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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

zog und rückte an dem Schild. „Heute sind sie ja auch dabei, die Bahnlinie abzustecken,“ sagte er ablenkend.

„Ja – und es gab deshalb viel Sturm und Unheil bei uns, wie Sie sich denken können. Es war überhaupt ein abscheulicher Tag heute“ – sie verstummte und klemmte die Unterlippe zwischen die Zähne.

„Ich glaub’s. Aber die reine Lächerlichkeit ist’s doch, daß sich der alte Herr über die Geschichten immer so ereifert. Ihm kann’s doch ganz egal sein – er erlebt’s ja doch nicht auf dem Vorwerke, daß die Schienen über den Hof laufen oder gar die Locomotive an der Hausecke vorbeisaust. Der Neue auf dem Gute wird bald genug Kehraus machen und – na, er ist in seinem Rechte.“

„Ja wohl – in seinem guten Rechte!“ bestätigte, sie hart, mit Achselzucken. „Was gehen ihn die alten Beziehungen an?“

„Du lieber Gott, ja! Was fragt so ein junger herrischer Sausewind nach einer alten Freundschaft, die er in seinem ganzen Leben nicht mitangesehen hat? Man kann’s ihm nicht einmal verdenken! Ich hab’ ihn gestern im Vorbeigehen gesehen – ein hübscher Mann, stattlich und frisch! Er hat freilich ’was Brüskes, wie es ja die Herren vom Geldsacke fast noch mehr im Wesen haben, als die von Adel – den Ton kenn’ ich als alter Officiersbursche gut genug. Er stand mit dem Pachter Griebel an der Schneidemühle, die er umbauen lassen will – na, wackelig genug ist sie!“

(Fortsetzung folgt.)





Der unterirdische Telegraphenbau des deutschen Reichs.

Am 20. November 1833 schrieb Karl Fr. Gauß aus Göttingen seinem Freunde Olbers über die von ihm und Weber zwischen der Sternwarte und dem physikalischen Cabinet hergestellte galvanische Kette, wobei er die Ueberzeugung aussprach, daß unter Anwendung von hinlänglich starken Drähten eine Verständigung zwischen Göttingen und Hannover oder zwischen Hannover und Bremen zu erzielen sei.[1] Seit diesem von der Geburt der elektromagnetischen Telegraphie Zeugniß ablegenden Briefe ist noch kein halbes Jahrhundert verstrichen, und schon sehen wir um den Erdball ein Netz telegraphischer Leitungsdrähte sich ziehen, das die kühnsten Hoffnungen damaliger Zeit bei Weitem übertrifft.

Ueberall hin sind die Drähte gezogen, über der Erde und unter derselben, und selbst durch die Tiefen der Weltmeere fanden sie ihren Weg. Die Fernen sind überwunden; Welttheil ist an Welttheil gekettet, und in ununterbrochenem Fluge trägt der elektrische Strom in Minuten Nachrichten in eine Ferne, für deren Ueberwindung sonst Monate und Jahre nöthig wären.

Anfangs folgte man dem Beispiele von Weber und Gauß, die zur Telegraphie nothwendigen Leitungen wurden oberirdisch gelegt. Bald machte sich aber das Bedürfniß geltend, den Continent mit dem handelswichtigen England telegraphisch zu verbinden, und mit ihm erwuchs der Wissenschaft eine neue Aufgabe, Telegraphenleitungen im Wasser anzulegen und hierdurch getrennte Continente mit dem europäischen Communicationsnetz zu verbinden. Ihre Lösung beschäftigte seit 1840 die Köpfe der Gelehrten, und die Frage schien ihre Erledigung gefunden zu haben, als man im Jahre 1847 in der Guttapercha eine im Wasser dauernde Substanz entdeckte, mit deren Hülfe man isolirte Drähte für die Zwecke der Telegraphie herzustellen vermochte. Aus kleinen Anfängen und Versuchen, welche man schon im Jahre 1848 mit der Anlage von Flußkabeln machte, entstanden schließlich die großen transatlantischen Linien, welche die alte und neue Welt mit einander verbinden und deren Herstellung eine Hauptepoche der modernen Culturgeschichte bedeutet.

Diesen wichtigen Culturarbeiten schließt sich unmittelbar das jüngste Vorgehen der deutschen Reichspost- und Telegraphenverwaltung auf dem Gebiete der Telegraphie an. Ihr gebührt das Verdienst, den zweiten bahnbrechenden Schritt gethan und der unterseeischen Telegraphie die unterirdische hinzugefügt zu haben. Wie so vielen anderen Ruhm, den Deutschlands Post- und Telegraphenverwaltung durch die weit über seine Grenzen hinaus wirkenden gewaltigen Schöpfungen auf postalischem Gebiete sich erworben, verdankt sie auch diesen Ruhm ihrem genialen Leiter, dem jetzigen Staatssecretär Dr. Stephan.

