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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


Die immer höher steigenden Wasser stürzten sich nun verheerend über Kunnersdorf, drangen nach Bernstadt, wo elf Menschen ertranken und neun Häuser und eine Scheune fortgerissen wurden, und überflutheten Alt-Bernsdorf, wo die Verheerung ihren Gipfelpunkt erreichte, denn hier waren an einer Stelle die dahertreibenden Trümmer fast haushoch zusammengeschwemmt. Beim Abräumen derselben fand man Leichen Ertrunkener.

In Schönau auf dem Eigen, dem letzten sächsischen Orte an der Pließnitz, waren die Verwüstungen kaum minder gewaltig. Hier drang das Wasser auch in die Kirche, demolirte daselbst Alles und füllte den Raum fußhoch mit Schlamm.

Außer diesen Orten wurden noch Alt-Eibau, Ober- und Nieder-Kunnersdorf bei Löbau und Kiesdorf hart von der Ueberfluthung getroffen.

Als nach einigen Stunden das Wasser sich etwas verlaufen hatte, da erkannte man erst den ganzen Umfang der Verwüstungen, welche des entfesselten Elementes Wuth angerichtet. Bei jedem Schritte begegnete man Spuren der grauenhaftesten Zerstörung an Gebäuden, von manchem Hause war kaum noch die Stelle zu erkennen, wo es einst gestanden. Dazu zertrümmerte oder weggeführte Brücken, zerrissene, aufgewühlte Wege, entwurzelte oder umgebrochene Bäume, versandete, verschlammte oder zerwühlte Gärten, von denen der gute Boden fortgeschwemmt worden. Stellenweise boten sich dem Auge herzzerreißende Bilder.

Im Ganzen sind 70 Personen ertrunken, 47 Häuser gänzlich weggerissen, 138 müssen abgetragen werden, 230 sind stark beschädigt. Geringer beschädigte Gebäude sind in Menge vorhanden.

Der Gesammtschaden ist noch nicht festgestellt, dürfte sich aber auf viele Millionen Mark belaufen. Nieder-Oderwitz allein berechnet seinen Schaden auf 600,000 Mark, Schönau auf dem Eigen den seinen allein an Wohnhäusern auf 226,170 Mark. Von den übrigen Orten liegen noch keine Angaben vor.

Am härtesten leidet der sogenannte Eigensche Kreis, dessen Fluren zwei Tage vor der ihn so schrecklich heimsuchenden Katastrophe – am 12. Juni – von einem verheerenden Hagelschlage betroffen worden waren, wobei z. B. in der Gegend von Alt-Bernsdorf die Hagelkörner in der Größe einer kleinen Wallnuß fielen.

Furchtbar ist nun das Unglück in den so schwer heimgesuchten Ortschaften, denn die Gemeinden sind meistens arm und der Schaden betrifft in der Mehrzahl arme Weber und Handarbeiter, von denen die ersteren unter der allgemeinen Geschäftsstockung der letzten Jahre ohnehin schon so schwer zu leiden hatten und um kargen Lohn arbeiten mußten. Jetzt ist das Wenige, was sie etwa in jahrelangem Mühen durch der Hände Fleiß sich erworben, verloren, die Webestühle sind meist beschädigt, die Ketten verdorben, Scheerrahmen, Treibräder, Werkzeuge, Hausgeräthe, Möbel, Kleider, Wäsche, Betten entweder fortgeschwemmt oder unbrauchbar geworden. Gar Mancher hat nichts gerettet als das, was er eben auf dem Leibe trug, und fragt sich verzweiflungsvoll: ‚Was soll nun werden?‘

Wenn irgendwo, so ist hier Hülfe, schnelle, thatkräftige, reichliche Hülfe nöthig. Wer ein fühlendes Herz für unverschuldetes Elend seiner Mitmenschen besitzt, der helfe – und helfe bald!

G. B.“

Soweit unser Bericht! Dasselbe schwere Schicksal hat nun aber auch den preußischen Kreis Lauban betroffen. Nach amtlicher Feststellung sind dort in den Ortschaften Seidenberg, Küpper, Berna, Ober- und Mittel-Bellmannsdorf, Heidersdorf, Ober- und Nieder-Halbendorf, Ober- und Nieder-Linda und in Ober-, Mittel- und Nieder-Gerlachsheim im Ganzen 105 Wohnhäuser ganz oder zum größten Theil zerstört worden und 51 Menschen um’s Leben gekommen. Berna verlor allein 25 Gebäude und hat 18 Menschenleben zu beklagen. Der Schaden an Vermögen ist noch nicht zu berechnen.

