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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


die Handelsstraßen die ersten Culturwege und die Krämer und Kaufleute die Pionniere der Cultur.

Zu dem Guten und Werthvollen, welches der diesjährige deutsche Anthropologen-Congreß und die Ausstellung prähistorischer Funde im Abgeordnetenhause zu Berlin uns gebracht haben, gehört auch die endgültige Aufklärung über diese entlegene Epoche unserer Vorzeit. In der vorletzten Sitzung war es, wo Virchow drei Gegenstände vorführte, die, wie er bemerkte, „künftighin als Merksteine gerade für die chronologische Betrachtung von erheblichem und dauerndem Werthe sein werden.“ Es waren dies drei sogenannte Bronze-Eimer oder Bronzecysten, die gegenwärtig von den italienischen Gelehrten vielfach mit dem Namen der „situlae“ bezeichnet werden. Von diesen drei durch ihre ganze Erscheinung, ihre Größe und ihre Technik besonders auffallenden Gefäßen ist das eine in einem Moor des Großherzogthums Posen, das zweite in der Nähe von Lübeck und das dritte in Hannover gefunden worden, und ihre Vergleichung ergiebt sofort, daß man es hier mit fabrikmäßigen Erzeugnissen zu thun hat. Ihr Material besteht aus sehr fein gehämmerter, nicht gegossener, auch nicht gewalzter Bronze. An keiner Stelle ist eine Spur von Löthung oder Guß zu finden; die Verbindung der einzelnen Theile ist lediglich durch Nieten und Ineinanderrollen der Kanten hergestellt.

Der nächste größere Platz, von wo diese Bronze-Eimer uns schon früher in guten Exemplaren bekannt waren, ist das berühmte prähistorische Gräberfeld von Hallstadt in Oberösterreich; dieses aber hat gerade in den letzten Jahren eine Reihe von hervorragenden Funden ergeben, welche die Identität der Muster mit etrurischen Vorbildern positiv aufweisen. Je weiter wir nach Süden gehen, um so reicher gestaltet sich die Zahl der dort ausgegrabenen Bronze-Eimer. Aus Oberitalien ist eine ganze Reihe dieser eigenthümlichen Gefäße bekannt, und das eigentliche Centrum der bis jetzt bekannten Funde ist Bologna, in dessen Museum man eine große Auswahl derselben erblicken kann. Als vor wenigen Jahren der internationale Anthropologen-Congreß in Bologna tagte, hatte man ihm zu Ehren eine große Ausgrabung auf dem alten Kirchhof der Certosa, des alten Karthäuserklosters, angestellt; man hatte selbst den Untergrund der Kirche bloß gelegt, und die Forscher waren in der Lage, die Bronze-Eimer zu sehen, wie sie da standen, gefüllt mit den gebrannten Gebeinen der Todten, wie unsere deutschen Gräberurnen. Ein Theil dieser Bologneser Bronze-Eimer aber stimmt mit den drei bei Posen, Lübeck und Hannover gefundenen so genau überein, daß die letzteren ganz unzweifelhaft als etruskische Handelsartikel, welche ihren Weg nach dem Norden gefunden haben, zu betrachten sind.

Was nun die Zeit betrifft, in der diese Bronze-Eimer in Italien gearbeitet worden sind, so geht aus der schon erwähnten Technik hervor, daß man damals weder zu gießen noch zu löthen verstand. Da aber von dem Augenblicke an, wo man diese Manipulationen kannte, die gegossenen Gefäße nach berechtigter Vermuthung die ältere Art verdrängten, so haben die Gelehrten in Bologna kein Bedenken getragen, die Funde dieser Periode in eine Zeit zu verlegen, welche der gewöhnlichen etrurischen sogar noch etwas vorangeht. Die neuesten Annahmen gehen dahin, vor der etrurischen noch eine besondere umbrische vorauszusetzen, welche einen großen Theil dieser Funde mit einschließt.

Jedenfalls also werden wir berechtigt sein, diese Funde in Bezug auf ihre Chronologie mindestens in die allerälteste Zeit Roms zurück zu versetzen. Aber dies sind nicht die einzigen Bronzegegenstände, welche das kunstfleißige Etrurien, dessen Metallindustrie bekanntlich im Alterthum von höchster Bedeutung war, in unser Vaterland einführen ließ; zahlreiche in Grabhügeln gefundene Gefäße, Bronzeschwerter und Speere, Sicheln, Meißel und Gewandnadeln, ferner Brustschilder, Diademe, Ringe, Armbänder u. A. m. gehören hierher. Auch die bekannten Bronzewagen, deren zwei bei Burg im Spreewalde, einer in Frankfurt an der Oder und einer im Trebnitzer Kreise in Niederschlesien gefunden wurden, müssen in jene Periode der etrurischen Handelsverbindungen gerechnet werden.

