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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)


Alle Stände der Nation, die heterogensten Elemente aus Burg, Stadt und offenem Lande vereinigen sich unter dem Fähnlein zum fröhlichen Kriegshandwerke; schier nicht zu zählen sind die kampf- und beutelustigen Gesellen, welche über Deutschland–s Grenzen hinaus in die fremden, kampfdurchtobten Länder ziehen, und überall sind es deutsche Landsknechte, welche das Loos der Schlachten entscheiden. Sie waren es, so erzählt uns Ranke, welche Schweden der Union unterwarfen, welche in England gegen die Sache der Yorks fochten und starben. Deutsche Landsknechte, zugleich die Vertheidiger wie die Besieger Neapels, waren ebenso die Ueberwinder Ungarns, so lange sie wollten, und retteten dasselbe, da sie mit der Beute nach Hause zogen.

Daß sowohl Max wie Karl der Fünfte durch strenge Mandate die deutschen Hauptleute und Knechte vom Dienste gegen das Reich abzuhalten suchten, hat anfangs wenig gefruchtet. Erst als Karl blutigen Ernst zeigte und während des Augsburger Reichstages 1548 Sebastian Vogelberger, der nicht nur einer der tüchtigsten Kriegsobristen, sondern auch einer der schönsten Männer seiner Zeit war, von dem der Augenzeuge Sastrow, Greifswalds Bürgermeister, in seinem Lebenslaufe erzählt, daß „er nit wüßte, ob ein Maler einen Mann ansehnlicher malen könnt’“ – wegen Uebertretung des Mandats enthaupten ließ, versuchten viele in französischen Solde stehende Hauptleute sich die sogenannte „Restitutionsfama“ zu erwirken. Nach Erlangung derselben stand ihnen die Heimath straflos offen, nicht allzu Vielen aber mag sie ertheilt worden sein, denn Carolus Quintus war ein scharfer Herr, der sicher Herrn Sebastian Schärtlin’s, Augsburgs und des schmalkaldischen Bundes Kriegsobristen, nicht geschont hätte. Der speculative Schorndorfer Landsknechtsführer aber salvirte seine Haut wohlweislich nach Frankreich und kehrte erst heim, als man an hoher Stelle seiner Unentbehrlichkeit halber die Vergangenheit zu vergessen gezwungen war.

Dem deutschen Nationalwohlstande wurden durch das Landsknechtswesen um so tiefere Wunden geschlagen, als der an wildes, regelloses Leben gewöhnte Gesell für jedes friedliche Gewerbe untauglich geworden war. Sobald er den letzten Sold, die letzte Beute verzehrt hatte und kein Krieg in Aussicht stand, begann das sogenannte „Garten“, das heißt Herumstreunen und Betteln. Gartende Landsknechte wurden zur grimmigsten Geißel des Landvolkes, und die fast alljährlich erlassenen Reichsmandate, welche das Garten sogar mit dem Gevatter Dreibein bedrohten, konnten nur in den Gebieten größerer Reichsstädte aufrecht erhalten werden.


(Schluß folgt.)




Die irische Frage.
Eine culturgeschichtliche Skizze.

In der ältesten Colonie Englands, die nur durch den schmalen Georg-Canal von dem Gestade Albions getrennt wird, in dem sagenumwobenen Lande Erin’s, wird, wie in allen übrigen Colonien des mächtigen englischen Handelsstaates, das Ansehen der britischen Regierung bekanntlich nur durch Waffengewalt aufrecht erhalten. Auch dort glüht in der Urbevölkerung ein unversöhnlicher Haß gegen den fremden Eroberer und lodert von Zeit zu Zeit zu hellen Flammen des Aufstandes empor. Der wilde Schlachtruf erschallt heute wiederum auf der grünen Insel; wiederum stehen wir vor dem Beginn einer jener blutigen Metzeleien, in welchen im Laufe der Jahrhunderte Irland so schwer gelitten und England so oft seinen Namen mit fraglichem Ruhme bedeckt hat. In solchen Momenten des nahenden Kampfes ist es selbst für den kalten Zuschauer ungemein schwierig, über zwei Nationen zu Gerichte zu sitzen und gerecht abzuwägen, ob und inwieweit das geistig höher stehende Volk in vermeintlichen Culturinteressen die Freiheit des weniger civilisirten antasten darf. Das freie, gebildete, reiche England pocht heute dem abergläubischen, von Priestern beherrschten, wirthschaftlich herabgekommenen irischen Volke gegenüber auf seine culturelle Mission, und hat sich so die Sympathien derjenigen erobert, die nur mit der klingenden Münze der bestehenden Machtverhältnisse rechnen. Aber die Weligeschiche, welche die auf den Schlachtfeldern entstandenen Gesetze nur dann als Recht anerkennt, wenn sie der allgemeinen Gerechtigkeit entsprechen, wird vermutlich ein von dieser Anschauung weit abweichendes Urtheil über die englischen Ansprüche fällen.

