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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Nachdem die noch immer tobenden und scharrenden Otterhunde mit Mühe vom Bau entfernt und einigermaßen beruhigt sind, wird der kleine bissige Terrier in die enge Eingangsröhre gelassen. Nach einigem ungeduldigen Winseln und Knurren hört man ein wüthendes Gebell dumpf heraufschallen – dann erscheint das tapfere Hündchen mit stark schweißender Schnauze wieder an der Oberwelt – der Otter ist fort – wahrscheinlich durch eine unter dem Wasserspiegel mündende Röhre geflüchtet und im tiefen Wasser am Boden gedrückt forteilend, unsern Späherblicken entschwunden.

Unsere Vermuthung wird sofort bestätigt durch den lauten Ruf eines weiter oben postirten Jägers, welcher ihn über die Fuhrt wie einen Schatten unter dem Wasser hinweggleiten sah. Sofort sind die Otterhunde zur Stelle und begleiten den unter dem Wasserspiegel dahin schwimmenden Otter am Ufer unter beständigem Geläute. Der Wind steht gut und das Wasser trägt die starke Witterung des Otters mit jedem Wellenschlage dem Ufer zu, welches jetzt zu beiden Seiten steiler und abschüssiger wird. Die Hunde stürzen sich nun in’s Wasser und folgen dem voraufeilenden Otter, schwimmend und fortwährend laut Hals gebend, nach. Ein herrlicher Anblick! Trotz seiner Amphibiennatur muß der Otter über kurz oder lang doch Luft schöpfen – er streckt daher von Zeit zu Zeit, wo dies unbemerkt unter dem Ufer geschehen kann, die Nase hervor, um zu athmen, aber Hunde und Jäger haben seinen Aufenthalt recht bald wieder ermittelt und nöthigen ihn abermals zu tauchen. Dadurch ermüdet er mehr und mehr, taucht selten und auf kürzere Zeit, sucht, wenn es unbemerkt geschehen kann, das Wasser ganz zu verlassen und wird dann entweder schon im Wasser von den Hunden ergriffen oder auf dem Lande von ihnen überrollt und nach kurzer, heftiger Gegenwehr getödtet.

Trotz aller Anstrengungen des „Huntsman“ und seiner tapferen Meute kann es vorkommen, daß eine unter den günstigsten Aussichten begonnene Jagd erfolglos bleibt, indem es dem Otter gelingt einen größeren Fluß zu erreichen oder in Röhren, welche unter den Wasserspiegel münden, unbemerkt zu verschwinden. Bei hohem Wasserstande ereignen sich solche Fehljagden gar nicht selten und im Allgemeinen macht der englische Otterjäger sich wenig daraus, wenn der so eifrig verfolgte Otter schließlich doch seinen Balg rettet, denn der Reiz dieser Jagd liegt vorzugsweise in der Arbeit der Hunde und dem eigenthümlichen, mannigfach wechselnden Verlauf der Wasserjagd. In den meisten Fällen kommt der Otter der Jagdgesellschaft während der ganzen Jagd gar nicht zu Gesicht, bis er endlich vom Huntsman aus dem wirren Knäuel der Hunde todt hervorgezogen wird.

Wenn die Witterung es erlaubt, pflegt nach Beendigung der ersten Jagd wohl ein gemeinschaftliches Frühstück im Freien stattzufinden. Sehr hübsch ist auch der Gebrauch, die Bälge der erlegten Ottern später denjenigen Grundbesitzern oder Fischereiberechtigten zu übersenden, in deren Revier der betreffende Otter gefangen wurde. Zu diesem Zwecke werden die Bälge sorgfältig in naturgetreuer Stellung vom Conservator aufgestellt, häufig wie schlafend zusammengerollt (als Fußkissen), am Halse ein schmales Silberband tragend, auf welchem das Datum der Jagd, Gewicht des Otters und Angabe der Stelle, wo er erlegt wurde, in gravirter Schrift angebracht sind.

Diese und andere gegenseitige Aufmerksamkeiten tragen nicht wenig dazu bei, das gute Einvernehmen zwischen der Jagdgesellschaft, den Fischereiberechtigten und Grundbesitzern zu erhalten und den Reiz des Jagdvergnügens durch gemeinschaftliche Theilnahme zu erhöhen.

Die Vorliebe der Engländer für rasche Hunde und möglichst geringen Zeitverlust bei jeder Jagdart hat in neuerer Zeit dahin geführt, die alte, allerdings etwas langsame Rasse der eigentlichen Otterhunde mit dem Fuchshunde zu kreuzen, auch werden hier und dort bereits reine Fuchshunde, welche die erste Jugendzeit hinter sich haben, für die Otterjagd verwendet. Der Erfolg soll ein günstiger sein, indeß wirkt die Arbeit im Wasser sehr bald nachtheilig auf diese kurzhaarigen Hunde ein, und vor Allem geht durch diese Neuerung jedenfalls ein gut Theil des eigenthümlichen Reizes der Otterjagd verloren.

