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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)


Der Zimmer- und Fenstergarten.

Der Felsenstrauch (Azalea[1]).


Nur wenige von den fremden Blumen, die in unseren Gärten und Treibhäusern eine neue Heimath fanden, haben ein so allgemeines Interesse erweckt, wie die Azaleen, deren einzelne Arten, unter der Hand kundiger Gärtner in Massen gezüchtet, den ganzen Winter hindurch den prächtigsten Blumenschmuck liefern. Nur bei wenigen Pflanzen ist es auch dem Menschen gelungen, durch richtige Pflege einen so überraschenden Blüthenreichthum, einen solchen Glanz von Blumenfarben zu erzielen, wie dies bei diesen Sträuchern der Fall. Darum werden auch die Azaleen als stets dankbare Marktpftanzen in allen Ländern im größten Umfang gezogen und bilden sogar in den Gärtnereien von Gent in Belgien einen nicht unbedeutenden Exportartikel, indem sie von dort nach den verschiedensten Ländern verschickt werden. Als Winterblumen werden sie sehr gern zum Schmuck unserer Zimmergärten verwandt, oder als einfacher Blumenschmuck in unsern Wohnzimmern aufgestellt. Sie gehören der natürlichen Familie der Rhodoraceen an und stehen den Alpenrosen (Rhododendron L.) sehr nahe. Die prachtvollsten Arten stammen aus China und Japan, von denen die sogenannte Indische Azalee (Azalea indica L. oder Rhododendron indicum Sweet) die Stammmutter der meisten Spielarten unserer Kalthäuser ist und unter allen Arten lange Zeit den ersten Rang eingenommen hat; ihren Namen werden sie wahrscheinlich deshalb erhalten haben, weil sie, obwohl in China und Japan einheimisch, über Ostindien nach Europa gekommen sind; schon im 17. Jahrhunderte waren sie in den Gärten der Niederlande; erst später dürften sie nach England, Deutschland etc. gelangt sein.

Die indischen Azaleen nennt man die immergrünen, zum Unterschied von den laubabwerfenden Arten; sie sind in Kleinasien, China, Cochinchina und Nordamerika einheimisch, und von ihnen ist der pontische Felsenstrauch (Azalea pontica L.) in den Gärten schon seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts bekannt. Er schwitzt wie auch unsere gewöhnliche Alpenrose (Rhododendron ponticum L.) einen narkotischen Honig aus, dessen Genuß bei den aus Asien heimkehrenden 10,000 Griechen des Xenophon, die ihn bei Trapezunt gegessen hatten, Erbrechen und Durchfall bewirkte, sodaß sie 3 bis 4 Tage gleichsam berauscht und ihrer Kräfte beraubt waren.

Da wir in diesen Artikeln die Aufgabe verfolgen, den Blumenfreunden unter unseren Lesern praktische Rathschläge zu ertheilen, so wollen wir im Nachstehenden in aller Kürze das Wichtigste über die Zucht und Pflege der beliebtesten indischen Azaleen mittheilen. Den reifen Samen derselben säet man, am besten im Februar oder März, oben auf in flache Näpfe mit gutem Wasserabzuge und sandiger Haide-Erde, drückt ihn fest, aber ohne ihn unter die Erde zu bringen, und spritzt ihn mit lauwarmem Regenwasser an, bedeckt ihn dann mit einer Glasscheibe und läßt ihn im temperirten Gewächshause oder auch am Fenster des warmen Wohnzimmers keimen, was aber nur geschehen kann, wenn er niemals trocken, sondern immer feucht (nicht naß) liegt. Wenn die Pflänzchen stark genug geworden, pflanzt man sie auseinander, man „pikirt“ sie in eine andere Samenschale mit derselben Erde, hält sie durch Bedecken mit einer Glasscheibe einige Tage abgeschlossen von der Luft, an welche sie nach und nach gewöhnt werden müssen, denn von ihr und von Licht oder Sonne können sie kaum jemals genug bekommen; außerdem sorge man für stets gleichmäßige Feuchtigkeit, gieße aber stets mit „überschlagenem“ Wasser.

Während des ersten Jahres hält man die Sämlinge verhältnißmäßig warm, aber immerhin ziemlich luftig, und pflanzt sie im zweiten Jahre, wenn möglich, in ein halbwarmes Mistbeet mit Haide-Erde, gewöhnt sie nach und nach an Luft und Sonne, läßt sie zur Bildung des Stammes gerade in die Höhe wachsen und entspitzt sie dort, wo man wünscht, daß die Krone sich entwickeln soll. Ende August sollte man die Pflanzen wieder in Töpfe setzen, sie zum schnelleren Anwachsen noch einige Zeit in geschlossener Luft halten, sie dann allmählich abhärten und dann wie ältere Exemplare im Kalthause oder kühlen, aber stets frostfreien Zimmer überwintern. – Während des Sommers thut ihnen ein häufiges Ueberspritzen mit überschlagenem Wasser sehr gut, wenn es nicht während des heißen Sonnenscheins geschieht.