Klingt es nicht wie eine bittere Ironie des Schicksals, wenn wir in Anbetracht der Klagen über die Verfolgung der katholischen Iren durch die anglikanische Kirche mit der wohlbeglaubigten geschichtlicher Thatsache beginnen müssen, daß der erste Rechtstitel auf den Besitz Irlands den englischen Königen von dem heiligen Stuhle zu Rom verliehen wurde? Papst Hadrian der Vierte, von Geburt ein Engländer, hat Irland an Heinrich den Zweiten von England für so viele Pfennige jährlicher Abgaben überlassen, wie Häuser auf der Insel standen. Dieser seelenverkäuferische, im Jahre 1156 abgeschlossene Contract wurde selbstverständlich von dem keltischen Volke der grünen Insel niemals anerkannt, aber für die Engländer bildete er das gute Recht, auf Grund dessen sie schon im Jahre 1170 mit bewaffneter Macht in Irland landeten und die Unterjochung des Nachbarvolkes begannen. In einer Reihe blutiger Expeditionen blieb der Sieg an die englischen Fahnen gekettet, und bald nannte sich der König von England auch „Herr von Irland“.

Diese langwierigen Kämpfe um die nationale Unabhängigkeit wurden noch durch den religiöser Gegensatz verschärft, als England eine eigene Staatskirche begründete, das irische Volk dagegen beim katholischen Glauben beharrte. Wie intolerant die anglikanische Kirche gegen Andersgläubige verfuhr, das haben wir bei einer anderen Gelegenheit erst vor Kurzem dargelegt (vergl. „Die Civilehe“, „Gartenlaube“, Jahrg. 1880, Nr. 47). In Irland aber feierte dieser hierarchische Fanatismus seine blutigsten Orgien, und so konnte Lord Deputy Montjoy der Königin Elisabeth berichten: „Majestät, Sie haben in Irland über nichts, als über todte Leiber und Asche zu gebieten.“

Aber die Lage der Besiegten verschlechterte sich noch, als das englische Volk unter Cromwell der Krone politische Freiheiten abtrotzte. Die Republik verfuhr gegen die Rebellen mit geradezu barbarischer Grausamkeit, und als im Jahre 1653 das Land in Friedenszustand versetzt wurde, befand sich kein Rebell mehr unter den Waffen. Da wurde ein hoher Gerichtshof eingesetzt, der über die im Bürgerkriege von den Katholiken an Protestanten verübten Frevelthaten aburtheilen sollte, und er ließ 200 der angesehensten Iren hinrichten, während 30,000 bis 40,000 Männer zur freiwilligen Auswanderung veranlaßt wurden. Alle Kriegsgefangene hatte man schon früher als Sclaven nach Westindien verkauft, aber auch das genügte nicht der Ausrottungspolitik des Parlaments. Man ließ nunmehr 20,000 Jünglinge, Weiber und Kinder aufgreifen und sie nach Jamaika und anderen fernen Inseln hinüberführen. Nachdem auf diese Weise das nationale Element genügend geschwächt worden war, suchte man mit anderen Maßregeln brutalster Art den Rest des Volkes zu vernichten. Alle geborenen Iren wurden über den Shannon nach Connaught vertrieben, und man erließ die Verordnung, daß jeder Verpflanzte, der das linke Ufer dieses Flusses beträte, von Jedem, der ihm begegne, niedergestoßen werden dürfe, während das irische Land an englische und schottische Soldaten und Colonisten vertheilt wurde.

Außerdem ward die Ausübung des katholischen Cultus untersagt, kein Katholik durfte ohne Paß sein; alle katholischen Pfarrer mußten bei Strafe des Hochverraths Irland innerhalb zwanzig Tagen verlassen und die Ortsbehörden erhielten die Ermächtigung, den Katholiken ihre Kinder wegzunehmen und sie zur Erziehung nach England zu senden. Aber wohl gemerkt! England wollte nicht die Besiegten von der tiefen Culturstufe der römischen Finsterniß zu der Morgendämmerung der religiösen Freiheit emporheben - es wollte nur mit Schwert und Feuer erobern. Und England selbst hat es durch den Druck verschuldet, daß Derjenige, der die Seelen der grünen Insel an den Bedrücker verkaufte, dennoch die geistige Oberherrschaft über die Verkauften bis heute besitzt - der Papst zu Rom. Das war in allgemeinen Zügen die trostlose Lage, in welcher das irische Volk Jahrhunderte hindurch unter englischer Herrschaft seufzte. In politischer Beziehung geknechtet, in religiöser verfolgt und wirthschaftlich, wie wir es später sehen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_111.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)