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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

verschiedene Corps zu theilen, deren eines nur wirkliche Seeleute enthielte und die eigentliche seemännische Besatzung der Schiffe zu stellen hätte, während das andere aus Nichtseeleuten formirt und mehr zum Dienst auf den Ruderkanonenbooten und am Lande verwendet werden sollte.

So entstand das „Matrosencorps“ – sehr bald darauf „Matrosenstamm-Division“ genannt – und das in 2 Compagnien getheilte „Marinecorps“. Die etatsmäßige Stärke exclusive der Officiere des ersteren belief sich im Jahre 1849 auf 50 Unterofficiere, 378 Matrosen und 100 Schiffsjungen, die des Marinier-Corps auf 20 Unterofficiere und 200 Mariniere.

Aus dem „Marinier-Corps“ wurde nun im Jahre 1852 zu Stettin das „Seebataillon“ gebildet.

Mit dem Namen wechselte das Marinier-Corps, welches bisher äußerlich dem Matrosen-Corps völlig gleich gewesen war, auch die Uniform. Letztere bestand fortan aus blauem Waffenrock mit blauem Kragen, weißen Biesen und weißen Achselklappen mit gelben Ankern, blauen Beinkeidern mit weißer Biese, Helm mit Kugel und Marine-Emblem aus schwarzem Lederzeug. Die Officiere erhielten goldgestickte Kragen und trugen den Füsiliersäbel der Armee.

In dem Maße, wie das schwimmende Material der Flotte zunahm, wurde auch das Seebataillon successive verstärkt, sodaß dasselbe gegenwärtig aus 6 Compagnien besteht, von denen 4 in Kiel und 2 in Wilhelmshaven stehen.

Fragt man nun: Welchen Zweck erfüllt diese Infanterietruppe innerhalb der Marine? so ist es, um dem Laien die Beantwortung verständlich zu machen, nothwendig, einen kurzen, vergleichenden Blick auf das frühere und gegenwärtige Seekriegswesen zu werfen.

In den großen Flotten anderer Nationen, namentlich der englischen, bestand ein geordnetes, auf allgemeiner Wehrpflicht beruhendes Recrutirungssystem nicht, wie ja auch England bis zu diesem Augenblick ein solches noch nicht eingeführt hat.

Die Matrosen, welche für die Bemannung der vielen großen Linienschiffe von 72 bis 120 Kanonen in bedeutender Zahl erforderlich waren, wurden aus Angehörigen aller Nationen angeworben und, wo es an Freiwilligen fehlte, mit Gewalt ausgehoben – „gepreßt“. Diesen Leuten fehlte naturgemäß jede militärische Vorbildung. Da es aber in der Schlacht zwischen Flotten, die nur aus Segelschiffen bestanden, von höchster und meistens entscheidender Wichtigkeit war, alle dabei nothwendig werdenden Segelmanöver mit möglichst großer Schnelligkeit und Präcision auszuführen, so mußte auch die erste und größte Sorgfalt auf die Ausbildung der Matrosen im Segelexercitium und demnächst auf die in der Bedienung des Geschützes verwendet werden. An eine irgendwie genügende Unterrichtung im Schießen mit dem Kleingewehr und im Infanteriedienst am Lande konnte nicht gedacht werden.

Wo es nun zum Entern kam, d. h. wo ein Schiff sich im Gefecht Seite an Seite mit dem Gegner legte, um diesen im Kampfe Mann gegen Mann zu bewältigen, da führten die Matrosen vorzugsweise blanke Waffen. Säbel, Enterbeile, Piken und Dolche, gelegentlich auch Pistolen. Die Vorbereitung der Enterung, d. h. die möglichste Säuberung derjenigen Stellen des feindlichen Schiffes von den Vertheidigern, wo geentert werden sollte, mußte deshalb Leuten zufallen, welche eine bessere Ausbildung im Gebrauch der Schußwaffe erhalten hatten, als das bei den Matrosen der Fall sein konnte, also Soldaten. Und wo an feindlichen Küsten Landungen ausgeführt werden sollten, da mußte auch eine im Infanterie-Dienste geübtere Truppe den Kern des Landungscorps bilden. Deshalb war es nothwendig, den Kriegsschiffen neben den Matrosen noch am Lande erzogene und gut ausgebildete Soldaten mitzugeben.

Aber auch ein anderer Umstand machte die Installirung einer größeren Anzahl wohldisciplinirter, zuverlässiger Mannschaften an Bord, namentlich der englischen Kriegsschiffe, nothwendig.

