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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Tage vor unserm Besuch, während einer Gastspielreise nach Bremen, von dort an Adelheid Bernhardt geschrieben:

„Was wissen die Menschen, die meine Kunst bewundern, wie es in mir aussieht! Wer kann es begreifen, wenn ich beklatscht und bewundert da oben stehe, daß ich schlaflos die Nächte verbringe und nur eben mein Herzeleid mich der Kunst so voll und ganz in die Arme warf! Wenn nicht die liebevolle aufopfernde Pflege meiner jüngsten Schwester Toni wäre, wo wäre ich jetzt! Sie ist es, die mich dem verhaßten Leben erhalten hat – kann ich ihr's danken?! Du weißt, Adelheid, wie ich litt unter unseren Verhältnissen! Wie dem auch sei – ich schreibe Dir aufrichtig, wie ich fühle! Nie kann ich mehr hoffen, glücklich zu sein: Ich habe meinen Franzl verloren! Das ganze Weltall müßte zusammenstürzen, während ich diese Worte niederschrieb – Worte, welche der Ausschrei einer verzweifelnden, sich in Sehnsucht verzehrenden Mutter sind. – – Da hast Du mein Herz! So sehe ich aus, bedaure mich, wenn Du es vermagst.“

Dieser wilde Sturm des Schmerzes brach jetzt nicht wieder hervor. Sie erging sich in allerliebsten Erzählungen von ihrem „Bubi“, aber mit Thränen im Auge klagte sie wieder über die Trennung und seufzte tief auf : „Und ich habe mein Kind doch so sehr lieb!“ Mir wurde ganz weh um's Herz, und es hätte nicht viel gefehlt, so wäre ich ihr um den Hals gefallen und hätte ihr die Thränen weggeküßt.

Auch von ihrer schweren Krankheit im Centralhotel zu Berlin sprach sie, wo vier Aerzte das Bett der Typhuskranken umstanden hatten. Auf ihr kurz geschnittenes glattes Haar deutend, sagte sie lächelnd: „Das ist auch noch eine Errungenschaft jener schweren Zeit.“

So sprach sie noch viel, und aus Allem klang ihre große Herzensgüte, ihr mildes Urtheil und ihre begeisterte Liebe zur Kunst. „Es giebt ja oft Tage und Stunden, wo ich keine Silbe rede, aber wir Künstler sind einmal so, das muß eben unsere Umgebung ertragen lernen,“ sagte sie, als sie uns von der Güte ihrer Schwester Toni erzählte, die wir nun ebenfalls kennen lernten, denn sie kam in’s Zimmer und wandte sich so reizend naiv an die Schwester mit der Bitte:

„Hedwig, schenk’ mir zwanzig Pfennig!“

Hedwig lachte mit uns, befriedigte die Schwester und trug ihr noch auf, ja den Vogelbauer nicht zu vergessen. Sie bestellte ihr Haus noch, ehe sie ihre Reise nach England antrat!

Von London aus, wo sie als Brunhilde in „Walküre“ und „Götterdämmerung“, wie überall, unerhörte Erfolge erregt hatte, schrieb sie (am 26. Mai 1882) unter Anderem: „Das Neueste ist also, daß Neumann wahrscheinlich im October-November wieder hier und dann drei Monate in Amerika – New-York und Boston – sein wird. Trotzdem halte ich fest an meinem Vorhaben, nach Leipzig zurückzukehren. Denn mein Leipzig ist mir an’s Herz gewachsen und gäbe es nur ein Hoftheater, das ist München, wo ich wegen Papa gern wäre.“

Nach der Rückkehr von dieser Reise sollte sie doch nur gar zu bald ganz von Leipzig scheiden Der Abschied ist ihr schwer geworden. „Ach, jedes Blumentöpferl thut mir leid, was da bleibt, und ich muß fort!“ sagte sie, ihre schönen Blumen betrachtend.

Wir waren endlich aufgestanden und bewunderten die erstauliche Fülle der Lorbeerkränze. „Ja,“ sagte sie, „das ist auch mein Stolz.“ Und nun zeigte sie uns mehrere, die sie von ihr besonders theuren Personen oder bei besonders denkwürdigen Veranlassungen empfangen hatte, und schloß endlich lächelnd : „Ach, und da habe ich noch Körbe voll zu Hause.“

Eine nicht ganz gelungene Kreidezeichnung lehnte auf einem Stuhl, sie stellte sie als Isolde vor. Frau Kindermann erzählte uns, sie habe das Bild einem armen Schlucker für dreißig Mark abgekauft. Da aber manches auf dem Bilde nicht gut sei, so bessere sie es selbst aus. So war sie immer die Herzensgüte selbst! Man könnte davon unzählige Beispiele anführen, wie kein Armer ohne ein Mittagsbrod von ihrer Thür ging, wie sie einem armen Betteljungen fünf Groschen gab und dann entzückt ausrief: „Schauen’s nur das glückliche Gesicht, was der Jung’ macht!“

