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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Das National-Denkmal auf dem Niederwald.

Von Ferdinand Hey’l.
2.00Ausführung und Vollendung.

Es ist billig, daß wir am heutigen Tage besonders des Künstlers gedenken, welcher das Meisterwerk des Nationaldenkmals geschaffen.

Johannes Schilling (vergl. das Portrait S. 632) ist am 22. Juni 1828 in Mitttweida in Sachsen geboren. Sein Großvater, Gustav Schilling, vordem Artillerie-Officier in der sächsischen Armee, hatte durch eine seltene Productivität seinen Namen schriftstellerisch allseitig bekannt gemacht. 1842 schon trat der Enkel, der reichbegabte Jüngling, als Schüler in die Dresdener Kunstakademie, der er drei Jahre angehörte, und mit siebenzehn Jahren wurde der junge Künstler schon in Ernst Rietschel’s Atelier aufgenommen, unter diesem Meister fünf Jahre lang strebend und arbeitend. Bei Professor Drake in Berlin und Professor Hähnel in Dresden setzte der in schneller Entwicklung fortschreitende Künstler seine Studien fort.

Einige Arbeiten (die Medaillons „Jupiter und Venus“) erwarben ihm ein Reisestipendium für Italien, wo er die Jahre 1854 bis 1856 verbrachte, in Rom sich der besonderen Förderung und Freundschaft des Meisters Cornelius erfreuend. In Italien war der Künstler nicht müßig. Seine Statue des verwundeten Achill, sein Relief „Centaurin und Amor“ machten ihn auch dort wie in der Heimath weiteren Kreisen bekannt. Heimgekehrt in’s Vaterland schuf er in Dresden die Gruppen „Morgen, Mittag, Abend und Nacht“, die den ersten Preis in der Kunstausstellung zu Wien 1869 davontrugen.

Die Nation verdankt Johannes Schilling ferner folgende Meistergestaltungen: Den Fries auf der linken Seite des Vestibuls des Museumgebäudes in Dresden, eine Bronzebüste des Turnvaters Jahn, aufgestellt in Freiburg an der Unstrut, eine Erzstatue des Oberbürgermeisters Demiani in Görlitz. Nach Meister Rietschel’s Tod übernahm Schilling die Ausführung der Figuren der Städte Augsburg und Speyer für das Luther-Denkmal zu Worms. Seit 1867 schmückt den Schiller-Platz zu Wien die Gestalt Schiller’s aus des Meisters Händen.

Selten vermag ein „Bildner“ auf eine größere Zahl durchweg vollendeter Gestaltungen zu schauen, als Johannes Schilling. Rietschel’s Denkmal auf der Brühl’schen Terrasse in Dresden, das Monument Kaiser Maximilian’s in Triest, das Kriegerdenkmal in Hamburg; aus etwas früherer Zeit die Gruppen: Vocal- und Instrumentalmusik im Dresdener Schloß, die Pantherquadriga auf dem Dresdener Hoftheater, die Phidias-Statue in der Loggia des Leipziger Museums und andere, sie alle sind Schöpfungen seines Geistes und seiner Hand.

Im Jahre 1874 wurde Schilling die Ausführung des Nationaldenkmals auf dem Niederwald übertragen, das, nun vollendet, den Ruhm des Meisters für alle Zeiten fest begründet, zur Freude und Ehre der deutschen Nation. –

Während der Meister die ersten Schritte zur Verwirklichung seiner Schöpfung that, ließ das Comité seine Thätigkeit nicht ruhen. Noch galt es die Mittel zu schaffen, die bei Weitem nicht zur Genüge angesammelt waren. War man auch aller Orten für den Gedanken begeistert, so wirkten doch die Nachwehen des Krieges, die Veranstaltungen für die localen Denksteine nicht förderlich auf die Sammlung der gemeinsamen Mittel.

Da traten die Gesang- und Kriegervereine zusammen und stifteten – durch Concerte und Veranstaltungen die ersteren, durch öffentliche Aufrufe die letzteren – die Gelder zur Herstellung der Figur des Krieges, die Schüler der höheren Gymnasial- und Realschulen die Mittel zur Beschaffung der Figur des Friedens. Kaiser Wilhelm aber lieh der Errichtung des Germania-Denkmals seine ganze Theilnahme, und es wurde eine Summe sicher gestellt, welche der Ausführung ferner ein Hinderniß nicht mehr bereitete. Die Fertigstellung war endlich gewährleistet.