Wir begreifen nunmehr, wie Lindenschmit in der Einleitung zu seinem „Handbuch der deutschen Alterthumskunde“ zu dem Ausspruch kommen konnte, daß die sogenannte Bronzeperiode bei uns nur als die Zeit eines belebten Verkehrs des Handels und der Industrie der Mittelmeervölker nach dem Norden erscheint. Ihre dorthin gelangten Producte zeigen so wenig irgend welches Merkmal eines Aufwuchses aus der Eigenthümlichkeit keltogermanischer Anlage, eine Verwandtschaft mit früheren heimischen Dingen, wie eine Fortentwickelung, einen Nachwuchs in den späteren. Sie bekunden einen so fremdartigen und so überlegenen Culturzustand sowohl in Bezug auf die Gebilde der vorhergegangenen Steinzeit, wie der folgenden Eisenzeit, daß sie unmöglich als Zeugnisse einer selbstständigen Bearbeitung der Metalle, als Nachweise einer naturgemäßen Uebergangsstufe nationaler Bildung ältester und spätester Zeit in irgend einer Art zu betrachten sind. Freilich fehlte es nicht ganz an Versuchen, die fremden Gußstücke nachzuahmen und dazu Gußformen für Aexte, Messer, Sicheln, Nadeln etc. zu benutzen, welche, wie es scheint, gleichfalls aus Italien zu uns gebracht waren. Aber, wie der letztgenannte Forscher sagt: „Weder ihre technische noch gegenständliche Bedeutung ist entfernt von der Art, daß sie als Grundlage für die Bildung eines besonderen Culturabschnittes einer nordischen Erzperiode sich verwerthen ließe.“

Bekanntlich steht diese neue Auffassung unserer prähistorischen Verhältnisse durchaus nicht im Einklange mit dem von den nordischen Forschern aufgestellten Dreiperiodensystem, wonach auf die Steinzeit eine Bronzezeit und darauf eine Eisenzeit gefolgt ist. Die nordischen, und mit ihnen eine Anzahl der deutschen Gelehrten verknüpfen die Bronzefunde mit jenem im vorigen Artikel erwähnten vorgeschichtlichen nordischen Stein-Culturkreise, der sich von Südschweden über Dänemark, Schleswig-Holstein und das Land zwischen Elbe und Oder bis hinein nach Provinz Brandenburg und Sachsen erstreckte, und nehmen an, daß dessen Bewohner jene schöne Bronzen hergestellt hätten, welche heute die antropologischen Sammlungen jener Gegenden zieren. Es kam auf dem Berliner Anthropologen-Congreß dieser Unterschied der Auffassung direct zur Sprache, indem sich ein nordischer Forscher, Dr. Undset aus Christiania, in einem Vortrag über die alte Bronzezeit darüber ausließ. Er bezeichnete die Verschiedenheit zwischen den echt etrurischen und den nordischen Bronzesachen in Beziehung auf Stil, Gesammtcharakter, Technik, Materialbehandlung, Ornamentik etc. als so durchgehend, daß kein Zweifel aufkommen könne. Die nordischen Arbeiten seien in technischer Beziehung sehr unterlegen, sie zeigten oft eine wunderbare Virtuosität im Gießen, aber auf der andern Seite einen Mangel an voller, freier Beherrschung des Materials, einen Mangel an guten stählernen Werkzeugen. Bei Lindenschmit's Ansicht müsse man, wenn man beispielsweise das Material an Gewandnadeln, den sogenannten Fibeln, behandelt, zu der Schlußfolgerung kommen, daß in einer Zeit, wo man schon in Italien vorzügliche Fibeln hatte, man daselbst in gewissen Fabriken andere Fibeln arbeitete, und zwar in Typen und Constructionen, die in Italien nie in Gebrauch gewesen sind und die den italienischen in jeder Beziehung weit untergeordnet sind; diese Typen arbeitete man in einer Technik, die der bei den einheimische Fibeln angewandten weit unterlegen war, für den Export nach den nordischen Ländern, und zwar eine Form für Hannover, eine für Mecklenburg, eine für Pommern, eine andere ganz speciell für die Insel Bornholm; denn an allen diesen Orten hätten sich ausgeprägte Localformen der Gewandnadeln nachweisen lassen.

Es ist hier nicht der Ort, die so schwierige Bronzefrage, welche bereits eine ganze Literatur hervorgerufen hat, zu entscheiden; es sollte im Vorhergehenden nur die Verschiedenheit der hierüber herrschenden Auffassung angedeutet werden. Eine Uebernahme der Bronze-Industrie in den Arbeitskreis der Bevölkerung Deutschlands geben ja beide Ansichten zu, und in dieser Beziehung ist es interessant, den Grafen Wurmbrand, den berühmten österreichischen Archäologen, constatiren zu hören, wie die Verhältnisse in Oesterreich lagen, als die Römer in's Land kamen. Er kommt zu dem Ausspruche, daß die Römer in den österreichischen Ländern die Bevölkerungen noch im lebendigen Besitze jener Bronzen angetroffen haben, welche vor sehr langer Zeit auch in Italien hergestellt wurden und deren Stilistik sich besonders in Etrurien hoch entwickelt hatte. Was nun die Frage beträfe, ob diese alten Bronzen nicht am Ende durchgehends aus italienischen Werkstätten stammten und sich in Oesterreich bis auf die Römerzeit als Erbstücke erhalten hätten, so glaubt Graf Wurmbrand aus den ganz gleichartigen Verzierungen der Eisen- und Bronzegeräthe, welche Verzierungen sich auf den Thonurnen wiederholen, schließen zu können, daß zu jener Zeit, also zu Zeiten des Kaisers Augustus, die meisten Geräthe nach alter Form von den längst als Metallarbeiter bekannten Norikern selbst erzeugt wurden. Damit ist nicht

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 631. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_631.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)