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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

schon in Schatten und Dämmerung, während draußen der Sonnenuntergang seine leuchtende Gluth über die ganze Bergwelt ausgoß.

Auch auf dem Gesichte des Freiherrn lag ein Wiederschein jener Gluth. Es war nicht mehr der düstere, einsame Träumer von ehemals, der dort stand; in seinen Zügen leuchtete es wieder wie ein Schimmer von Jugend und Glück, und seine ganze Haltung und Erscheinung verriethen neu erwachtes Leben und wiedergewonnene Kraft. Nur die breite, dunkelrothe Narbe auf der Stirn erinnerte noch an das überstandene Leiden.

Und dennoch war eins zurückgeblieben, das unauslöschlich zu sein schien. In den Augen Raimund’s lag noch tief und schwer der alte Schatten, und es war wieder der alte dunkle Blick, mit dem er zu der Geisterspitze emporsah. Dies Eine war selbst der Liebe und dem Glücke nicht gewichen! Die frische Wunde auf der Stirn hatte sich geschlossen, aber jenes alte Weh im Innern blutete fort und wollte nicht vernarben. Der Bann war nicht gelöst, und die Vergangenheit warf ihren Schatten selbst in das neue Leben.

(Fortsetzung folgt.)




Blätter und Blüthen.

Feierabendhäuser für Lehrerinnen. Auf zahlreiche an die „Gartenlaube“ ergangene Anfragen nach Stätten, in welchen ältere Lehrerinnen von ihrer Berufsarbeit ausruhen und ein ihrem Lebensabend entsprechendes Unterkommen finden können, vermögen wir heute mit der Mittheilung zu antworten, daß gerade jetzt – am 15. Mai dieses Jahres – ein solches Feierabendhaus eingerichtet und am 1. Juni von vier Lehrerinnen bezogen werden ist. Es ist dies das „Wilhelm-Augusta-Stift, Feierabendhaus für Lehrerinnen“ bei Gandersheim.

Vorher bestand bereits bei Berlin das „Feierabendhaus in Steglitz für deutsche Lehrerinnen und Erzieherinnen“. Schon 1875 hatten deutsche Frauen das Werk der Selbsthülfe begonnen, indem sie den „Verein deutscher Lehrerinnen und Erzieherinnen“ gründeten, der seinen Sitz und Gerichtsstand in Berlin und die Rechte einer juristischen Person hat. Gleich anfangs ward unter seinen Zwecken mit angeführt: „Gründung eines Feierabendhauses für Lehrerinnen unter vorzugsweiser Berücksichtigung der Vereinsmitglieder“. Mit Hülfe von deren Beiträgen und verschiedenen Einzelzuwendungen und durch andere Einnahmequellen, wie sich solcher fast alle Vereine bedienen, durch Veranstaltungen von Concerten, Vorträgen, Theatervorstellungen, Bazar etc. ward es möglich, in Steglitz den Bauplatz zu einem solchen Hause zu erwerben und dasselbe dann schon am 14. Juni 1879 zu eröffnen.

Die Aufnahme ist bedingt 1) durch ein Alter von mindestens fünfundfünfzig Jahren oder durch nachgewiesene Dienstunfähigkeit bei einem Alter von mindestens vierzig Jahren, 2) durch den Nachweis berufsmäßig ausgeübter Lehrtätigkeit von mindestens fünfjähriger Dauer, 3) durch eine einmalige Zahlung von vierhundert Mark, und 4) durch den Nachweis von Subsistenzmitteln, die von dem Curatorium für genügend erachtet werden. Die zwei letzten Erfordernisse können wegfallen, wenn durch besondere Zuwendungen Freistellen geschaffen werden oder sonst die Fonds für einzelne Fälle und besondere Würdigkeit der Aspirantin ausreichen. Dreiunddreißig bis vierunddreißig Damen können in dem Hause Aufnahme finden und jede über ein Zimmer mit Nebenraum verfügen. Seit 1881 ist das Haus vollbesetzt. Ein Saal und ein umgebender Park dienen zur geselligen Vereinigung. Auch für Badezimmer ist gesorgt. Die Mehrzahl der Bewohnerinnen nimmt auch das von der Frau des Hauswarts gegen geringes Geld bereitete gute und kräftige Mittagsmahl gemeinsam ein.

