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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

welche von dem Bildhauer Schneider in Leipzig nach Modellen von Bergmann, Dietz, Echtermeyer, Härtel, Henze, Hultzsch und Rösch ausgeführt und gemalt wurden. Sprüche des Minnesängers Heinrich von Meißen, genannt Frauenlob, sind an den Wänden angebracht. Im kleinen Banketsaal dagegen erinnern die von Friedrich Preller gemalten Landschaften: Grimma, Eger, Tharand und Emden an Albrecht’s Geburt, Verlobung, Jagdfreuden und Tod — in Morgen, Mittag, Abend und nächtlicher Mondbeleuchtung, illustrirt durch Tauf-, Hochzeit-, Jagd- und Leichenfackelzug.

Dieses Gemach war dasjenige, welches zuerst, vor allen andern, vollständig eingerichtet wurde, da die Kreisstände dem sächsischen Königspaar zur silbernen Hochzeit das stilvolle Möblement desselben verehrten. Dasselbe ist nach den Entwürfen von Professor Graff in Dresden theils daselbst, theils in Meißen ausgeführt; die Teppiche sind durch die Fabrik von Schütz in Wurzen geliefert worden. Noch früher hatte der Meißner Gewerbeverein ein geschnitztes Möblement geschenkt, welches die Meißner Damen mit Stickereien versahen. Wie es überhaupt zu loben, daß man nur deutschen Händen hier Beschäftigung gab, so galt es noch als besondere Ehrensache, sächsischen und auch vielen Meißner Künstlern und Kunsthandwerkern die nöthigen Arbeiten zu übertragen.

Das zweite Stockwerk ist etwas anders eingetheilt als das eben von uns verlassene. Wir treten zuerst in das „Vater-August-Zimmer“, das Scenen aus seinem und „Mutter Anna’s“ Leben und Wirken, meist humoristischer Art, im Bilde zeigt, sodann in den Wappensaal, der neben symbolischen Frauenbildern die in Stein gehauenen Wappen der sächsischen Länder und Schlösser zur Anschauung bringt.

Das folgende Zimmer ist den Frauen gewidmet; denn die Portraits von fünfzehn sächsischen Fürstinnen schmücken es, dazu Wandsprüche Heinrich Frauenlob’s. Es wird aber auch das Echozimmer genannt, weil es sich durch ein merkwürdiges Echo auszeichnet. Ein kleineres Zimmer mit der Inschrift, deren Worte unsern Artikel schließen, führt in die Sammetmacherstube , welche ihren Namen einem verunglückten Versuche „Vater August’s“, „venetianischen Sammet“ anfertigen zu lassen, verdankt.

Die Uebersiedelung der Universität Leipzig nach Meißen (1547).
Gemälde von A. Spieß in der Albrechtsburg zu Meißen.

In der großen Appellationsstube empfangen uns interessante Wandgemälde von dem Pinsel des genialen James Marshall, den kirchlichen Streitigkeiten unter Kurfürst Moritz und dessen Tode gewidmet, wogegen in dem „Böttger-Zimmer“, in welchem einst der berühmte Alchemist das von ihm erfundene Porcellan zu vervollkommnen suchte, zwei Gemälde P. Kießling’s den rastlosen Experimentator bei der Arbeit darstellen. Daneben befindet sich das „Johann-Stübchen“, schon in früheren Jahren ein Lieblingsaufenthalt König Johann’s; denn der hier befindliche trauliche Erker bietet eine herrliche Aussicht auf die Elbe, wie denn der Herrlichkeit des Innern dieser Burg die Lieblichkeit der Gegend da draußen vor jedem Fenster entspricht.

Wir führen die Leser zuletzt in die kleine Appellationsstube oder „das Meißener Zimmer“, so genannt, weil hier die vom Meißener Gewerbeverein gestifteten Möbel stehen und weil Meißen den Schauplatz der hier befindlichen Gemälde von A. Spieß bildet.

Sie sind es, welche, nach Photographien im Verlage von F. Köbcke und Comp. in Dresden im Holzschnitt ausgeführt, dieser Skizze als eine Probe des Bilderreichthums der Burg beigefügt wurden. Besser als unsere Feder mögen diese Abbildungen selbst sprechen, und so wollen wir nur an den Artikel über St. Afra in Meißen („Gartenlaube“ Nr. 26, 1879) erinnern, welcher unter anderm mittheilt, daß Herzog Moritz am 3. Juli 1543 die Fürsten- und Landesschule daselbst gründete. Wie man auch über die Stellung dieses Fürsten zur Reformation denken möge, so viel steht fest: er diente der Sache Luther’s, indem er die Güter der aufgehobenen Klöster und Stifte zur Errichtung von Schulen verwendete und so die bekannten Landesschulen zu Meißen und Pforta gründete.

Unser Bild zeigt ihn uns, wie er an der Eingangspforte von St. Afra dem ersten Rector derselben, Vulpius, die Stiftungsurkunde übergiebt. Es ist zwar historisch nicht genau festgestellt, daß Moritz diesen Act persönlich vollzogen — aber diese Urkunde trägt seine eigene Unterschrift mit dem betreffenden Datum.

Die zweite Abbildung versetzt uns in die Zeiten des Schmalkaldischen Krieges: Als Johann Friedrich gegen Leipzig rückte, das Moritz befestigte und der Obhut Bastian’s von Wallwitz anvertraute, ward die Universität, damit sie nicht geschlossen zu werden brauchte, Ende des Jahres 1547 nach Meißen und zwar in die Albrechtsburg verlegt. Da sehen wir denn die flotten Musensöhne, von dem Bürgermeister vor dem Rathhaus begrüßt, zunächst dem Rathskeller zuströmen, um sich im Meißener Wein ein Gütliches zu thun, indeß die Meißnerinnen neugierig nach ihnen ausschauen.

So haben wir hier nur diese zwei Proben herausgegriffen aus all den monumentalen Werken der bildenden Kunst, die auf der alten Wettinerburg sich in reicher Fülle darbieten. Verzichten wir darauf, noch das dritte Geschoß, das keine Gemälde schmücken, und die Gefängnisse in Augenschein zu nehmen, und schließen wir mit dem schon oben angedeuteten Spruche des Vorgemaches zu der Sammetmacherstube:

„Deutsche Burg und deutsches Land,
Schirm dich Gott mit starker Hand!“

Louise Otto.     


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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_017.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)