Während mühsamer Arbeit von allen Seiten – denn die Verwirklichung der Ausführung bot nicht geringe technische Schwierigkeiten – konnte endlich am 16. September 1877 die Grundsteinlegung in feierlichster Form durch des Kaisers ehrwürdige Person vollzogen werden. Von Aßmannshausen aus, wo der Kaiser und die Kaiserin den Bahnzug – von Coblenz kommend – verließen, wurde die Fahrt zum Niederwald angetreten. Zwei rheinische Damen begrüßten die verehrten Majestäten in poetischer Form, den Wein und die Blumen des Rheins darreichend; durch festlich geschmückte Häuserreihen, durch Ehren- und Triumphpforten in Aßmannshausen und Rüdesheim, rechts und links des Niederwaldes, feierte die Gegend den glückverheißenden Tag. Zur Seite des Kaisers und der Kaiserin wohnten der Kronprinz des deutschen Reichs, Prinz Wilhelm von Preußen, Prinz Karl, Prinz Friedrich Karl, die Großherzoge von Mecklenburg und Sachsen, die Feldmarschälle Graf Moltke und von Manteuffel, die Generale von Roon, von Göben und viele andere dem feierlichen Augenblicke an.

Und als, trotz des ungünstigen, drohenden Wetters, die kernige Festrede des Oberpräsidenten, Grafen zu Eulenburg, verklungen war, als die Sonne durch die Wolken brach und der Held unseres Volkes – Kaiser Wilhelm – die ersten drei Hammerschläge that, da wollte des Jubels kein Ende sein, da salutirten die Kanonen von den Höhen, da läuteten die Glocken im gesegneten Rheingau, da mischte sich der Jubel der Versammelten in die Fanfaren der Musik, da feierte in der That die Nation „die Wiedererrichtung des deutschen Reichs“ – ohne Nebengedanken und ohne Hinweis auf vergangene Tage des rauhen Krieges.

Feierlich ertönten während der Hammerschläge die Worte des Kaisers: „Wie mein königlicher Vater einst dem preußischen Volke an dem Denkmal bei Berlin zurief, so rufe ich auch heute an dieser bedeutungsvollen Stelle dem deutschen Volke zu: den Gefallenen zum Gedächtniß, den Lebenden zur Anerkennung, den künftigen Geschlechtern zur Nacheiferung.“

Ein weihevoller Augenblick in der That! Der Kronprinz that die drei bedeutungsvollen Schläge mit den Worten: „Mit Gott für Kaiser und Reich!“ und Graf Moltke fügte dem hinzu: „Lieb’ Vaterland, magst ruhig sein!“, eine Rede, kurz, bündig und aus diesem Munde bedeutungsvoll genug, der ein Hurrah aus tausend Kehlen ein bedeutsames Echo gab.

Wir müssen es uns versagen, der in den Grundstein gelegten Urkunden, der kräftigen, bewegten Rede des Grafen zu Eulenburg weitläufiger zu gedenken, um so mehr, als diese Einzelheiten noch in der Erinnerung jener Tage bei unseren Lesern fortleben dürften.

Der Kaiser verließ nicht den Platz, ohne mit den Professoren Schilling und Weißbach von Dresden – unter der Leitung des Letzteren ist der Kolossal-Unterbau errichtet worden – die freundlichsten Worte gewechselt zu haben, gleichzeitig den Verfasser Dieses, ob der durch ihn zuerst in der Presse angeregten Idee, gerade hier das Denkmal zu errichten, beglückwünschend.

Das Fest verlief in glänzendster Weise – der Rhein hatte ein schöneres noch nicht gesehen – eine nationale Feier, dem Gedanken des Einigungsdenkmals in allen Theilen würdig.

Nun aber begann die ernste Arbeit der Vollendung und der weiteren Sammlung baarer Mittel. Der Unterbau wurde durch Professor Weißbach fertig gestellt, die Teerassen in dem steinigen Boden geebnet und aufgemauert, und die aufopfernde Thätigkeit des Staatsministers Grafen zu Eulenburg und des Comité-Geschäftsführers, Landesdirector Sartorius, ward gerade jetzt in beständiger Spannung erhalten.

Wer den Niederwald kennt, weiß die Schwierigkeiten zu schätzen, mit denen die Steigung des Berges überwunden werden mußte. Steine von nahe zweihundert Centnern Schwere mußten da hinaufgeschleppt werden. Ein einziger Stein bedurfte oft zum Transport bergauf zwei Tage und die Zugleistung von achtzehn Pferden. Steinmaterial aus dem Teutoburger Walde, aus dem Murgthal, aus Sachsen, aus der Nahegegend ist an den äußeren Flächen, solches an Ort und Stelle selbst gebrochen zu dem sechs Meter in die Erde versenkten Fundamente verwendet worden, der eigentliche Unterbau – durch die Firma Holzmann u. Comp. in Frankfurt hergestellt, zeigt eine Höhe von fünfundzwanzig Metern. Die Arbeiten zu den Gußtheilen waren vertheilt an die von Miller’sche Anstalt in München – die Statue der Germania –, die Statue des Krieges und des Friedens an Professor Lenz in Nürnberg,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 635. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_635.jpg&oldid=- (Version vom 14.1.2024)