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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Blätter und Blüthen.

Für die Boers: Es soll hier nicht aus den Zeitungen wiederholt werden, was seit Monaten aber und abermals gelesen wurde und wovon auch in der „Gartenlaube“ (1880, Nr. 11) schon die Rede gewesen ist. Nur dem politischen Pessimismus gelte ein kurzes Wort erhebender Erinnerung! Ein Rückblick auf die Ereignisse in den britischen Colonien von Nordamerika vor nunmehr gerade hundert Jahren und zugleich auf die Ereignisse, die sich in unseren Tagen in den britischen Colonien Südafrikas abspielen, bietet einen interessanten Vergleich der Ursachen, der Ziele und des Verlaufes dieser beiden Freiheitskriege. Damals wie letzt, in Amerika wie in Afrika, waren es unzufriedene Colonisten, die sich vor der unaufhörlichen Bedrückung des Mutterlandes zurückzogen und sich weigerten, die ihnen auferlegten Lasten und Steuern länger zu tragen. Selbst der Vorwand, die Eingeborenen vor den Colonisten schützen zu müssen, fehlte jetzt wie zu jener Zeit nicht.

Und doch, welch’ ein Unterschied zwischen damals und heute, welcher Fortschritt in dem Geiste unserer Tage gegen den des vorigen Jahrhunderts! Während des amerikanischen Freiheitskrieges (1775 bis 1783, bis zum Frieden von Versailles, in dem die Unabhängigkeit der nordamerikanischen Freistaaten anerkannt wurde) verkauften deutsche Landesväter, die Fürsten von Hessen-Kassel, Braunschweig, Hannover, Hanau, Anspach, Waldeck etc., ihre Landeskinder an England für die Schlachtfelder in Amerika. Das ist in unsern Tagen doch nicht mehr möglich, während freilich den Boers die Polen Kosciuszko und Pulawski, die Franzosen Lafayette und Rochambeau, die Deutschen Kalb und Steuben fehlen.

Irgend welche ausführliche Darstellung ist hier nicht die Aufgabe, und so genüge denn auch nur ein flüchtiger Blick auf den Gesammtverlauf der Ereignisse!

Die Geschichte der britischen Colonisation in Südafrika zeigt, wie die in Britisch-Indien, blutige Blätter, dieselbe rücksichtslose Herrsch- und Habsucht wie dort, die aber hier uns noch empörender erscheint, weil sie gegen die fleißigen Pioniere der Colonie, gegen unsere niederdeutschen Bluts- und Stammverwandten, gegen die holländischen Boers gerichtet ist, die schon in der Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts, 1652, die jetzige Capstadt gegründet und ihre nächste Umgebung colonisirt hatten. In schwerer ununterbrochener Arbeit waren sie auch, seitdem England das Capland 1806 in Besitz genommen, bis zum Orangefluß vorgedrungen.

Die ungerechten Ansprüche der Engländer veranlaßten die Boers in eine neue Wildniß auszuwandern, und so gründeten sie 1839 die unabhängige Republik Natal mit den Städten D’Urban und Pieter Maritzburg. Kaum hatte die Colonialregierung die Wichtigkeit des Hafens von Natal erkannt, so legte sie auch schon 1842 ihre Tatzen auf diese Niederlassung, und die Boers zogen wieder über die Drachenberge und gründeten ihre neue Niederlassung im Orange-Gebiet. Aber auch von hier wurden sie in Bälde von den Engländern verdrängt, und wieder zogen sie, den Hirtenstab in der einen, das Gewehr in der anderen Hand, in die noch nördlichere Wildniß jenseits des Vaalflusses und gründeten die Transvaal-Republik. Großmüthig blieb ihnen gestattet, die Wildniß ur- und fruchtbar zu machen, bis es lohnend sein würde, dieselbe zu annectiren. In feierlichem Vertrage wurde 1852 der Transvaal-Republik und 1854 der Orange-Republik die Unabhängigkeit zugestanden.

Aber schon 1868 wußte die Colonialregierung die Basutos gegen die Orange-Republik zu hetzen. Die Zwistigkeiten wuchsen seit der Entdeckung der Gold- und Diamantenfelder mehr und mehr, und die beiden Republiken erlagen endlich 1871 den imperialistischen Gelüsten Disraeli’s, der in Südafrika einen mächtigen Bundesstaat gründen wollte, und so wurde die Annexion beider Republiken durch einen fast betrügerischen Act Englands proclamirt.