Die Zahl der namhafteren Otterhundmeuten Englands und Schottlands mag immerhin zwölf bis vierzehn betragen, unter denen die zu Carlisle stationirte Meute wohl die bedeutendste ist. – Unsere Abbildung (siehe Seite 581) zeigt den Typus der Carlisle-Hunde, welche der Verfasser vor einigen Jahren näher kennen zu lernen Gelegenheit hatte. Der Otter ist bereits erlegt, die Hunde ruhen ermüdet von den Strapazen der Jagd, und der Huntsman erwartet die am andern Ufer zurückgebliebene Jagdgesellschaft.

L. B.




Bilder aus der Hygiene-Ausstellung.

Nr. 3.00Ein Tag in der Hygiene-Ausstellung.
(Schlußartikel.)

„Auf Wiedersehen heute Abend in der Hygiene-Ausstellung!“

Mit diesen Worten wollte mein Freund, der mich in Berlin auf dem Bahnhofe begrüßt und bis zum Portal des Hôtels geleitet hatte, mich nunmehr verlassen, um seinen unterbrochenen Tagesgeschäften wieder nachzugehen

„Abends?“ rief ich unwillkürlich. „Ich denke, um sechs Uhr wird die Ausstellung geschlossen?“

„Ganz recht! Das Hauptgebäude mit seinem vorwiegend für Fachkenner bestimmten Inhalt, der unser Einem oft recht wenig interessant und verständlich ist.“

„Aber das ‚Panorama von Gastein‘?“

„Das ist wahr! Deshalb fahren Sie lieber noch bei Tageslicht hinaus; denn das ist wirklich sehenswert. Und dann treffen wir uns vor Bauer’s Restaurant. Wir werden den schönen Abend ganz unterhaltend verbringen.“

„Adieu also!“

Mein Freund rollte in seiner Droschke „Erster Güte“ schnell und geräuschlos über den Asphalt von dannen, und mich trug der Aufzug des Hotels in feierlicher Stille hinauf in das mir zugewiesene Stockwerk; weiche Läufer zeigten mir die Bahn bis zu meinem Zimmer, und schon in der nächsten Minute verließ es der freundliche, flinke Knabe, der mich geleitet hatte, sein galonnirtes Mützchen und mein Autogramm in der Hand.

Bald hatte ich meinen äußeren Menschen möglichst der Kaiserstadt würdig ausgestattet und schlenderte durch die belebte Friedrichsstraße dem Stadtbahnhofe zu. Mit dem Billet für zehn Pfennig ausgestattet stieg ich die Steintreppe hinan, und da saust auch schon der Zug herbei, jeder „sieht, wo er bleibt“, öffnet und schließt sich sein Coupé ohne Schaffner und in wenigen Minuten verläßt man es wieder auf dem Lehrter Bahnhof.

„Gehen Sie lieber um die Invalidenstraße herum zum Haupteingang; dann ist der erste Eindruck, den Sie haben, imposanter.“

Gewissenhaft befolgte ich diesen Rath eines Mitfahrenden, dem, als Eingeborenem, offenbar daran lag, daß die „Hijehne“, wie er sie kurz nannte, sich dem „Fremden“, als welcher ich sogleich erkannt war, von der vortheilhaftesten Seite zeigen möchte.

Die lange Planke entlang, über welche Giebel, Dächer, Fahnen, Schornsteine und Wetterfahnen der Pavillonstadt mich schon neugierig begrüßten, vorüber an dem schauerlichen Moabiter Zellengefängniß, dessen Bewohner hier wenigstens eine erfreuliche und sanitäre Aussicht haben, ging es nach dem Haupteingang und, mit Karte, Katalog, Führer etc. ausgerüstet, eine der beiden Freitreppen herab, zwischen denen sich Cascaden von einem Pulsometer getrieben hinab ergießen, um sich unten in einem von Gartenanlagen umsäumten Becken zu sammeln.

Von hier aus präsentirt sich die Fronte des nunmehr aus Stein, Eisen und Glas reconstruirten Ausstellungspalastes mit dem kuppelgewölbten hohen Mittelbau in der That sofort klar, übersichtlich und mit Wirkung. Man sieht, daß das Ganze ein Mittelschiff und je zwei Seitenschiffe enthält und daß jedes dieser Schiffe im Grunde sich wieder aus einer Reihe einzelner, mit niedrigeren Kuppeln versehener Pavillons zusammensetzt.

„Nicht monoton und doch für etwaige spätere Verwendung in Einzeltheilen sehr praktisch,“ kam ein neben mir Stehender meinem prüfenden Blicke zu Hülfe.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 583. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_583.jpg&oldid=- (Version vom 13.1.2024)