Aeltere Pflanzen der indischen Azalee hält man über Winter im Kalthause oder im Wohnzimmer nahe dem Fenster, schützt sie im Sommer vor der Mittagssonne und hält sie vermittelst überschlagenen Regenwassers gleichmäßig feucht. Beinahe jährlich müssen sie verpflanzt werden, am besten gleich nach der Blüthe, bei neu beginnendem Wachsthume, und giebt man ihnen eine Mischung von 1/4 grober Haide-Erde, 1/4 Torfmoor, 1/4 Lauberde, am besten von Buchen, und 1/4 Fluß- oder ausgewaschenen Grubensand, wozu man noch kleine Torfstücke und Ofenruß mischt. Da der Liebhaber schwerlich mit einem Erdmagazin versehen sein dürfte, thut er am besten, sich diese Erdmischung von einem intelligenten Gärtner zu verschaffen.

Azalea balsaminaeflora.

Vor dem Verpflanzen muß der etwa trockene Wurzelballen angefeuchtet werden, weil er nach dem Versetzen das Wasser nur schwer annimmt; gleichzeitig schneide man alle überflüssigen, zu dicht stehenden Zweige aus und gebe der Krone durch Verkürzen allzulanger Triebe eine hübsche Form. Gesunde Pflanzen vertragen, ja fordern sogar kräftige Nahrung, die man ihnen in der Form von aufgelöstem Rindsdung, vergohrenen Hornspähnen u. dergl. reichen sollte.

Um die indischen Azaleen früher als gewöhnlich in Blüthe zu haben, stellt man geeignete Sorten mit weitvorgeschrittenen Blüthenknospen vom November ab in einen wärmeren Raum, den man in der Nacht um einige Grade kühler halten muß als am Tage, und gießt mit 20° R. warmem Regenwasser.

Einen Uebergang von den Felsensträuchern oder Azaleen zu den Alpenrosen bildet der Balsaminen-Felsenstrauch (Azalea balsaminaeflora. W. Bull. hort.), eine herrliche Abart aus Japan, wohl auch vom Berge Ophir auf Malakka, auf die wir die Blumenliebhaber besonders aufmerksam machen möchten. Die Blüthen sind glänzend lachsroth und dicht gefüllt; sie erinnern in ihrer Größe und Form an die bekannte Camelien-Balsamine und sind besonders werthvoll für Blumensträuße, wie überhaupt die reichblühenden Pflanzen für jede Decoration brauchbar sind. Von dieser Varietät hat man auch Sorten mit weißen, rothen und gelben Blumen. Die Pflanzen überwintert man am besten zwischen den Doppelfenstern des Wohnzimmers oder im temperirten Gewächshause; nach dem Abschluß des Triebes bringt man sie in’s Freie, wo sie sonnig, aber gegen die Mittagssonne geschützt, aufgestellt werden sollten.

O. Hüttig.     
  1. Der Name stammt von dem griechischen azaleos = hart, dürr.




Blätter und Blüthen.


Der Elektriseur in der Dorfschenke. (Illustration S. 137.) Selbst in unserem elektrischen Zeitalter dürfte der Mann, der mit der Elektrisirmaschine und der Leydener Flasche unter Bauern sein Glück sucht, eine recht seltene Erscheinung bilden. Seinen Zunftgenossen, welche Bären, Affen, Marionetten u. dergl. auf der Wanderschaft mitführen, strömen die Dorfbewohner in hellen Haufen zu, er aber, der früher vielleicht Mechaniker war und aus des Lebens Stürmen nur ein paar physikalische Apparate gerettet, muß sein Publicum nicht auf der Straße, sondern an ruhigeren Orten aufsuchen. Die Dorfschenken sind in den stilleren Stunden das ergiebigste Feld für seine Operationen. Der wenig zahlreichen, beim Frühschoppen versammelten Gesellschaft kann er in gemüthlicher Ruhe die wunderbaren Wirkungen der geheimnißvollen Elektricität vortragen und an dem schwächsten der Gäste einige Curversuche ausführen Die Zuhörer begreifen niemals den verworrenen Vortrag des Alten, aber Jeder von ihnen spürt den zuckenden Schlag, der von der Leydener Flasche ausgeht und die stärksten Sehnen bewältigt. Das imponirt den urwüchsigen Leuten mehr als tausend schönklingende Worte, und der Elektriseur gelangt bald in den Ruf eines arg gescheidten Mannes, bei dem man sich in schweren Krankheitsfällen und anderen Fahrnissen des Lebens sicher einen guten Rath holen kann. Daß der gute alte Mann von den neuesten Erfindungen und Entdeckungen auf dem Gebiete der Elektrotechnik, welche die ganze Welt in Staunen versetzen, keine Ahnung hat, das merken die einfachen Leute nicht. Im Gegentheil, die alte Elektrisirmaschine halten sie für eine der neuesten Erfindungen. So wird der Wohnort des „Elektriseurs“ bald bekannt, und sein Publicum strömt dann ihm entgegen, sodaß er die mühselige Wanderschaft aufgeben kann. Tritt aber eine Geschäftsstockung ein, so greift er wieder zum Wanderstabe, oder vielmehr zu seinem gewaltigen Regenschirme und zieht mit dem Kasten auf dem Rücken und mit dem altmodischen Cylinderhute in die Umgebung. Seine Kunstreisen werden dann zu Eroberungszügen, auf welchen das kümmerliche Flickwerk der Wissenschaft, das ihm zu Gebote steht, über den Aberglauben gar leichte Siege davonträgt. J.     

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_139.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2020)