Der Zulu-Krieg verband die Boers mit den Basutos, und nicht lange hierauf begann der Unabhängigkeitskampf. Was seitdem geschehen, ist bekannt. Es war zu erwarten, daß sich die diplomatische Welt für die nationale und politische Unabhängigkeit der Boers nicht allzu schnell und allzu warm interessiren würde, obwohl die Transvaal-Republik von den Mächten völkerrechtlich als unabhängiger Staat anerkannt worden ist und diplomatische Agenten bei ihr accreditrrt waren. In letzter Linie hängt aber das Maß der Sympathien und der Unterstützung für die Boers wesentlich von den Erfolgen, den Glückszufällen und ihren eigenen Leistungen ab. Die Boers haben sich in hartem, langem Kampfe bewährt; sie haben sich gezeigt als rüstig, ausdauernd, einig, disciplinirt, geschickt, widerstandsfähig und mit vielen Eigenschaften begabt, die sie der Unabhängigkeit würdig machen. Sie sind hochbeachtenswerthe Figuren auf dem Schachbrett der Zeitgeschichte, wenn auch immerhin nur – Bauern.

Augenblicklich darf man die Hoffnung hegen, daß, wie in Nordamerika die unterdrückten Colonien den Kampf gegen das englische Mutterland siegreich bestanden haben, so auch diejenigen in Südafrika den Krieg gegen dieselbe Vergewaltigung siegreich zu Ende führen werden und daß die säculare Anerkennung der Freiheit Nordamerikas, 1883, ein würdiges Seitenstück haben wird in der Unabhängigkeits-Erklärung der südafrikanischen Freistaaten.

Dies vorangeschickt, folgen wir gern dem Rufe der Pflicht und veröffentlichen mit der Bitte, etwaige Beiträge an den Schatzmeister des nachbenannten Comites senden zu wollen, folgenden

„Aufruf!

Der in Transvaal entbrannte Krieg wird in der ganzen gebildeten Welt mit der größten Theilnahme verfolgt. Die blutigen Zusammenstöße der letzten Zeit haben gezeigt, daß es sich um ein Ringen auf Leben und Tod handelt. Da Engländer und Boeren an persönlicher Tapferkeit wetteifern, so wird die Zahl der Opfer eine ungewöhnlich große sein. Aber die Boeren entbehren der geordneten militärischen Sanitätseinrichtungen, und es ist daher Pflicht der Menschlichkeit, ihren Verwundeten nach Kräften Hülfe und Pflege zu bringen. Bereits hat das Central-Comite der deutschen Vereine vom rothen Kreuze zu diesem Zwecke einen Beitrag dem Niederländischen Comite im Haag überwiesen, welches durch Vermittelung des königlich Niederländischen Consulats in Capstadt für die Etablirung des Rothen Kreuzes in Transvaal Sorge getragen hat. In gleichem Sinne sind die Unterzeichneten zusammengetreten, um Geldsammlungen zu veranstalten und die eingegangenen Beiträge eben dahin abzuführen.

Wir richten an Alle, welche ein Herz und eine Gabe für die armen Verwundeten haben, die dringende Bitte, uns ihre Beiträge rasch zu spenden. Fließen dieselben reichlich, so ist in Aussicht genommen, deutsche Aerzte und Krankenpfleger eventuell durch Vermittelung des Niederländischen Central-Comite’s nach dein Kriegsschauplatz zu senden.

Das Schatzmeisteramt hat der mitunterzeichnete Herr Consul C. Gärtner gütigst übernommen, und bitten wir alle Gaben und Zuschriften an seine Adresse, Potsdamerstraße 86a., zu richten.

          Berlin, den 4. März 1881.

     Das Comite zur Unterstützung der Verwundeten in Transvaal.“

               (Folgen die Unterschriften.)

Die Redaction der „Gartenlaube“.




Ein Illustrator des Ostens. Ohne Zweifel wird es das Interesse unserer Leser erregen, Näheres über den Künstler zu erfahren, dessen gewandtem Stifte unser Blatt schon so manches eindrucksvolle Bild verdankt und der auch unsere heutige Nummer mit der hochinteressanten wildromantischen Darstellung einer Borascene schmückt. Franz Zverina, der in Hunderten von Bildern dem deutschen Publicum den europäischen Osten eigenartig und anschaulich geschildert hat, wurde im Jahre 1835 als jüngster Sohn eines mit zwölf Kindern gesegneten Elternpaares zu Hrottowitz in Mähren geboren. Nach Absolvirung der Oberrealschule in Prag trat er daselbst in die Akademie der bildenden Künste ein, und Professor Haushofer und Director Engerth wurden seine Lehrer. Schon früh zeigte er ein besonderes Talent für die Wiedergabe östlicher Landschaften und Nationaltrachten, wobei es ihm an Gelegenheit zu eingehenden Studien nicht fehlen konnte, verlebte er doch seine Jugendzeit zu einem großen Theile in Mähren, in der Slovakei und in Ungarn. Im Jahre 1859 ward er Hülfslehrer an der Realschule in Kuttenberg und wirkte später als Lehrer an Gymnasium und Realschule in Görz, Marburg und Brünn, während er gegenwärtig in Wien dem Lehrfache obliegt.