Der eine Theil dieses Werkes, wie ein zweites die Erde nicht aufzuweisen hat, ist zum Abschluß gebracht worden, und wie früher alle Augen auf die Ausführung der unterseeischen Kabellegungen gerichtet waren, so verfolgt auch jetzt das In- und Ausland mit hoher Spannung das dem unterirdischen Telegraphenwesen zugewandte Vorgehen der deutschen Reichspostverwaltung, und die kurze, aber ruhmreiche Geschichte dieses Vorgehens wollen wir unseren Lesern im Folgenden mitzutheilen versuchen.

Die zahlreichen und erheblichen Störungen, denen die oberirdischen Leitungen ihrer Natur nach ausgesetzt sind, hatten schon früh die Nothwendigkeit der unterirdischen Anlegung der Telegraphenleitungen erkennen lassen, und schon 1837 hatte Morse vorgeschlagen neben den oberirdischen auch unterirdische, in Röhren eingeschlossene Leitungen zu legen. Bereits 1842 wurden vom Professor Jacobi in Petersburg Leitungen in Glasröhren gelegt. In den Jahren 1848 und 1849 wurde, nachdem die Guttapercha als ein zur Isolirung der Leitungsdrähte geeigneter Körper erkannt worden, in Preußen der erste Versuch gemacht, größere Linien unterirdisch herzustellen. Allein es traten bald Störungen auf und man mußte das unterirdische Leitungssystem verlassen. Die Einflüsse des Erdbodens auf die Guttapercha waren nicht bekannt gewesen, und die scharfen Zähne der Nagethiere bei der Legung nicht berücksichtigt worden. Ohne jeden mechanischen Schutz vertraute man die umhüllten Drähte der Erde an, und da die zur Isolation verwendete Guttapercha mit Schwefel gemischt, also vulcanisirt war, so wirkte das bald auftretende Schwefelkupfer vernichtend auf die Leitung. So wurde die 1849 in Angriff genommene Linie von Berlin nach Frankfurt am Main nur bis Eisenach gebaut.

Die in Frankreich angestellten ersten Versuche ergaben dasselbe Resultat. Weder die mit Kautschuk noch die mit Guttapercha überzogenen, der Erde anvertrauten Kupferdrähte boten den äußeren Erdeinflüssen Widerstand, und selbst der im Jahre 1852 gemachte Versuch, die isolirten Drähte mit Bleiröhren zu umgeben, täuschte die gehegten Erwartungen. Seit etwa zwölf Jahren werden Leiter von Kupfer, aus sieben Litzen bestehend, die mit einer Lage Chatterton-Compound, mit einer Lage Guttapercha, wieder mit Compound und dann wieder mit einer zweiten Guttaperchaschicht umgeben und mit getheerten Hanffäden umwickelt sind, verwandt. Diese Adern werden zu einem Kabel verseilt und erhalten, wo sie in den ausgedehnten Abflußröhren der Stadt Paris aufgehängt werden, eine Schutzhülle von Bleiröhren, wo sie aber der Erde anvertraut werden müssen, einen Panzer von gußeisernen Röhren.

Auch in England wurden Versuche angestellt, die größtentheils den obigen gleichkamen, in den letzten Jahren aber von befriedigendem Erfolg waren. Man hatte dort den von Dr. W. Siemens in einer zu Anfang der fünfziger Jahre erschienenen Schrift dargelegten Gründen des Mißglückens mehr Beachtung geschenkt und auf diese Weise Erfolg geerntet.

Immerhin aber blieb die Anwendung von Kabeln noch lange auf Leitungen in größeren Städten, Eisenbahntunnels etc. beschränkt.

Vor einigen Jahren ließ sich mit Sicherheit annehmen, daß die Wissenschäft und Technik jetzt soweit vorgeschritten seien, daß man mit Zuversicht die Herstellung brauchbarer größerer, unterirdischer Leitungen in Angriff nehmen könne. Es waren die Hauptursachen des ersten Mißglückens als überwunden zu betrachten. Die Eigenschaften der Guttapercha waren erforscht; die Vulcanisirung hatte man verworfen und die richtigen Mischverhältnisse, sowie die Entwässerung der Guttapercha herausgefunden. Das Eintreten der Bildung von Schwefelkupfer, welches die Isolirung zerstört, war nicht mehr zu befürchten.

So war die Wissenschaft Herrin dieser früher widerstrebenden Elemente geworden, und in Verbindung mit der vervollkommneten Technik, welche die vorzüglichsten Maschinen erfunden hätte, um das isolirende Material concentrisch und nach allen Richtungen hin gleichmäßig um den Leiter herumzupressen, ohne den Draht zu beschädigen, durfte zu einem großen Versuch geschritten werden. Ferner hatte man durch die außerordentlich ausgedehnte Anwendung, welche die Kabeltelegraphie inzwischen gefunden hatte,

  1. Veröffentlicht von Professor E. Schering in der Festrede zur Säcularfeier von Gauß in der königlichen Gesellschaft der Wissenschaft zu Göttingen.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_046.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)