Seite:Die Gartenlaube (1883) 210.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

das Getöse der Hämmer, das rastlose Laufen der Maschinen, die Gluth ausströmenden Oefen, der Betrieb auf den das ganze Etablissement durchlaufenden Schienensträngen, das Arbeiten der Dampfkrahne und das emsige Treiben von 1400 und mehr Arbeitern den Eindruck ungestümer, rasender Thätigkeit hervorrufen, so genügen dennoch wenige Minuten der Beobachtung, um die Ueberzeugung zu gewinnen, daß Alles zu einem endlichen, wohldurchdachten Ziele führt. Wie könnte dies auch anders sein! Ist doch Gruson bei dem Altmeister der Eisenindustrie in die Schule gegangen, und hat doch derselbe, welcher jetzt selbst zu den Koryphäen in der Eisenbranche zählt, bei Borsig in Berlin die erste Ausbildung erhalten. Ein gründliches Studium der Mathematik und Naturwissenschaften, sowie eine längere Thätigkeit als Director anderer großer Eisenindustrie-Etablissements vollendeten Gruson’s Ausbildung, sodaß er sich 1856 bereits an demselben Orte – freilich nur klein beginnend – auf eigene Füße stellen konnte, an dem später seine nach und nach immer mehr und mehr erweiterten Fabrikräume entstanden, welche jetzt in vielen mächtigen Gebäuden einen Raum von 80,000 Quadratmetern bedecken.

Die zum Betrieb von 550 Arbeitsmaschinen, den Dampfkrähnen, hydraulischen Werken etc. erforderlichen 363 Pferdekräfte verdanken ihren Ursprung 31 mächtigen Dampfmaschinen, während in 12 großen Coupol- und 10 Tiegelschmelzöfen das Eisen aus den Rohmetallen gewonnen wird, welches in täglich 3000 und mehr Stücken als fertiger Guß zu weiterer Bearbeitung gelangt. Erlischt des Tages Licht, so erglühen 80 große elektrische Lampen, um, theilweise selbst die ganze Nacht hindurch, das niemals völlig ruhende Treiben zu beleuchten.

Beim Eintritt in das Etablissement glaubt man sich in einer kleinen Stadt zu befinden, deren gerade, sich vielfach kreuzende, zur leichteren Orientierung besonders benannte Straßen jedoch das wogende Leben einer Großstadt aufweisen. Ein vielverwickelter Schienenstrang durchzieht die gesamten Anlagen und endigt schließlich auf dem Bahnhofe von Buckau. Hin und wieder erweitern sich diese Straßen zu Plätzen, unter denen der Wilhelmsplatz sich besonders dadurch auszeichnet, daß an demselben das Comptoir liegt, die Centralstelle des genammten Instituts, und daß mitten in demselben, auf einem mit eisernem Gitter umgebenen Sockel, die Millionste der in der Fabrik gegossenen Hartgußgranaten, welche die Jahreszahl 1875 trägt, als bleibendes Andenken postirt worden ist.

Beim Rundgang durch die Straßen ruht das Auge des Besuchers, welcher seitens der Fabrikdirection die freundlichste Aufnahme und vieles Entgegenkommen findet, mit Vergnügen auf den athletischen, schwarzberußten Gestalten der emsigen Arbeiter, deren schwielige Hände und geröthete Wangen freilich von der Last der Arbeit zeugen, deren äußeres Wohlaussehen aber auch darauf schließen läßt, daß hier Mühe und Fleiß reichlich belohnt wird, und aus deren Blicken ein Etwas leuchtet, was darauf hindeutet, daß hier Arbeiter und Arbeitgeber in gegenseitiger Zufriedenheit auf einander bauen und vertrauen.

Die interessanteste aller dieser Straßen ist unstreitig die „Granatenstraße“ (vergl. Abbildung, S. 208), in welcher Tausende und aber Tausende von Geschossen, wohl geordnet und aufgespeichert, harmlos lagern, um, vorläufig still träumend, einst feuerspeiend ihre blutige Bestimmung zu erfüllen.

Als großartigster aller inneren Räume der Fabrik muß die weite, mit Oberlicht versehene, 10 Meter hohe, 20 Meter breite und 260 Meter lange Halle angesehen werden, in welcher die Panzerplatten in’s Dasein treten, deren größte das formidable Gewicht von 50,000 Kilogramm repräsentiren, was einem ungefähren Rauminhalt von etwa 6 bis 7 Cubikmeter entspricht. Die für einen derartigen Guß erforderlichen Erzmassen werden in den großen in der Halle selbst befindlichen Coupolöfen erzeugt, deren Einrichtung es gestattet, das Roheisen in wenigen Stunden – 10,000 Kilogramm in einer Stunde – niederzuschmelzen. Die Oefen werden nach und nach von der Gicht aus beschickt und, nachdem das Eisen in Fluß gerathen, etwa alle 10 bis 15 Minuten abgestochen.

Die abgestochenen Massen fließen von den Oefen aus nach einem vorläufigen Sammelbassin, dem sogenannten Sumpf, aus welchem sie später, wenn das für den Guß einer Platte erforderliche Quantum vorhanden, von Neuem in einen anderen Behälter entlassen werden, in dem sich das flüssige Metall in Folge der sprudelnden Bewegung gründlich mischt.

