihrer Ungeduld erlösten Räuber entgegen, die ersten Thiere bereits niederreißend. Entsetzt prallen die Ziegen zurück, doch nach welcher Seite hin sie sich auch wenden, überall eilt ihnen das Verderben entgegen. In wilder Verwirrung rennt die Heerde durcheinander, nirgends ist eine Felsspalte oder ein steiler Felsen, über die ihnen die Wölfe nicht folgen könnten, und nur wenigen gelingt es die furchtbare Treiberkette zu durchbrechen. Bald ist auch das letzte Thier geschlagen und dann bezeichnen nur noch Wolle, Blut und Knochenreste den Schauplatz dieser grausamen Schlächterei. M.     


Sonntagmorgen. (Mit Illustration S. 332.) Ehedem war es nicht blos auf dem Lande, sondern auch in den Städten oder wenigstens den kleineren städtischen Ortschaften schöne Sitte, daß Frauen und Mädchen sich an Sonn- und Festtagen für den Gang zur Kirche einen gewöhnlich nur aus wenigen Blumen bestehenden Strauß pflückten, der gleichsam als Schmuck des Gesangbuchs getragen wurde. Auf dem Lande hat diese Sitte sich in vielen Gegenden Deutschlands erhalten. Die Blumen wählt man, wie die Jahreszeit sie bietet. Hauptsächlich pflegt man dazu die kleinen Blumengärten vor vielen Bauernhäusern, und wo der Garten fehlt, stehen sicherlich auf einem Blumenbrett die Töpfe voll sorglich gehüteter Blüthen- und Blattpflanzen für den Kirchgang zu Gebote. Das fromme und heitere Landmädchen, das unser Künstler uns vorführt, lebt für uns in der wonnigen Maienzeit, ein Maiglockensträußchen ist der Schmuck ihres Gesangbuchs. Frühling und Jugend grüßen uns so anmuthend aus diesem Bilde, daß wir’s nicht ansehen können, ohne eine Sonntagsregung, vielleicht sogar eine mit Wehmuth gemischte, wenn die Jugend gar zu weit hinter dem Beschauer liegt, im Herzen zu spüren.


Vermißte.

Ehe wir mit dem Abdruck der Vermißten-Liste fortfahren, haben wir eine Bemerkung mitzutheilen, um deren Beachtung wir bitten.

Es muß nämlich wiederholt darauf aufmerksam gemacht werden, daß die Namen aller in den Vereinigten Staaten von Nordamerika Vermißten nicht unter „Blätter und Blüthen“ der „Gartenlaube“ veröffentlicht, sondern auf den Umschlägen der für Nordamerika bestimmten Heftausgabe unseres Blattes abgedruckt werden. Bei der großen Auflage derselben finden sie dort eine weite Verbreitung. Außerdem ist die Zahl der in Nordamerika vermißten Deutschen so groß, wie die in der gesammten übrigen Welt. Die Ursache ist eine doppelte: 1) die starke deutsche Bevölkerung der Union und der unaufhörliche Einwanderungsstrom aus Deutschland; 2) aber vor Allem der unausrottbare Leichtsinn in der Behandlung der Briefadressen. Die Mehrzahl unserer Auswanderer ist des Englischen unkundig und bringt in glücklichem Fall die deutsche Volksschulbildung mit hinüber. Schreiben kann wohl Jedes, wenn aber an der ersten festen Heimstätte der Brief an die Verwandten in der alten Heimath geschrieben wird, leiden’s Bequemlichkeit oder Scheu nicht, sich nach der geographischen Bezeichnung des betreffenden Orts genau zu erkundigen, sondern man schreibt den Namen so, wie man ihn aussprechen hört. Daß kein anderes Land der Welt so viele in allen Staaten gleichlautende Ortsnamen hat, weiß man auch nicht, man nennt höchstens den Staat, vergißt aber County und Township anzugeben, und so kommt der Brief nach Deutschland. Die Verwandten, ziemlich auf gleicher Bildungsstufe, malen die wildfremden Namen auf ihren Antwortadressen getreu nach – und schicken nach Amerika einen Brief, der dort so wenig bestellbar ist, als wenn Einer aus Amerika nach Deutschland adressirte: „An Herrn Müller in Neustadt.“ – Der Amerikaner wartet vergeblich auf Antwort und schreibt nicht mehr, und für die Deutschen ist – ein Vermißter fertig. Wir reden aus Erfahrung, uns kommen solche haarsträubende Adressen zu Hunderten in den Bittbriefen wegen amerikanischer Vermißten vor: über die Hälfte der letzteren entsteht auf die angegebene Weise. Wenn unsere Landsleute in Amerika sich bemühen, die Adressen ihrer Briefe richtig zu schreiben, wird die Zahl der Vermißten bedeutend abnehmen.

Fortsetzung der Vermißten von Nr. 14:

20) Wilhelm Friedrich Wegner verließ im Sommer 1857 Riga als Matrose am Bord des Schiffes „Elisabeth von Riga“. Später soll er sich nach Australien eingeschifft haben, und zwar 1858. Indessen haben die Seinen nie wieder etwas von ihm gehört. Seine Mutter lebt noch.

21) Gottfried Franz Krieg aus Hettstädt, Kreis Mansfeld, ist vor vier Jahren auf die Wanderschaft gegangen, und sein Vater hat bis jetzt keine Nachricht von ihm. Derselbe ist sehr betrübt und hofft, daß sein Sohn noch lebt.

