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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)

Tanne – vom südlichen Californien bis hoch hinauf nach dem nördlichen Oregon, wo sie sich in große Waldungen zusammendrängt – zeugt für die Fähigkeit derselben, dem bei weitem milderen deutschen Winter Trotz zu bieten.

Ich schalte hier eine genaue Beschreibung der Nadeln und Zapfen ein, wie ich sie meinem Freunde und Reisegefährten, dem Botaniker Dr. Newberry, nach dessen sorgfältiger Prüfung verdanke:

„Die Douglas-Tanne ist ein Baum von ungewöhnlichen Größenverhältnissen. Die Nadeln sind schmal, linealisch, einen Zoll lang, oben gefurcht, unten kahnförmig mit gebogenen Rändern und leichtmeergrün. Die Zapfen hängen nach unten, sind langeiförmig spitz und haben nur wenige große, schlaffe, vollkommen abgerundete Schuppen. Die verlängerten Samenflügel reichen über den Rand der Schuppen hinaus und endigen in drei Spitzen, deren mittelste die größte ist. Die Samenkörner sind elliptisch und beinahe halb so lang, wie der durchsichtige Flügel, dessen Rand ebenfalls ohne Einschnitte.“

Fruchtzapfen, Schuppen und Nadeln der
Douglas-Tanne.

Natürliche Größe.

Es unterliegt also keinem Zweifel, daß der Zapfen der Douglas-Tanne, wie bei der Fichte oder Rothtanne, nach der Bestäubung mit der Spitze nach unten weist und nach dem Ausfluge des Samens im Laufe des folgenden Jahres abfällt. Trotz des schroffen Gegensatzes im Wachsthum der beiden Holzarten – ich berufe mich wiederum auf meinen gefälligen Gewährsmann im Harz – sind ältere Forstleute geneigt, was ich für gewagt halte, in der Douglas-Tanne eine Taxusart zu erkennen. Diese Meinung kann sich wohl nur auf den mikroskopischen Bau des Holzes begründen. Und da heißt es denn allerdings in einem Separatabdruck aus dem „Tharander forstlichen Jahrbuch“: „Es fanden sich hier bei den von mir untersuchten Aesten – bis acht Millimeter Durchmesser – aus dem Forstgarten, sowohl in den Längsfasern des Frühlingsholzes, wie im Herbstholz, so deutliche und stark ausgeprägte spiralige Verdickungsbänder, wie ich sie, mit alleiniger Ausnahme der Eiben (Taxus), bei keinem anderen Coniferenholze gesehen. Dieses Tannenholz macht in dieser Beziehung den Uebergang zu den Eiben, und ließen sich die mikroskopischen Präparate viel eher mit denen von Taxus, als mit den übrigen Tannenhölzern verwechseln. Aelteres Stammholz zu untersuchen, hatte ich keine Gelegenheit.“ Und dann auf Seite 64: „Den Eiben schließt sich zum Verwechseln ähnlich das Holz von Abies Douglasii (Lindl.) an.“ („Das Holz der Coniferen“ von Dr. Julius Schröder, Dresden, 1862.)

Auf die an mich gerichtete Frage, ob die Douglas-Tanne einer ähnlichen Krankheit unterworfen, wie unsere Fichte, die bei üppigem Wuchs auf nicht ganz zusagendem Standort oft schon mit vierzig Jahren rothfaul wird, umbricht und in den Beständen dem Winde willkommene Lücken schafft, oder, wie die Lärche, sich bis auf vereinzelte Fälle gesund erhält, glaube ich am eingehendsten durch die Schilderung eines vielhunderjährigen Douglas-Tannenwaldes antworten zu können.

Ich selbst beobachtete die Douglas-Tanne im mittleren und südlichen Californien in den Pässen und an den Abhängen der Küstengebirge und der Sierra Nevada in zerstreuten und weniger umfangreichen Gruppen. Bewunderte ich aber schon dort ihren überaus kräftigen und zugleich graziösen Wuchs, der wohl kaum von dem einer zweiten Conifere Californiens, höchstens in den Größenverhältnissen von der Sequoia gigantea, übertroffen wird, so erregten mein Erstaunen die Schilderungen meines Freundes Newberry, welcher sich kurz zuvor an einer Expedition von dem Sacramento-Thal aus nach dem Columbia betheiligt hatte. Seine verbürgten Berichte vereinige ich hier mit meinen eigenen Beobachtungen.

„Im Thale des Columbiaflusses, namentlich in der Nähe der Mündung des Willamette, bildet die Douglas-Tanne Waldungen, von deren Dichtigkeit man sich, ohne sie gesehen zu haben, kaum eine annähernd richtige Vorstellung machen kann. Wie die Halme in einem Rohrfelde, stehen hier die mächtigen Baumriesen hart bei einander. Säulenähnlich und fast zweiglos erheben sie sich bis zu einer Höhe von zweihundert Fuß, wo erst das immergrüne Nadelwerk beginnt. Stämme, welche in der Höhe von vier Fuß noch zehn Fuß im Durchmesser halten und ihre äußerste Wipfelspitze dreihundert Fuß hoch hinaufsenden, gehören nicht zu den Seltenheiten. Die genaue Messung eines umgefallenen Baumes ergab folgende Ziffern: An der Basis sechs Fuß im Durchmesser; zweihundertachtzehn Fuß in der Länge, wo der angekohlte Stumpfen noch achtzehn Zoll im Durchmesser hielt. Das Holz ist härter, zäher und schwerer zu bearbeiten, als das der meisten anderen Tannen, und eignet sich vorzüglich zu Balken und Brettern. Sehr deutlich zeichnen sich die Jahresringe aus. Der verhältnißmäßig breite Zwischenraum zwischen denselben zeugt von ungewöhnlich schnellem Wachsthum.“

So weit Dr. Newberry. Es ist bedauerlich, daß er keine Gelegenheit fand, die Jahresringe eines dieser Riesenbäume zu zählen. Ob die von dem Stillen Ocean landwärts wehenden feuchten Winde eine Bedingung für das üppige Gedeihen der Douglas-Tanne ausmachen, ist eine Frage, die in absehbarer Frist entschieden werden dürfte. Genügt ihr die über Deutschland lagernde Atmosphäre – gegen Kälte ist sie ja abgehärtet – so wird sie nicht nur eine Zierde unserer Wälder, sondern auch einen viel versprechenden Zuwachs zu unserer Forstcultur bilden.