Nach einiger Zeit der Abkühlung, welche der kundige Gießmeister bestimmt, und nachdem einige Probegußstäbe angefertigt, zerbrochen und auf ihre Bruchfläche geprüft worden sind, wird die noch immer dunkelrothe feurige Gluth durch eine Schütze in die Dammgrube und nach der in letzterer befindlichen Coquillenform abgelassen. Einem Höllenstrom gleich stürzt die Masse in das unterirdische Dunkel, die in diesem befindliche Luft unter Feuererscheinungen und mit pfeifendem, zischendem Geheul verdrängend.

Die Abkühlung des noch soeben brodelnden Metalls erfolgt höchst langsam, und erst nach mehreren Tagen kann das wohlgelungene Werk der Dammgrube enthoben werden, um mittelst der Dammlaufkrahne nach dem Montageraum der Panzerplatten geführt zu werden, in welchem die weitere Bearbeitung erfolgt.

Der Montageraum ist ebenfalls ein weitläufiges Gebäude – sind hier doch gleichzeitig die verschiedenen Stücke des Panzers, eines Panzerstandes oder Panzerdrehthurms unterzubringen, damit durch Dampfhobel, Meißel, Feile und Fräsemaschine die einzelnen Theile derselben genau an einander gepaßt und vorübergehend aufgestellt werden können. Diese Theile sollen sich später gegenseitig durch die eigene Verspannung und das eigene Gewicht halten; Bolzen und Nieten werden hierzu nicht verwendet, gerade glatte Flächen, hin und wieder ein Falz sind die einzige Verbindung der zwischen den verschiedenen Blöcken sich bildenden Nähte.

Sind auch diese Arbeiten beendet, so können die Panzertheile ihrem Bestimmungsort zugeführt werden, um auf den vorher in Mauerwerk höchst solide hergestellten Unterbauten schließlich als vollendetes Ganzes zur Aufstellung zu gelangen. Selbstverständlich gehören zur Ueberführung aus der Fabrik nach den einzelnen Festungen und Küstenbatterien ganz besondere Transportmittel, bestehend in ausnahmsweise stark construirten Eisenbahnwagen, in Straßenlocomotiven und in mächtigen Schiffsgefäßen, wie z. B. zum Herüberschaffen der Panzertheile für den Bau von Batterien nach den Sandbänken in der Wesermündung.

Steht endlich ein derartiger Panzerdrehthurm (vergl. Abbildung, S. 209) mit ein oder zwei Geschützen fertig da, und werden Thurm und Geschütze bedient, so scheint es kaum glaublich, daß die Herstellung dieses Panzerstandes so viele Umstände gemacht hat. Ein Panzerdrehthurm bietet einen – man möchte fast sagen – zierlichen Anblick dar, und die durch ein sinnreiches Räderwerk, durch die Wirkung von Hand- und hydraulischen Maschinen erzielte Leichtigkeit der Bewegung desselben läßt das Gewicht vergessen, welches doch immerhin mehrere Tausende von Centnern repräsentirt.

Das Geschütz, welches seine Mündung durch eine ganz kleine Scharte neugierig herausschauen läßt, ist auf der Rollbahn d beweglich, und mit demselben kann auch die Kuppel des Thurmes durch wenige Leute, welche im Raume c die Bewegungseinrichtung bedienen, nach jeder beliebigen Richtung leicht gedreht werden. In der Abtheilung f unter dem eigentlichen Thurme liegen die Geschosse, sie werden durch eine Hebevorrichtung zum Geschütze hinaufbefördert, in welcher Weise auch die Kartuschen aus der Casematte e nach oben zu schaffen sind. Rings um das Innere der Kuppel läuft eine Gallerie, die eine Communication um das Geschütz gestattet und den Transport der Munition zu demselben zuläßt. Diese Gallerie ist vorn durch einen Vorpanzer b gesichert, während sie hinten genügenden Schutz durch eine einfache Mauerüberwölbung findet.

Vor dem Vorpanzer und um den Thurm herum liegt außerdem ein mit schweren, starken Granitplatten abgepflastertes, sanft geböschtes Glacis a, welches die Eigenschaft besitzt, etwa vor dem Thurme aufschlagende Geschosse zum Ricochetiren gegen die Panzer gg zu bringen, an deren gewölbten Flächen sie entweder abgleiten oder zerschellen.

Bevor wir aus der Fabrik scheiden, sei noch eines anderen, erst in neuester Zeit in derselben eingeführten Fabrikationzweiges gedacht, nämlich des eines Revolvergeschützes, welches zuerst unter dem Namen „Hotchkiß-Kanone“ in Amerika angefertigt worden ist, augenblicklich aber auch in die deutsche Marine eingeführt wird.

Diese Kanone besteht aus fünf Läufen, welche nach allen Seiten drehbar sind und auf diese Weise ein völlig unbeschränktes Schußfeld haben. Ueber den Läufen befindet sich ein Patronenlager, das auch selbst während des Abfeuerns der ersteren stets von Neuem mit Munition gefüllt werden kann. Das Geschoß

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 210. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_210.jpg&oldid=- (Version vom 25.12.2023)