Wir haben erwähnt, daß die Matrosen der englischen Marine theils freiwillig, theils mit List und Gewalt angeworbene Leute, ohne jegliche voraufgegangene Disciplinirung waren. Solche gegen ihren Willen zum Seedienste gezwungene und oft genug auch noch schlecht verpflegte und ebenso schlecht behandelte Menschen, unter denen sich auch viele Abenteurer, Vagabonden, ja oft sogar Verbrecher befanden, trugen naturgemäß den Keim der Unzufriedenheit und die Neigung zu Widersetzlichkeit und offener Meuterei in sich, und gegen den Ausbruch solcher Meutereien den Commandanten und die Officiere zu schützen, war ebenfalls eine der Ursachen dazu, daß sämmtliche Kriegsschiffe der englischen Flotte mit der Anzahl ihrer Besatzung entsprechend starken Detachements von „marines“ (Seesoldaten) besetzt wurden. Ein Schiff von 120 Kanonen und 1100 Köpfen Besatzung hatte beispielsweise eine ganze Compagnie, eine Fregatte ein Detachement von 60 bis 80 Seesoldaten an Bord. Uebrigens haben diese „marines“ oft genug die bis in die letzten Jahrzehnte hinein in der englischen Flotte sehr häufigen Meutereien der Matrosen nicht allein nicht immer unterdrücken können, sondern auch – trotz des Hasses, der dort zwischen „bluejackets“ und „lobsters“ (Matrosen und Seesoldaten, wobei lobster, Hummer, der Spitzname der Seesoldaten, ihrer rothen Uniform wegen, war) herrschte und zum Theil noch herrscht – sogar gelegentlich an denselben Theil genommen.

Für unsere Marine war zur Zeit ihrer ersten Entwickelung die englische Marine naturgemäß das Muster, nach dem wir den Dienst an Bord unserer Kriegsschiffe normirten, und so kam es denn, daß, als wir in den Besitz größerer Schiffe, Fregatten und Corvetten gelangten, auch die Commandirung von Seesoldatendetachements an Bord solcher Schiffe, wie dieselbe in England üblich, unwillkürlich bei uns Nachahmung fand.

Im Laufe der Zeit stellte sich nun aber heraus, daß es nicht zweckmäßig ist, Schiffen, welche große überseeische Reisen machen, fast nur unter Segel fahren und einen im Verhältnisse zu ihrer Besatzungsstärke beschränkten Wohnraum für letztere bieten, eine Anzahl von Mannschaften mitzugeben, deren Verwendung, da sie zur Bedienung der Segel nicht gebraucht werden können und dürfen, eine ganz einseitige ist. Auf der andern Seite aber werden unsere Matrosen, seitdem der vorige Chef der Admiralität, von Stosch, die Führung der Marine übernommen, militärisch so ausreichend vorgebildet, daß sie ebenso gut wie die Seesoldaten zum Wachdienst und, mit hinreichender Aussicht auf Erfolg, auch als Infanteristen bei Landungen gegen halb- oder uncivilisirte Völkerschaften – denn um solche handelt es sich bei in’s Ausland detachirten Schiffen in der Regel nur – verwendbar sind. Und eines Schutzes unserer Officiere gegen die eigenen Matrosen hat es in unserer Marine, Gott sei dank, nie bedurft und wird es niemals bedürfen!

So wurden denn vom Jahre 1873 an nur auf den eigentlichen zu Geschwadern verbundenen Schlachtschiffen Seesoldaten-Detachements eingeschifft. Und daß dieses geschieht, hat seine gute Berechtigung.

Die Zahl der Matrosen nämlich, welche im Falle einer Mobilmachung unserer Flotte allein für die Besetzung der Schiffe mit seemännischem Personal erforderlich ist, ist eine so große, daß wir nicht darauf rechnen können, sie bei plötzlich ausbrechendem Kriege stets zur Hand zu haben; und in einem solchen Falle leistet uns das Seebataillon gute Dienste, indem es die Schlachtschiffe (Panzer-Fregatten und -Corvetten) mit Detachements von 60 bis 120 Mann versieht, welche theils als Hülfsnummern an den Geschützen, theils als Scharfschützen Verwendung finden.

Für ersteren Zweck werden die Seesoldaten in Exercirbatterien am Lande in der Bedienung der Schiffsgeschütze ausgebildet, und für den letzteren Zweck macht sie ihre sorgfältige und vorzügliche Ausbildung im Schießen ganz besonders geeignet. Denn bei der heutigen hohen Vollendung in der Schußweite und Trefffähigkeit unseres Infanteriegewehres wird im Seegefechte sehr bald der Moment eintreten, wo geübte Schützen mit gutem Erfolge gegen die auf Deck stehenden feindlichen Officiere und die Bedienungsmannschaften der Geschütze Verwendung finden können.

Das ist die Aufgabe, welche dem Seebataillon, nicht als geschlossene Truppe, sondern in Detachements, an Bord unserer Schiffe zufällt.

Am Lande versieht dasselbe gemeinsam mit den Mannschaften der übrigen Marinetheile (Matrosen- und Werft-Divisionen), respective in der Garnison stehenden Infanterietruppen, den Garnisonwachtdienst.

Das Seebataillon hat im Laufe der Zeit einige Veränderungen in seiner Uniformirung erfahren (weiße Kragen statt der blauen etc.), als deren letzte die Verleihung eines schwarzen Haarbusches auf dem Czako zu verzeichnen ist, welcher die schon sehr

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 235. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_235.jpg&oldid=- (Version vom 26.12.2023)