Und noch einmal das Bild der Douglas-Tanne. Indem ich mich in die Erinnerung der Tage eines vielbewegten Wanderlebens versenke, im Geiste die wild zerklüfteten Küstengebirge Californiens durchstreife, ersteht er vor mir, dieser edle Baum. Ich sehe ihn, wie er schlank, gleichsam trotzig, dem Himmel zustrebt. Ich sehe ihn mit seinem prächtigen Nadelschmucke und den graziös geschwungenen Zweigen. Durch seinen Wipfel haucht der feuchte Seewind, und in vieltausendstimmigem Chor singt und flüstert es zwischen dem harzig duftenden Immergrün. Es klingt wie Erzählen von entschwundenen Generationen, wie das bedachtsame Aneinanderreihen von Jahrhunderten, Jahrtausenden.

Balduin Möllhausen.




Blätter und Blüthen.


Er ist todt. (Mit Abbildung Seite 12 und 13.) Der Maler unseres Bildes führt uns in ein Trauerhaus. Durch die Thür zur Linken leuchten die Kerzen am Sarge des Todten, und wer von dort heraustritt, hat einen letzten Abschied genommen; zur andern Thür treten die „Leidtragenden“ herein, um die Trauernde zu trösten. Und die Trauernde selbst? Der Künstler hat es dem jungen Weibe in's Gesicht gezeichnet, daß sie ihr Liebstes auf der Welt verloren hat. – Er ist todt, der ihres Lebens Stolz und Stütze war. Weiß es der alte Graukopf, der vor ihr steht, noch immer nicht, hat es ihn keine eigene Erfahrung gelehrt, daß es für solches Wehe kein Trostwort giebt? Wenn auch – die Sitte gebietet ihm, sein Beileid mit Trost zu versüßen, und so sagen denn Alle, Einer um den Andern, die uralten Trostsprüche her, die, so einfach sie lauten, durch den Augenblick, dem sie dienen, auch ihre eigene Weihe empfangen.

Diese Weihe erfüllt den ganzen Raum. Es ist kirchenfeierlich hier. Der Schmerz um den Todten macht das Haus zum Tempel; er behaucht jedes Antlitz, und in jedem prägt er sich anders aus, bei den Greisen, bei den auf der Höhe des Lebens Stehenden und bei dem heranwachsenden Geschlecht; denn Alle sind hier vertreten. Am wenigsten davon berührt sind die Kinder. Und wie nahe im Kreislaufe des Lebens Alter und Kindheit wieder zusammengrenzen, vor uns ist's offenbar – denn: ist den Alten das Herz zu hart geworden für die hinreißende Kraft des Schmerzes, so ist das der Kinder noch nicht dafür geöffnet; ist für jene der Gang durch das Trauerhaus eine Abwechselung im alltäglichen Leben, so erfreuen die glücklichen Kinder auch in der Nähe des Sarges und der Klage sich an Allem, was eben Kinderfreude bietet. Das Kind ist ein starker Feind der Trauer; die junge Frau, welche zur Thür hereintritt als Leidtragende, selbst sie muß die Trauermienen zu freundlichem Lächeln zwingen, weil sie ein Kind begrüßt.

Er muß tief in das menschliche Herz gesehen haben, der Künstler, welcher ein so treues Abbild des Lebens von seiner ernstesten Seite zu schaffen vermochte. Und in der That, es war eine seltene Verbindung von Geist, Herz und Hand bei harmonisch vollendeter Ausbildung derselben in dem einen Manne, und es ist schmerzlich genug, daß leider auch von ihm die Ueberschrift dieses Artikels gilt: Er ist todt!

Eduard Kurzbauer, der Maler unseres Bildes („Vor dem Begräbniß“) hat das vierzigste Lebensjahr nicht erreicht. Am 13. Januar des vorigen Jahres ward er uns durch ein langes, entsetzliches Leiden entrissen. Eine Operation auf Tod und Leben (Absägung des Unter- und Oberkiefers) hatte er noch um anderthalb Jahr überlebt. Wir stehen erschüttert vor jeder jungen, gebrochenen Kraft, wo aber ein Begabter so mühvoll die Staffel erklommen hat, auf welcher sein Glück erst beginnen, Anerkennung und Lohn erst den kaum gebauten Herd festigen und ausschmücken sollten, da ist der Tod eine Grausamkeit, die selbst gegen die Härte der Naturgesetze zu erbittern vermag. Kurzbauer ist ein Wiener, 1840 geboren. Nachdem er die Realschule besucht und sich erst der Lithographie gewidmet, war er 1857 bis 1861 Schüler der Akademie. Ohne festes Ziel und bestimmten Plan, aber deshalb auch ohne Erfolg, versuchte er sich in verschiedenen Richtungen, bis ihm endlich mit seinem Bilde „Die Märchenerzählerin“ ein guter Wurf gelang, der ihm Piloty's Gunst erwarb und 1868 dessen Atelier öffnete. Nach zweijährigen Studien konnte er auf eigenen Füßen stehen,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_019.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)