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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Papier hervor, das da bei anderen Papieren lag – „hier die specielle Nachweisung.“

Helene schob das Blatt zurück, ohne auch nur einen Blick darauf zu werfen. „Es ist gewiß Alles in bester Ordnung,“ sagte sie; „aber was habe ich –?“

„Es ist Zeit, dieses Capital aus der Handlung zu nehmen, liebes Kind. Osterfeld kann ich unter jetzigen Umständen nicht mehr für einen zuverlässigen Verwalter halten. Und wenn auch … Sollte das Unglück uns treffen und die Falliterklärung unvermeidlich werden, so würden die Gläubiger auch auf diese Masse Beschlag legen, und man würde vielleicht meiner Versicherung keinen Glauben schenken, daß ich Ihre Abtretung nie angenommen habe.“

„Aber ich habe doch nach meiner Großjährigkeit –“

„Hier sind die Entsagungsurkunden. Ich habe sie für Robert’s Erbin aufbewahrt. Jetzt sind sie bei Ihnen besser aufgehoben; am besten werden sie von der Ausstellerin vernichtet, dann ist’s, als ob sie nie dagewesen. Nehmen Sie! Es wäre baare Thorheit, das Vermögen in unserem Gewahrsam zu gefährden.“

Ansicht von Valencia.
Nach einer Photographie aus dem Verlage von B. Schlesinger in Stuttgart (J. Laurent, Madrid).


Helene wehrte ihre Hand ab. „Aber ich habe keinen Anspruch daran,“ sagte sie mit aller Entschiedenheit. „Was ich that, habe ich wohlüberlegt gethan, und es hat mich nicht einen Augenblick gereut. Fühlen Sie’s denn nicht, wie ich, daß ich als die Frau eines Anderen Robert’s Erbin nicht sein kann? Daß mein Mann … ich bitte, ich beschwöre Sie, Frau Consul – wenn Sie mir noch einen Rest mütterlicher Zuneigung bewahrt haben, stören Sie mein Glück – unser Glück nicht.“

Die alte Frau wiegte den Kopf. „Ich hoffte es im Gegentheil zu fördern,“ äußerte sie. „Glauben Sie mir: ich freue mich aufrichtig Ihres Glückes. Als wir uns trennten, konnte ich diesen Verlauf der Dinge nicht ahnen. Aber auch ohnedies hätte mein Mißmuth nicht lange Bestand gehabt. Ich sah ein, daß ich Unbilliges von Ihnen gefordert hatte, daß Jugend und Alter verschieden empfinden müßten – ich schämte mich der selbstsüchtigen Regungen meines Herzens. Wie oft habe ich Ihrer mit den wärmsten Wünschen für Ihr Wohlergehen gedacht! Wie oft bin ich schon auf dem Wege zu Ihnen gewesen! Nur die Besorgniß, daß mein Entgegenkommen unrichtig ausgelegt werden könnte, hat mich immer wieder zurückgehalten. Und selbst jetzt in dieser traurigen Stunde – wie freue ich mich, Sie wiederzusehen, wie thut es meinem wunden Herzen wohl, bestätigt zu hören, daß Sie glücklich sind!“

Helene ergriff ihre Hand und bedeckte sie mit Küssen; sie legte den Arm um ihre Schulter und lehnte den Kopf an ihre Brust. „Meine liebe, gute Mama!“ sagte sie.

Die Frau Consul streichelte ihre Wange. „Ich hatte mir vorgenommen,“ fuhr sie fort, „meines Sohnes Nachlaß bis an mein Lebensende für Sie zu verwalten und in meinem Testament Anordnung zu treffen, daß Ihnen dieses Vermögen ausgehändigt würde. Sie hätten dann gleichsam von mir empfangen, was Sie von Robert nicht meinten annehmen zu dürfen, und wären zugleich jedes Dankes entledigt gewesen. Die Verhältnisse nöthigen jetzt zu einer schnelleren Verfügung, aber die Sache bleibt dieselbe. Unterschätzen Sie nicht in jugendlichem Uebermuth den Werth eines namhaften Vermögens, liebe Helene. Sehen Sie da auf Ihren Sohn –“

„Sein Vater wird, so Gott will, für ihn sorgen, bis er sich selbst in der Welt forthelfen kann,“ rief die Professorin. Sie mochte fürchten, mit diesem stolzen Wort zu verletzen. „Wenn ich mich auch überreden ließe,“ setzte sie milde hinzu, „mein Mann, wie ich ihn kenne, würde nie einwilligen. Ich kenne im Voraus

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 816. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_816.jpg&oldid=- (Version vom 25.1.2024)