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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)

Noch vor wenigen Jahren war sein Name in weiteren Kreisen unbekannt, und nur wenige gelehrte Kenner der Kunstgeschichte hatten hier und da in alten Compendien dürftige Nachrichten über einen Kupferstecher Anton „Eisenhoit“ gefunden, welcher im Ausgange des sechszehnten Jahrhunderts in Westfalen nicht gewöhnlichen Ruf in seiner Kunst besessen haben sollte, aber von seinen großartigen Kunstwerken in Silber und Gold, die seine Thätigkeit als Kupferstecher tief in Schatten stellen, hatte man nirgends eine Ahnung. Die Entdeckung derselben war erst dem in der Gegenwart erwachenden Streben, das deutsche Kunstgewerbe, welches von der Höhe seiner Ausbildung im Mittelalter zum bloßen Handwerk gewöhnlichster Art herabgesunken war, aus seiner tiefen Verrottung zu erheben vorbehalten.

Weihwasserkessel mit Sprengwedel.
Eine Silberarbeit aus dem siebenzehnten Jahrhundert von Anton Eisenhut.

Um Pfingsten des vorigen Jahres ward eine Ausstellung der westfälischen Alterthümer zu Münster veranstaltet, die allgemeines Interesse wegen des außerordentlichen Reichthums an kirchlichen Gefäßen aus edeln Metallen erregte. Unter ihnen befand sich ein prachtvoller Schatz von Silberkunstwerken ersten Ranges aus dem Besitze des Grafen von Fürstenberg-Herdringen, welche sich, in den Schatzkammern des alten westfälischen Geschlechtes verborgen, bisher der Kenntniß der Kunstgelehrten entzogen hatten und nun, an das volle Tageslicht der Oeffentlichkeit gebracht, eine so hohe, allseitige Bewunderung fanden, wie sie eben nur die wahre Kunst zu bewirken vermag. Prof. Nordhoff in Münster[WS 1] war der Erste, der in den Jahrbüchern für Alterthumsfreunde im Rheinlande die Welt mit diesen Meisterwerken der Goldschmiedekunst der Renaissance und zugleich mit ihrem Schöpfer Anton Eisenhut aus Warburg bekannt machte.

Julius Lessing’s großes Werk über Anton Eisenhut,[1] ausgestattet mit Phototypien derjenigen Silberwerke des Meisters, welche sich im Besitze des Grafen Fürstenberg-Herdringen in der Schatzkammer des Schlosses Herdringen in Westfalen befinden und zum größten Theile den Namen Anton Eisenhut’s sowie das Wappen und das Portrait des Besitzers, des Fürstbischofs von Paderborn, Theodor’s von Fürstenberg, tragen, vermittelte später den weitesten Kreisen der gebildeten Welt die Kenntniß von dieser Entdeckung. Seitdem ist der Ruhm des Künstlers täglich gewachsen, und heute steht bereits Niemand mehr an, ihn in der Goldschmiedekunst für den größten Meister Deutschlands zu halten. Während vor einem Jahre noch kaum sein Name bekannt war, ist er heute in jedes Gebildeten Munde, und die vollständige Sammlung der Kunstwerke Eisenhut’s in der Ausstellung für kunstgewerbliche Alterthümer zu Düsseldorf bildete den größten Anziehungspunkt aller Besucher.

Die Nachrichten über das Leben und den Bildungsgang unseres Meisters sind im Ganzen sehr dürftig. Schon im fünfzehnten Jahrhundert finden wir in alten Verzeichnissen die Eisenhuts als Bürger und Hausbesitzer in Warburg an der Diemel darunter einmal einen Prior des Dominikanerklosters und einen Rathsherrn, ohne daraus aber zu erfahren, welchem Handwerkerstande diese Vorfahren Anton Eisenhut’s angehört haben, oder wer von ihnen sein Vater gewesen ist.

Im Jahre 1554 wurde er hier im Herzen Deutschlands geboren; es ergiebt sich dieses Jahr aus der Unterschrift eines Eisenhut’schen Kupfers aus dem Jahre 1603, worin er sich Antonius Iserenhodt Warburgensis (aus Warburg) – an anderen Stellen auch Eisenhoidt, Eisenhout, Eisenhaut – nennt und als sein Alter neunundvierzig Jahre bezeichnet; auf demselben finden wir auch seine Künstlermarke, einen Reichsapfel ohne Kreuz. Es war also gerade ein Jahr vor dem Abschlusse des Augsburger Religionsfriedens, welcher in kirchlicher Hinsicht die Trennung zwischen Katholiken und Protestanten besiegelte und zugleich in politischer den ersten Anstoß zur Auflösung der deutschen Reichseinheit gab. Während die kirchliche Trennung Deutschland von dem religiösen Einflusse Italiens vollkommen losriß, begann ungefähr um dieselbe Zeit die italienische Kunst täglich mehr Boden zu gewinnen, bis sie gegen Ende des sechszehnten Jahrhunderts in allen Culturländern als absolute Herrscherin dastand. Eisenhut wurde ein Kind dieser Bewegung, welche die Nachwelt Renaissance nennt.

Eisenhut’s Jugendzeit fiel mitten hinein in die Tage der heftigsten Religionswirren, welche die Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens, wie überall, so besonders in Westfalen, in dem es beinahe so viel Landesherren wie Quadratmeilen gab, erwecken mußten. Heftig wogte auch in Eisenhut’s engerem Vaterlande, dem Paderborner Hochstifte, der Kampf beider kirchlichen Parteien um die Herrschaft, die täglich mehr den Lutheranern zuzufallen schien, seit jene erste Predigt des gothaischen Hofpredigers Friedrich Myconius aus den Fenstern des Paderborner Schlosses die Herzen der Bürger für die neue Lehre gewonnen hatte. Bereits im Jahre 1570 gab es in Paderborn – und in Warburg wird es eine verhältnißmäßig noch geringere Zahl gewesen sein – nur noch vierzig katholische Abendmahlsgenossen, und auf dem Lande behaupteten sich nur noch vereinzelt katholische Geistliche. Doch geschah es nicht gar selten, daß Sonntags der evangelische Seelenhirte seinem katholischen Amtsbruder auf die Kanzel nachschlich, ihn bei den Beinen herunterzog und selbst die Sonntagspredigt vor dem herbeiströmenden Volke hielt. „Dann gab es Lärm und Laufen in die Kirche; Stöcke schwirrten durch die Luft, und statt mit heiligen Gedanken gingen die Bauern mit blutigen Köpfen nach Hause.“

Diese unruhigen Zustände blieben auf Eisenhut’s Bildungsgang nicht ohne tieferen Einfluß. Seine lateinischen Unterschriften wie seine späteren Werke selbst verrathen uns, daß er von seinen wohlhabenden Eltern – denn daß sie das gewesen sein müssen, zeigt uns die Bestimmung des Sohnes zum Goldschmied, dem vornehmsten aller Gewerke – eine für die Begriffe

seiner Zeit vortreffliche Erziehung und Bildung erhielt, die aber

  1. Die Silberarbeiten von Anton Eisenhoit aus Warburg, herausgegeben von Julius Lessing mit vierzehn Tafeln in Lichtdruck von Albert Frisch (Berlin, Verlag von Paul Bette). Wir entnehmen diesem überaus beachtenswerthen Werke die unserem heutigen Artikel beigegebene Illustration.
    D. Red.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: München
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 721. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_721.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)