Seite:Die Gartenlaube (1883) 112.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

Es ist nämlich durch den in Rom vor nicht langer Zeit verstorbenen Physiologen Boll nachgewiesen worden, daß das sogenannte Sehroth desselben eine fortwährend sich erneuernde chemische Substanz birgt, auf der das Licht, so oft wir einen Gegenstand betrachten, nach Art der Silberplatte des Photographen, eine Abbildung liefert, die eine kurze Zeit lang bleibt, um als Augenblicksbild zum Bewußtsein des sehenden Wesens zu kommen. Unser Auge ist also ein höchst vollkommener photographischer Apparat, dessen zu beleuchtende Platte aber nicht erst jedesmal in eine Silberlösung eingetaucht zu werden braucht, sondern sich ungemein rasch selbstthätig durch neu entstehendes Sehroth zur Aufnahme einer neuen Photographie geschickt macht, und zwar jedesmal unter Auslöschung der momentan vorher aufgenommenen. Jener photographische Apparat liefert also im Laufe unseres Lebens Milliarden von schärfsten Bildern und zeigt sich dennoch, selbst im höchsten Alter, wenig abgenutzt!

Fig. 1. Schematischer horizontaler Durchschnitt durch das menschliche Auge.
Zwei Mal vergrößert.
a Hornhaut. b Vordere Augenkammer. c Regenbogenhaut. d Linse. e Hintere Augenkammer. f Harte Haut (sog. Weißes des Auges). g Netzhaut. h Aderhaut. i Sehnervenscheibe. k Aderstämme, mitten durch den Sehnerven in das Augeninnere tretend. l Sehnerv. p Pupille.

Ein Punkt des mit dem Augenspiegel sichtbaren Augenhintergrundes ist es besonders, der sogenannte gelbe Fleck, an dem jene Photographien mit größter Deutlichkeit und Vollkommenheit entstehen, und zwar jene kleine Stelle der Netzhaut, auf welche das Ende der Augenaxe trifft. Gewöhnlich zeichnet sich derselbe nicht als etwas Besonderes ab, manchmal aber kann man ihn als einen dunkleren Fleck mit einer kleinen Vertiefung in der Mitte sehen.

Wird diese nur millimetergroße Stelle der Netzhaut von Krankheiten ergriffen, so führen gerade sie in der Regel zu den schwersten Fällen von Erblindungen, während, wenn andere Theile jenes Häutchens erkrankt sind, die genannte Stelle aber gesund bleibt, das Sehvermögen nicht sehr beeinträchtigt wird. Und gerade in dieser Eigenthümlichkeit unseres Auges liegt ohne Zweifel ein mächtiger Schutz desselben; denn in einer großen Zahl sonst schwerer Krankheiten seines Innern bleibt dieser Centralpunkt unbehelligt oder wird doch nur wenig in Mitleidenschaft gezogen.

Das ist vor Allem in den so überaus häufigen Erkrankungsfällen bei Kurzsichtigen der Fall. Ueberhaupt muß man sagen, daß das Auge, mit den anderen wichtigen Organen, z. B. mit der Lunge, dem Herzen etc., verglichen, trotz seines unvergleichlich feineren Baues, eine außerordentliche Widerstandsfähigkeit besitzt, gleichsam als wollte die Natur das edelste ihrer Gebilde auch auf’s Höchste schützen! Doch es muß leider auch gesagt werden, daß gar viele Erkrankungen des so wunderbar von ihr in Schutz genommenen vollkommensten Sinnesorgans durch Schuld der Menschen, durch Sorglosigkeit und Nachlässigkeit häufiger traurig enden, als die Natur es will.

Die Krankheiten des inneren Auges aber, so schwer sie auch sein mögen, bieten oft bei der Augenspiegeluntersuchung einen wundervollen Anblick; ja man kann fast sagen: je bedenklicher sie sind, desto schöner präsentirt sich oft ihr Bild, sodaß man beim ersten Betrachten desselben leicht in Versuchung geräth, über dem schönen Scheine dessen Gefährlichkeit zu vergessen.