Zverina ist ein vielgewanderter Mann; er hat die Welt mit offenen Augen durchstreift und als echter Künstler das Geschauete sich zu eigen gemacht und in eigenartigen Gestalten ausgeprägt. Bereits in seinem neunzehnten Lebensjahre besuchte er die Hohe Tatra, Polen, Ungarn und Südrußland, wo er bis in die nogaische Steppe vordrang. Später bereiste er nicht nur alle Provinzen des völkerreichen Oesterreichs, sondern ging auch nach Italien, Dalmatien, Montenegro, der Herzegowina, Albanien und Griechenland, um stets mit reicher künstlerischer Ausbeute heimzukehren. Seine Originalzeichnungen publicirte er in den bedeutendsten deutschen, slavischen und englischen Blättern, und erst vor Kurzem, im August 1880, stellte er in Wien über 200 Zeichnungen und Aquarellen aus, die in fast allen Blättern mit Beifall besprochen wurden.

Zverina, von Hause aus unbemittelt, erhielt zu seinen künstlerischen Studien und Reisen nie ein Stipendium. Nur seine zähe Energie und vielseitige Sprachkenntniß machten es ihm möglich, unwirthliche und wenig bekannte Gegenden ohne fremde Hülfe zu durchstreifen. Die türkischen Balkanprovinzen durchwanderte er – um nur ein Beispiel seiner Thatkraft anzuführen – theils als Franziskaner-Laienbruder verkleidet von Kloster zu Kloster, theils als Rhapsode mit der Gusla (Violine), welches Instrument er, bereits über dreißig Jahre alt, in seiner unglücklichsten Lebensperiode erlernte, als ihn das Unglück einer zweijährigen hartnäckigen Augenkrankheit getroffen hatte. Gegenwärtig arbeitet er an einem größeren illustrativen Werke „Montenegro“, nach dessen Beendigung er seine Studienreise nach dem Kaukasus und den centralasiatischen Steppen auszudehnen gedenkt.




Das Pensionswesen der Volksschullehrer in Hessen. Die in Nr. 48 Jahrgang 1880, der „Gartenlaube“ als mustergültig hervorgehobene hessische Volksschulgesetzgebung hat auch in durchaus befriedigender Weise das Pensionswesen geregelt und die Zukunft der Wittwen und Waisen der Lehrer gesichert. Bei der Pensionirung wird die Dienstzeit von der ersten Verwendung im Schulamte nach bestandener Schulprüfung an berechnet. Nach Vollendung des siebenzigsten Lebensjahres kann jeder Lehrer, ohne Angabe eines Grundes, Versetzung in den Ruhestand verlangen; in jüngeren Jahren berechtigen hierzu Krankheiten oder andere Unfälle, und berechnet sich die Pension auf Grund des dienstlichen Einkommens: in den ersten zehn Dienstjahren auf Vierzig Procent, für jedes weitere Dienstjahr bis zur Höhe des Diensteinkommens ein halb Procent, wobei im Frühjahr 1880 alle Lehrer, deren Ruhegehalt unter 600 Mark betrug, auf diesen Betrag zu Lasten der Provinzialschulfonds erhöht wurden. Stirbt ein Lehrer oder Schulverwalter, der in Bezug auf Pensionsberechtigung die Rechte eines definitiv angestellten Schullehrers hatte, mit Hinterlassung einer Wittwe oder sonstiger Nachkommen, welche mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebten, so wird diesen der Gehalt noch weitere drei Monate vom Sterbetage an ausbezahlt und nach deren Ablauf der Wittwen- und Waisengehalt. Hinterläßt ein Lehrer Eltern, Geschwister oder Geschwisterkinder, deren Ernährer er war, oder bedürftige Nachkommen, die nicht in häuslicher Gemeinschaft mit ihm lebten, oder

reicht der Nachlaß zur Deckung der Kosten der letzten Krankheit oder der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_219.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2022)