Etwas später, aber auch schon vor einigen Jahren, traten in Rheinland und Westfalen einige Lehrerinnen zusammen und sammelten unter sich in aller Stille, um auch eine Ruhestätte für erholungsbedürftige Lehrerinnen zu gründen. Erst als sie selbst 3000 Mark zusammen gethan, traten sie mit ihrem Vorhaben an die Oeffentlichkeit. Wesentlich unterstützt und gefördert ward die Sache, als in Folge eines Aufrufs bei Gelegenheit der goldenen Hochzeitsfeier des deutschen Kaiserpaares 1879 der „Wilhelm-Augusta-Lehrerinnen-Verein“ gegründet ward und seinen Sitz in Bochum nahm. Ordentliche Mitglieder desselben können alle deutschen Lehrerinnen werden, welche mit staatlicher Zulassung an öffentlichen Schulen – höheren Töchter-, Volks- und Kleinkinderschulen – oder an Privatmädchenschulen unterrichten oder als Erzieherinnen wirken oder die Berechtigung dazu erworben haben, gegen einen jährlichen Beitrag von drei Mark. Außerordentliche Mitglieder können Alle werden, welche mindestens den gleichen Jahresbeitrag aber einen einmaligen von sechszig Mark zahlen.

Der Schriftsteller Arnold Wellmer in Blankenburg unterstützte durch die Presse speciell diese Sache (siehe die Flugschrift: „Ein Feierabendhaus für müde alte Lehrerinnen und Erzieherinnen zu Gandersheim am Harz. Wilhelm Augusta-Stift. Berlin, E. Krause. 1880“). Er mahnte an Hroswitha, jene berühmte Dichterin, die vor 900 Jahren im Kloster von Gandersheim lebte und die man ihrer Zeit „die mächtige Stimme von Gandersheim“ nannte – er mahnte, wie es noth tue, eben da wieder eine Stimme für eine andere, zeitgemäße Stiftung zu erheben: für Jungfrauen, die sich dem Lehrstand gewidmet. Und nun kam das Geld zusammen, sodaß jetzt eben das „Feierabendhaus für Lehrerinnen bei Gandersheim, Wilhelm-Augusta-Stift“, eröffnet werden konnte.

Gandersheim, die kleine braunschweigische Ackerstadt, ist eine Bahnstation zwischen Seesen und Kreiensen, und zehn Minuten davon am Saum des Waldgebirges, nahe am herrlichsten Buchenwald und nicht weit von dem freundlichen Ludolfs-Bad, liegt das nun fertig erbaute Haus, zu dem auch ein großer Garten gehört. Es ist vorläufig auf zwanzig Bewohnerinnen eingerichtet, außerdem hat es noch Raum für solche Lehrerinnen, die sich nur vorübergehend da aufhalten wollen in der Ferienzeit, zum Genuß des Bades.

Auch hier kann jede deutsche Lehrerin und Erzieherin, wenn sie Vereinsmitglied ist, ein Asyl finden, Zimmer und Schlafkammer, freie Verpflegung bei gemeinschaftlichen Mahlzeiten, freie Curkosten und Bäder des Ludolf-Bades. Jetzt ist dafür noch ein Eintrittsgeld von 300 Mark und eine Jahrespension von 800 Mark zu zahlen, doch hofft man bei vergrößerten Mitteln bald davon absehen zu können.

Der Verein hat seinen Sitz in Bochum, Vorsitzende sind der dortige Bürgermeister Herr Lange und Herr Superintendent König in Witten, Schriftführerin Fräulein Schüßler ebendaselbst, und Cassirer Herr Bansi in Bielefeld. Um Auskunft und mit Beiträgen wende man sich an diese.

In vielen deutschen Städten sind „Lehrerinnenvereine“ und viele streben nach gleichem Ziel, aber den meisten ist es nicht gelungen, solch ein „Lehrerinnenheim“, wie z. B. das in Dresden, zu gründen, wo Lehrerinnen vorübergehend gegen einen mäßigen Preis Wohnung und Kost erhalten.

Und nun – nach dieser bloßen Auskunftsertheilung möchten wir die Leser bitten, die Sache etwas tiefer aufzufassen und sich das Loos der deutschen Lehrerinnen gerade so zu Herzen gehen zu lassen, wie das der deutschen Lehrer, für welche die „Gartenlaube“ so oft eingetreten ist und immer Ohren und Hände gefunden hat.