Wir bitten unsere Leser, ihre Gaben da hier Eile dringendst geboten ist, an die ihnen zunächst gelegenen Sammelstellen, die sich in vielen Städten bilden werden, oder für die Oberlausitzer direct „an die Kreishauptmannschaft in Bautzen“ zu senden. Für Lauban ist „die Kreiscommunalcasse“ daselbst die Centralsammelstelle.

Die Redaction.




Blätter und Blüthen.


Fünftes allgemeines deutsches Turnfest. Die deutsche Turnerschaft wird in diesem Jahre vom 25. bis 29. Juli zu Frankfurt am Main ihr fünftes gemeinsames Turnfest feiern; die früheren allgemeinen deutschen Turnfeste wurden zu Coburg, Berlin, Leipzig und Bonn abgehalten, und zwar gestaltete sich bekanntlich das Leipziger, mit der fünfzigjährigen Gedenkfeier der Völkerschlacht verbundene zu einer großartigen nationalen Kundgebung. Seit jenen sechsziger Jahren hat nun freilich in weiten Kreisen eine nüchternere Auffassung von der Bedeutung großer Nationalfeste für das Volksleben Platz gegriffen; man hat deren Berechtigung überhaupt bestreiten wollen. Trotzdem glaubt die deutsche Turnerschaft auf die Abhaltung gemeinsamer Feste nicht verzichten zu sollen; denn sie sieht in derselben vor Allem eines der vornehmsten Mittel, um ihren Zweck: „die Förderung des Turnwesens als Mittel zur körperlichen und sittlichen Kräftigung des deutschen Volkes“, zu verwirklichen, und so ist denn das Programm für das Frankfurter Fest folgendermaßen festgestellt:

Am 25. Juli finden statt: 1) allgemeine Frei- und Ordnungsübungen, 2) Musterturnen einzelner Turnkreise, Gaue und Vereine, sowie ausländlicher Turner, 3) allgemeines Kürturnen; am 26. Juli: 1) Turnen einzelner Kreise, Gaue und Vereine, 2) Wettturnen; am 27. Juli: Fortsetzung des Wettturnens; am 28. Juli: 1) Beendigung des Wettturnens, 2) Kürturnen der geübtesten Turner, 3) Verkündigung der Sieger; am 29. Juli: allgemeine Turnfahrt. Das Wettturnen wird diesmal eine wesentlich andere Gestalt annehmen, als bisher. Für die turnerischen Wettkämpfe früherer Feste waren die Grundsätze der althellenischen Agonistik maßgebend; wer in einer der „volksthümlichen“ Wettübungen des Laufens, Springens, Werfens etc. das Ausgezeichnetste leistete, erhielt denn Siegerkranz. Die neue deutsche Wettturnordnung dagegen, welche im vorigen Jahre auf dem allgemeinen deutschen Turntage zu Berlin beschlossen wurde, macht den Sieg von einer allseitigen gymnastischen Durchbildung des Leibes abhängig: nur wer an drei Hauptturngeräthen je drei Uebungen tadellos ausführt und in drei „volksthümlichen“ Uebungen Ausgezeichnetes leistet, hat Aussicht, in Frankfurt als Sieger verkündet zu werden. Außer dem Wettturnen wird auch noch ein besonderes Wettringen und Preisfechten mit Säbeln stattfinden.

Die Betheiligung seitens der deutschen Turnerschaft verspricht eine überaus zahlreiche zu werden; in allen den zweitausend deutschen Turnvereinen des deutschen Reiches und Deutsch-Oesterreichs, welche zusammen den Verband der „deutschen Turnerschaft“ bilden, rüstet man sich schon längst eifrig zu dem Feste. Die gemeinsam auszuführenden Freiübungen werden fleißig geübt und Vorbereitungen zu turnerischen Mustervorführungen getroffen. Von fast allen Centralpunkten des Weltverkehrs in Deutschland werden Extrazüge eingerichtet, welche Sonnabend den 24. Juli Nachmittags nach Frankfurt fast gleichzeitig Tausende von Turnern aus allen Gauen des Vaterlandes bringen werden. Auch die deutschen Turnvereine des Auslandes, die überall, wo Deutsche in größerer Zahl zusammen wohnen, die Sammelpunkte deutschen Volksthums bilden, werden zahlreich in der alten Mainstadt erscheinen. Schon sind in diesen Tagen 450 deutsche Turner des nordamerikanischen Turnerbundes mit dem Dampfer „Silesia“ in Hamburg eingetroffen, festlich empfangen von der Turnerschaft Hamburgs und feierlichst begrüßt von einem Delegirten Frankfurts.