22) Ein armer Vater, beinahe 70 Jahre alt, sucht noch immer seinen seit 20 Jahren verschollenen Sohn. Cornelius Rövenstrunk war 19 Jahre alt, als er ging, und ist seitdem spurlos verschwunden. Wenn er noch lebt, soll er seinen Vater, welcher mit Sehnsucht Nachricht erwartet, nicht länger warten lassen.

23) Ferdinand Heinrich Ludwig Mosch, geboren 1835 zu Magdeburg, Maschinenbauer, diente im Jahre 1862 als Pionnier in Mainz. Er war im September desselben Jahres nach Konitz zu seinen Eltern beurlaubt und kehrte nicht wieder in seine Garnison Mainz zurück. Die Nachforschungen der Militärbehörde blieben erfolglos. Vielleicht lebt der Vermißte noch und giebt seiner Mutter baldigst ein Lebenszeichen.

24) Eine Tochter sucht ihren im Jahre 1857 von Ostrowo, Provinz Posen, nach Brasilien ausgewanderten Vater, Ernst Traugott Fiscal. Derselbe schrieb im Jahre 1860, daß er in Bahia in Brasilien in einer Fabrik arbeite. Er war krank, wurde wieder hergestellt, doch fehlt seit dieser Zeit jedes Lebenszeichen von ihm.

25) Der Bau-Unternehmer W. Diebow, aus Trentow in Vorpommern, verheirathet, begab sich im Jahre 1879, angeblich um sein Glück zu versuchen, nach Süddeutschland. Von Regensburg und Passau aus erhielt seine Gattin noch zwei Briefe von ihm, doch nach diesen nichts mehr. Der Vermißte machte im Jahre 1870 und 1871 den Feldzug mit. Die Gattin, welche unterdessen in eine traurige Lage gekommen ist, bittet um Nachricht.

26) August Lehmann, Strumpfwirker aus Belgern bei Torgau, hat sich am zweiten Pfingsttage 1882 aus Delitzsch entfernt, ohne daß seine Frau bis jetzt eine Spur von ihm finden konnte.

27) Bernhard Stephan Klose, geboren zu Oberlogau in Schlesien, Maler, verheirathet, ist seit dem Jahre 1876 verschollen. Seine Geschwister suchen ihn.

28) Jacob Beker aus Heldenbergen, Schneidergeselle, geboren 23. December 1855, ist spurlos verschwunden seit dem 14. Mai 1879.

29) Der Korbmacher Friedrich Wilhelm Gierth, geboren 1837 zu Großnaundorf bei Radeberg, wanderte 1864 nach Amsterdam, 1870 nach London, woselbst er ein Korbgeschäft errichtete. Später wollte er sich nach Brüssel wenden – von da an fehlt aber jede Nachricht über ihn.

30) Franz Theodor Teich aus Nehmitz in Sachsen, der im Jahre 1855 nach Australien reiste und glücklich in Hobarttown landete, wird von seinem Bruder in Leipzig um ein Lebenszeichen gebeten.

31) A. E. Otto Jahn, Mühlen- und Maschinenbautechniker, geboren zu Altenburg, wird wegen Erbtheilung aufgefordert, seinen Aufenthaltsort anzugeben.

32) Wilhelm Kauder hat sich am 8. Juli 1883 aus Glogau und aus dem Elternhause entfernt, ohne daß ein Grund vorliegt, der sein Verschwinden rechtfertigen könnte. Alle Nachforschungen waren bis jetzt erfolglos, seine Eltern bitten um Nachricht.

33) Wilhelm Mais aus Beienheim (Wetterau) ging vor 12 Jahren auf Reisen und hat seitdem nichts von sich hören lassen. Seine Eltern sind indessen gestorben und seine Brüder bitten um ein Zeichen von ihm.

34) Ernst Friedrich Gustav Mühlner, geboren am 27. Februar 1847 in Eutritzsch bei Leipzig, ging im Jahre 1868 unter dem Namen Gustav Weis über Frankreich nach Ostindien, von da zurück nach England, und wollte sich später in Amerika dauernd niederlassen. Seine besorgte Mutter sucht ihn.

35) Otto Böttger, geboren am 23. Juni 1861 zu Schöna bei Schandau, Kaufmannslehrling, verschwand im Jahre 1877 aus Bärenstein bei Annaberg. Im Jahre 1878 schrieb er noch aus Lüneburg, scheint sich wahrscheinlich nach Paris, dem Ziel seiner Sehnsucht, gewendet zu haben. Die Seinen bitten dringend um ein Lebenszeichen.

36) Christian Rump aus Stettin, 1843 geboren, ging im Jahre 1872 von Hamburg als Schiffszimmermann nach Buenos Ayres und hat von da aus nicht wieder geschrieben. Sein Bruder sucht ihn.

37) Franz Schuhmann aus Magdeburg, Schlosser, hat im Jahre 1882, im Juli, Weib und Kind verlassen und seitdem keine Nachricht von sich gegeben. Die Seinen hoffen sehnlichst auf ein Lebenszeichen von dem Gatten und Vater.

38) Stanislas Rosbisbal reiste im Winter 1880 nach Brasilien. In seinem letzten Briefe aus diesem Jahre gab er seine Adresse an. Alle Briefe aber, unter der angegebenen Adresse an ihn gesandt, sind unbeantwortet zurückgekommen.

39) August Prueß, geboren im Jahre 1848, ging im Jahre 1871 als Schiffszimmermann von Hamburg nach England, um dann nach Brasilien zu gehen. Von Lima aus hat er die letzten Nachrichten gegeben, und ist seitdem für seine Eltern und Geschwister verschollen.

(Fortsetzung folgt.)

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