Und sobald schon mußte dies schöne Wesen sein Leben lassen! Seit diesem Besuche kann ich nicht an Hedwig Kindermann denken, ohne daß mir Schiller’s Vers vor Augen stände: „denn der Mächtigste von allen Göttern ist der Augenblick.“ Wenn je in erschütterndster Weise, hat sich die Wahrheit dieses großen Dichterwortes an Hedwig Kindermann dargethan. Sie lebte nur mit dem Augenblick: sie beherrschte ihn, wenn ihre Kunst es gebot, sie besiegte jeden Schmerz, wenn die Pflicht rief, sie errang ihre höchsten Triumphe durch ihre Herrschaft über den Augenblick; – aber ebenso gewaltig war der Sieg des Augenblicks über sie, wenn sie von der Bühne in’s Leben zurücktrat. Sie ließ sich vom Augenblick in den tiefsten Jammer wie zur äußersten Lust führen. Wohin er sie aber auch geführet, da hielt sie ihn fest. Ein solcher festgehaltener Augenblick der Freude war es, der sie nach ihrem letzten Triumph als Erda an jenem Abend in Triest beim „prächt’gen Krügel Pilsener“ in der tückisch schmeichelnden Mailuft gefangen hielt, bis der Schüttelfrost ihr den letzten Augenblick verkündete. Augenblicke um Augenblicke – aber die ihrer Kunst werden noch strahlen, wenn die andern längst verwischt sind.

Der Name Hedwig Reicher-Kindermann wird ewig in leuchtenden Lettern am Kunsthimmel prangen und weiter leben im Herzen Aller, die ihre bezaubernde Stimme gehört – ob auch der Leib zu Staub zerfällt, im Herzen Tausender bleibt Hedwig Kindermann ewig unvergessen.

E. H.




Wo kommen unsere gefiederten Hausfreunde her?

Schilderung von Dr. Karl Ruß.

Vor nahezu zwei Jahrzehnten schrieb mir Herr Karl Hagenbeck in Hamburg, Inhaber der größten Handelsmenagerie der Welt, zum ersten Mal, ich möge an einem bestimmten Tage im Monat Mai dort eintreffen, weil dann ein großes Schiff von Australien mit reicher Ladung an Schmuckvögeln anlange. Seitdem habe ich fast Jahr für Jahr einer derartigen Ankunft beigewohnt, und eine solche ist in der That bedeutsam und anregend genug, daß es sich wohl verlohnt, um ihretwillen eine Reise nach Hamburg zu unternehmen.

Je nach der Gegend, beziehentlich dem Welttheil, aus welchem das Schiff hergekommen, ergiebt sich der Anblick jedesmal als ein absonderlicher. Hier haben wir gegen zwei Dutzend große, stattliche Kakadus, in verhältnißmäßig engen Kasten zusammengedrängt, vor uns, und wenn wir ihnen zu sehr nahen oder durch eine rasche Bewegung sie erschrecken, so klappen sie ihre blutfarbigen Federschöpfe helmartig auf, und ihre ausdrucksvollen dunkeln Augen blicken so sprechend, daß wir uns wahrlich nicht zu wundern brauchen, wenn diese Vögel menschliche Worte verlauten lassen. Dort schwirrt und tobt es stürmisch durch einander; es sind rothe Cardinäle, deren sonst so sauberes, purpurnes Gefieder jetzt recht abgestoßen und angeschmutzt erscheint und unser Bedauern erregt. Jenen Versandkäfig bevölkern Hunderte von Prachtfinken, welche auf stufenweise angebrachten Stangen vor uns sitzen, uns sämmtlich die Köpfchen zuwenden und förmlich erwartungsvoll anschauen. Wiederum in einem andern Kasten kommen uns die Insassen, sobald wir nahen, schnatternd und meckernd entgegen; es sind keine Sittiche, Schmalschnäbel und Andere, und wehe uns, wenn wir die Hand hinein halten wollten, sie würden sofort alle vereinigt auf den Feind losgehen und uns mit ihren Kneifzangenschnäbeln gar empfindlich zusetzen. Vor einer besonders werthvollen Vogelsendung stehend, wird uns die Liebhaberei zunächst arg verleidet; Graupapageien empfangen uns nämlich mit solchem durchdringenden schrillen Geschrei, daß ungewöhnlich kräftige Nerven dazu gehören, um es ertragen zu können.

Jedes Schiff bringt, natürlich seinem Abfahrtsort entsprechend, verschiedene Arten von Vögeln mit, ja manchmal ganz unerwartete, denn die einander begegnenden Schiffe treiben, wie mit mancherlei anderen Dingen, auch mit den lebenden Vögeln unterwegs Kauf und Tausch. So habe ich selber gesehen, daß ein von Brasilien zurückkehrender Dampfer Webervögel aus Südafrika, ein Schiff von New-York Sonnenvögel aus China mitführte etc. Darin liegt erklärlicher Weise für den Liebhaber und Kenner ein ungemein

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 491. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_491.jpg&oldid=- (Version vom 9.1.2024)