Auch die sächsischen Turnvereine Siebenbürgens haben ihre Ankunft gemeldet; und nicht minder sind Abgesandte der deutschen Turnvereine aus London, Paris, Brüssel, Liverpool und anderen großen Städten Europas zu erwarten. So wird das allgemeine deutsche Turnfest, auf dem sich die deutschen Volksgenossen der ganzen Welt ein Stelldichein geben, sich unwillkürlich zu einem großen nationalen Feste gestalten.

Im Hinblick auf die hohe Blüthe, zu welcher sich das Turnen durch die sorgfältige Pflege in den deutschen Turnvereinen entfaltet hat, werden auch Vertreter fremdländischer Turngenossenschaften in der Feststadt nicht fehlen. Die beiden Conföderationen der italienischen Turner, die eidgenössischen Turnvereine der Schweiz, der belgische und niederländische Turnerbund werden Abordnungen nach Frankfurt entsenden; auch diese durch gleiches Streben den deutschen Turnern verbundenen Turner des Auslandes werden hochwillkommen sein bei dem nationalen deutschen Feste. Möge ein günstiges Gestirn über den Tagen von Frankfurt walten!




Von der Nessel gestraft. (Zu dem Bilde auf Seite 461.) Nicht unter Palmen allein wandelt man „nicht ungestraft“ – wie unser Bildchen drastisch genug vor Augen führt, hat auch das Wandeln auf einer idyllischen deutschen Blumenhalde seine Gefahren. Ganz abgesehen von derjenigen Gattung, welche in Gestalt brummiger Flurwächter in die Erscheinung tritt und panische Schrecken erzeugt, sowie gewissen Schlangen, welche „unter Blumen lauern“, hat die Pflanzenwelt ihre eigene Polizei in der Brennnessel, jenem heimtückischen Kraut, das sich mit dem harmlosesten Gesicht von der Welt unter dem übrigen Gewächs verliert und an den blumenpflückenden Händen zumeist ganz überraschend „der Blumen Rache“ übt. Man muß eben allerwegen im Leben vorsichtig sein –

     Ei, Junge, paß auf!
Selbst den Blumen der Auen
Ist nicht zu trauen –
Grüne Blätter mit Unschuldsmienen
Bergen das falsche Gift der Bienen.
     Sieh sie dir an!
     Und wirst du ein Mann:
Hüt dich, Junge, und denke dran!




Eine Erbschaft muß unerhoben liegen bleiben, bis der Erbe, Schuhmachergeselle Karl Robert Dietze aus Leipzig, dessen Aufenthaltsort seit dem 7. August des voriger Jahres unbekannt ist, sich wieder gefunden hat.


Kleiner Briefkasten.

Den Einsendern von Anerbietungen auf unsere Anfrage in Nr. 24, Anstalten zur lebenslänglichen Pflege eines Kranken (Lahmen) betreffend, hiermit zur Antwort, daß ihre Pensionate und Pflege-Anstalten, sämmtlich privater Natur, bei Nachfragen von uns genannt werden. Zwei Anstalten, welche auf öffentlichen Charakter Anspruch haben, sind das Stephans-Stift vor Hannover, als dessen Vorsteher uns Pastor L. Fricke genannt ist, und das Asyl der Congregation der barmherzigen Schwestern in der Riedenburg bei Salzburg, dessen Vorsteherin die Schwester-Oberin M. Katharina Angerer ist – beide Anstalten unter geistlicher Aufsicht.

Eine langjährige Abonnentin. So weit aus der Erfahrung ein Urtheil möglich, ist St. Bl. für Sie ganz passend.

M. G. in Prag; Tr. in St. Ueber die Trunksucht finden Sie in „Gartenlaube“ 1857, Seite 344, einen Artikel von Bock, der kein besseres Heilverfahren kennt, als den festen Besserungswillen des Trunksüchtigen.

C. V. 1500. Jeder Sortimentsbuchhandel wird Ihnen die gewünschte Auskunft ertheilen. Das Gute liegt so nahe!



Verantwortlicher Redacteur Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 464. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_464.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)