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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)


Bevor auch wir die alte Stadt verlassen, wollen wir vorerst noch einen Blick in diesen ausschließlich von Malayen und Chinesen bewohnten Stadtteil werfen; denn hier haben wir Gelegenheit, ein Volksleben kennen zu lernen, wie es nur wenige andere Städte Ostasiens darbieten.

Betreten wir den seit 1740 entstandenen sogenannten „chinesischen Kamp“, der fast nur von Söhnen des himmlischen Reiches bewohnt wird, so kann unserer Aufmerksamkeit der chinesische Charakter desselben nicht entgehen; die niedrigen Häuser mit ihren gekrümmten Dächern und ihren vielen Verschnörkelungen stehen in dicht geschlossenen Reihen, und die Straßen sind meist sehr eng. Diese für ein tropisches Klima unzweckmäßige Bau-Art sowie der Umstand, daß die Chinesen in ihrer Lebensweise nicht sehr reinlich sind, mögen die Ursache sein, daß dieser Stadttheil sehr ungesund und die Sterblichkeit in demselben eine ungewöhnlich große ist.

Canal und Rhede von Batavia.
Auf Holz gezeichnet von A. Göring.

Die chinesische Bevölkerung von Batavia beläuft sich auf etwa 20,000 Seelen; im Ganzen leben übrigens auf Java ungefähr 200,000 Chinesen, was sich erklärt, wenn man erwägt, daß die chinesischen Einwanderungen nach Java schon mit dem zweiten Jahrhundert nach Chr. Geb. begonnen haben. Diese Zahl vergrößert sich aber trotz der häufigen Einwanderungen aus China nur wenig, da viele Söhne des himmlischen Reiches mit ihren auf Java erworbenen Reichthümern wieder in ihre Heimath zurückkehren und überdies keine Frauen aus China auswandern dürfen. Die Chinesen verheirathen sich daher entweder mit Malayinnen oder mit Mädchen von malayisch-chinesischer Abstammung.

Die Söhne des heiligen Reiches der Mitte spielen insofern eine wichtige Rolle im Geschäftsleben Batavias wie auch in anderen ostindischen Städten, als der Kleinhandel fast ganz in ihren Händen liegt; sie sind also die Vermittler zwischen den europäischen Großhändlern und der einheimischen Bevölkerung. Auf den Comptoiren der europäischen Kaufleute besorgen sie in der Regel die Cassengeschäfte, oder sie werden als Aufseher über die malayischen Arbeiter gesetzt. Sie sind sehr geschickte Handwerker, und es giebt wohl kein Handwerk, das sie nicht betreiben.

In dem chinesischen Viertel haben wir so recht Gelegenheit, den sprüchwörtlich gewordenen Bienenfleiß der Chinesen zu bewundern, und wir können es wohl begreifen, wie Manche unter ihnen, die ohne Mittel nach Java kamen, durch Fleiß, Ausdauer und Intelligenz sich ein bedeutendes Vermögen erwerben konnten. In Batavia und auf Java überhaupt leben einige Chinesen, die mehrfache Millionäre sind.

Die malayische Bevölkerung der alten Stadt beschäftigt sich theils mit Fischfang, theils mit Obst- und Eßwaarenhandel oder auch mit irgend einem Handwerk; viele Malayen finden auch Beschäftigung in den europäischen Handelshäusern. Wir werden übrigens noch Gelegenheit haben, dieselben als Diener in europäischen Familien oder als Kellner in Hotels kennen zu lernen. Wenden wir uns also in eine der Vorstädte und betreten wir gleich ein dort gelegenes Hôtel.

Die Hôtels sind sehr comfortabel eingerichtet und bieten alle Bequemlichkeiten, die ein Gast in einem tropischen Lande nur erwarten kann. Jeder Gast erhält ein Wohn-, und Schlafzimmer, das sich auf eine Veranda öffnet, und in jedem Hôtel sind eine Anzahl von Badezimmern stets zum Gebrauche bereit; man bezahlt für Alles den sehr mäßigen Preis von 5 Gulden (8,50 Mark) pro Tag.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_144.jpg&oldid=- (Version vom 1.3.2023)