Die Lehrerinnen haben ja wahrlich keinen leichteren Beruf als die Lehrer, und nur die an städtischen Schulen angestellten Lehrerinnen erhalten Pension. Die Mehrzahl geht einem sorgenvollen und einsamen Alter entgegen. Welch ein Trost dann für diese Alleinstehenden, irgendwo ein stilles Obdach zu wissen, wo sie unter Berufsgenossinnen ihre Tage friedlich beschließen können, wo sie wissen, daß sie in Krankheit und Schwachheit Pflege finden und damit Niemand zur Last fallen. Suche doch darum, wer es vermag, mitzuwirken, daß noch mehr solche Feierabendhäuser gegründet, daß die bestehenden erweitert und den Bedürftigen unter immer günstigeren Bedingungen geöffnet werden können!

Die Frauen, die sich selbst durch anstrengende Thätigkeit durch’s Leben helfen müssen, sind auch hier, wie die Geschichte der beiden Gründungen zeigt, zur Selbsthülfe bereit gewesen und haben das Werk für ihre Schwestern begonnen, helfe man ihnen doch wenigstens weiter! Wird es doch immer mehr erkannt, daß der Lehrberuf sich ganz besonders für das weibliche Geschlecht eignet, widmen sich ihm doch auch immer mehr Mädchen, theils aus innerstem Trieb, einen Geist und Gemüth zugleich befriedigenden Wirkungskreis zu finden, theils auch der Nothwendigkeit gehorchend, ihre Fähigkeiten einer Erwerbsthätigkeit zu widmen, die ihnen ermöglicht, sich selbst zu erhalten, denn – alle weiteren Erörterungen bei Seite gelassen – steht ja die Thatsache fest, daß bei der Mehrheit so vieler Tausende von Mädchen neben den Männern eben Tausende darauf angewiesen sind, das eigene Brod und die eigene Lebensaufgabe anderswo zu suchen, als in der Mitbegründung eines Hausstandes.

Ehre darum den Lehrerinnen und Dank im Voraus Allen, die sich mit betheiligen wollen, wo es gilt, ihnen ihr Alter zu erleichtern!

Louise Otto.




Die Frühstücksrechnung. (Abbildung Seite 393). Eine Privatbuchführung in einem Winkel der Bauhütte ist der Gegenstand unserer Illustration. Der Künstler hat einen guten Griff in’s Leben gethan; als er den Lehrjungen beobachtete, welcher, mit sinnendem Haupte, ein Stück Brett als Schreibtafel benutzend, die einzelnen Posten berechnete, die er für die eingekauften Frühstücksartikel der Herren Baugesellen verausgabt hatte. Stimmen muß es ja, wenn nicht die friedliche Stimmung seiner Auftraggeber oder seine eigene Casse geschädigt werden soll. Ob er seines Zeichens ein Maurer oder ein Tüncher (Haus- und Zimmeranstreicher) ist, läßt sich aus seiner Arbeitstracht und Umgebung zwar nicht bestimmen, auch die Frühstücksbedürfnisse sind bei beiden Metiers dieselben: Wurst, Käse, Brod, Schnaps, Bier und sogar ein Päckchen „Schwarzer Reuter“ bilden die Vorräthe, die vor ihm auf der Kiste ausgebreitet liegen. Der arme Junge! Wie viel muß er tragen mit hungrigem Magen! Er muß als Lehrbub Meister sein im Dienen und Entsagen.




Der kaiserlich königliche Statthalter in Tirol und Vorarlberg wendet sich an das reisende Publicum mit einer deutschen, englischen, französischen und italienischen Ansprache, in welcher er die wohl weitverbreiteten Besorgnisse über Hemmnisse und Störungen des Reisegenusses in den von den Wasserfluten heimgesuchten Thälern in eingehender und überzeugender Weise beseitigt und mit der Versicherung schließt, daß „die Folgen der Ueberschwemmung, so schweres Unglück sie auch über das Land gebracht haben, weder ein Hinderniß, noch eine Beschwerung für den Besuch und Aufenthalt in demselben bilden, ja daß vielmehr der Anblick der großartigen Wahrzeichen ungebändigter Elementargewalten und der überall in Ausführung begriffenen Schutz- und Regulirungsbauten geeignet sei, dem fremden Besucher eine besondere Anregung, seltenes und neues Interesse zu bieten“.


Unter Verantwortlichkeit von Dr. Friedrich Hofmann in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 396. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_396.jpg&oldid=- (Version vom 5.1.2024)