Fig. 2. Der Augengrund durch den Augenspiegel gesehen.
a Sehnervenscheibe. b Gelber Fleck. c Schlagadern der Netzhaut. d Blutadern der Netzhaut.

Einzelne aus der Reihe derselben zu beschreiben, ist hier nicht möglich: nur anführen wollen wir noch, daß sie das ganze große Gebiet des früher sogenannten schwarzen Staars umfassen und daß gar manche Fälle des letzteren heutzutage in Folge der Augenspiegel-Untersuchung im Entstehen erkannt und deshalb zu gutem Ende geführt werden können.

Welch ein Lohn für den Erfinder des Augenspiegels!

Und wenn Helmholtz auch bei der Einweihung des Gräfe-Denkmals in Berlin aus übergroßer Bescheidenheit sagte. „Wenn ich den Augenspiegel vor zweiunddreißig Jahren nicht erfunden hätte, dann hätte ohne Zweifel bald ein Anderer ihn erfunden,“ so mag er mit diesem Ausspruche vielleicht Recht gehabt haben, aber er hat ihn nun doch einmal erfunden, und damit hat er sich für alle Zeiten den Ruhm und – was uns noch größer dünkt – so lange es Augenkranke und eine Cultur geben wird, einen nimmer endenden Dank gesichert; denn oft genug wurde durch den Augenspiegel jenes vielleicht tragischste aller menschlichen Schicksale, dem Sophokles im „Oedipus“ und Shakespeare im „Lear“ so ergreifende Töne geliehen haben, der Verlust des Gesichtes, mittelbar verhütet. Der Augenspiegel ist ohne Zweifel unter allen ärztlichen Erfindungen eine der schönsten und segensreichsten, wenngleich er für die Heilung der schwersten Augenübel nicht alles hielt und halten konnte, was man sich in der ersten Begeisterung von ihm versprochen hatte.




Die Pogge-Wißmann’sche Expedition quer durch Südafrika.

Was in letzter Zeit durch muthige Forscher auf dem Gebiete der Afrikaforschung erreicht wurde, das hat die „Gartenlaube“ schon früher ihren Lesern berichtet. Wir brauchen heute nur an die Namen Livingstone, Stanley, Cameron und Savorgnan de Brazza zu erinnern, und das Bild der Afrikaforschung lebt wieder auf in dem Gedächtnisse Aller, welche die Culturfortschritte der Neuzeit mit einiger Aufmerksamkeit verfolgt haben.

Heute sei es uns gestattet, unsern Lesern von der jüngsten Großthat auf diesem schwierigen Plane menschlichen Ringens und Strebens zu erzählen! Wenn Stanley und Cameron vor Jahren den dunklen Welttheil in der Richtung von Ost nach West durchquert haben, so ist es ein Deutscher, welcher jetzt das kühne Wagstück zum dritten Male vollbracht, Lieutenaut Wißmann, der Erste, der mit vielen Mühsalen die ungeheuren Landstrecken von Südafrika in umgekehrter Richtung von der Westküste bis zu den östlichen Gestaden durchreiste.

Schon seit Jahren waren deutsche Forscher thätig, das von Engländern, Amerikanern und Franzosen begonnene Werk zu vollenden, aber ihre Expeditionen scheiterten zum Theil an dem Widerstande, welchen ihnen das mörderische Klima und die Feindseligkeit der wilden Stämme entgegensetzte. So blieb die Lösung der Hauptaufgabe, welche sich die deutsche Forschung im südlichen Congobecken gestellt hatte, einem Manne vorbehalten, der schon unter den Sendlingen der ersten deutschen Afrikanischen Gesellschaft einen bahnbrechenden Erfolg davongetragen.

Dr. Paul Pogge (geboren am 24. December 1838 zu Ziersdorf in Mecklenburg-Schwerin) widmete sich anfangs nach Beendigung seiner Studien in Heidelberg der Landwirthschaft. Als Afrikaforscher zeichnete er sich im Jahre 1878 durch die Ueberschreitung des Kuangostromes, eines Nebenflusses des Congo, und durch seine Streifzüge in dem Reiche des Negerfürsten Muata Yamwo aus.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_112.jpg&oldid=- (Version vom 10.12.2023)