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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

ganz vergessen: dich, du ausgestopfter, vielgepriesener Haidschnuck aus der Lüneburger Haide, und euch, ihr Schweinsknochen, die ihr als Leipziger Specialität neben dem Allerlei und den Producten des Schlachtfestes euch den Blicken der Beschauer darbotet.

Mit übersättigten Augen, mit schier von allerlei pikanten Gerüchen betäubten Geruchsnerven, aber mit leerem laut knurrendem Magen kehren wir endlich allen diesen Leckerbissen den Rücken, und wehmütig gedenken wir der Fleischtöpfe, die da am häuslichen Herde so schlicht und einfach, aber zur Sättigung bereit dampfen. Was wir bisher sahen, das war die feine Küche im letzten Stadium ihrer Vollendung; jetzt kommen die Rohmaterialien, welche sie verarbeitet, an die Reihe.

Da begegnen uns wieder Fische, wieder Lachse, Hechte und Karpfen; nur sind sie noch unberührt von der Kochcultur und schwimmen lustig in dem großen Aquarium oder lagern, grün und geräuchert, auf den daneben stehenden Tischen. Welche Anziehungskraft übt das Leben auf die Menschen aus! Zu diesem Aquarium, welches der Leipziger Fischhändler J. A. G. Händel ausstellte, drängte sich Alt und Jung, und es ist wirklich zu bedauern, daß dieser Theil der Ausstellung von auswärtigen Firmen nicht reichlicher beschickt wurde.

Vielseitiger war schon die Wild- und Geflügel-Ausstellung, deren geschmackvolles Arrangement eine unserer Abbildungen wiedergiebt. In der einen Ecke der oberen Colonnade des Krystallpalastes wurde ein künstlicher Wald aufgebaut, in dem allerlei eßbares Gethier und auch manches Raubwild ausgestopft figurirte. Da machte der arme Lampe ein zierliches Männchen, und gierig schaute ihn der Ränkeschmied Reinecke an, als ob er zu seiner Frau Hermelyn sagte:

„Komm nur … und essen wir schnell! Denn fett ist der Hase,
Guten Geschmackes. Er ist wahrhaftig zum ersten Mal etwas
Nütze, der alberne Geck.“

Hier war auch Humor mit im Spiele; denn in diesem Walde stand eine Warnungstafel mit der höflichen Inschrift: „Man bittet, die Thiere nicht zu reizen!“

Die Chinesen auf der Kochkunst-Ausstellung zu Leipzig.

Unterhalb dieser Scenerie haben die Wildpret- und Geflügelhändler ihre Lager aufgeschlagen. Rechts war die Firma Heynemann u. Comp. in Leipzig vertreten, links die von Ernst Krieger ebendaselbst. Die letztere brachte als Curiosum Bärentatzen und Bärenschinken, sowie frisches Renthierfleisch. Das letztere wird schon seit langer Zeit in gefrorenem Zustande aus Rußland importirt und dient vielfach als Ersatz des Hirschfleisches. Neben diesen Curiositäten lenkte die Ausstellung der Firma Ed. Nathan in Hamburg die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich. Im Februar stellte sie uns junge, im Zimmer gezüchtete Hühner und Gänse vor, und unter dem feingespickten Geflügel hatte sie auch „Kücken in Trauer und Halbtrauer“ vorgeführt. Die schwarze Farbe war hier durch Trüffeln vertreten, mit denen die fetten Vögel kunstvoll gespickt wurden.

In derselben oberen Colonnade befand sich auch die Ausstellung der Firma Taen Arr-Hee aus Nanking, vertreten durch Reichert und Richter in Leipzig. Originalchinesen verkauften hier alle Sorten des chinesischen Thees, und die leutseligen Mongolen trugen viel zur Belebung des Ausstellungsbildes bei; sie gaben ihm einen internationalen Anstrich.

Nicht weit von dem Tische der Chinesen erblickten wir auch unser täglich Brod, würdig vertreten durch ein vierzig Kilogramm wiegendes Laib aus der Brodfabrik Voigtländer und Kittler in Leipzig. Aber dieses tägliche Brod mahnt uns daran, daß wir noch andere Pflichten zu erfüllen haben. So nehmen wir denn Abschied von den verschiedenartigen hier aufgestapelten Rohmaterialien und wandern zurück in die Räume des Zwischensaales, in welchem wir über ernste Fragen unterrichtet werden.

Hier finden wir die Bestrebungen vertreten, welche darauf hinausgehen, dem Volke gesunde und billige Nahrung zu bieten. Leider war dieses Gebiet der Kochkunst, auf welchem in der Neuzeit so glänzende Fortschritte gemacht worden sind, so stiefmütterlich beschickt wvrden, daß die hier ausgestellten Gegenstände selbst nur wenig Belehrung boten. Umsomehr sind also die Verdienste Derjenigen anzuerkennen, welche hier erschienen und Mühe und Kosten nicht scheuten, um für die gute Sache zu werben.

Zwei Ausstellungen, einzig in ihrer Art, waren die des „Vereins der Berliner Volksküchen“ und die der Kochschule des „Berliner Hausfrauenvereins“, beide durch deren Vorsitzende, Frau Lina Morgenstern, vertreten. Diese war mit einer Vorstandsdame der Volksküchen, mit einer Schülerin der Kochschule, sowie der Küchenmeisterin der letzteren und einer Wirthschafterin und Köchin der Voksküchen nach Leipzig gekommen, um Propaganda für beide so glücklich ausgeführte Ideen zu machen, was wohl auch gelungen ist, da beide Abtheilungen eine so ununterbrochene Anziehungskraft auf das schaulustige Publicum ausübten.

Die Querwand des Zwischensaals im Krystallpalast nahm die Berliner Voksküche ein. Auf der mittleren Tafel standen die Portionsnäpfe,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_148.jpg&oldid=- (Version vom 18.4.2024)