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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880)

Wiederholen, nebst den hohen, für Vorschuß von den Maklern erhobenen Procenten, das Publicum zuletzt so mürbe gemacht wird, daß es seine ihm das Herzblut aussaugenden Werthpapiere, falls dieselben ihm nicht bereits überm Kopfe verkauft wurden, zu irgend welchem Preis losschlägt, eine Operation, welche man mit dem technischen Ausdruck „ausfrieren“ bezeichnet. Andere probate Mittel sind „Wasser in einer Mine“ oder die Schreckensbotschaft „ein Porphyrpferd!“ das heißt: ein im Erzkörper liegender werthloser Porphyrfelsen, der die Aussicht nahe stellt, daß das Erz bald alle sein wird, ferner die Nothwendigkeit, Maschinen oder Schachte zu repariren und neue Gänge zu sprengen, Gebäulichkeiten anzuschaffen, Stampfmühlen zu errichten und andere kostspielige Maßnahmen. Um die allgemeine Entmuthigung noch zu vermehren, werfen die Bonanzaprinzen kolossale Massen von Actien in den Markt. Die Panik läßt natürlich nicht lange auf sich warten. Jeder will verkaufen. Tausende von Actien, die von den Maklern auf „Margin“ gehalten wurden, werden von diesen losgeschlagen, um Verlust zu vermeiden und die „Insiders“ kaufen ihre vorhin entäußerten Papiere zu Spottpreisen wieder zurück.

Jetzt kommt die Zeit, den Markt wieder zu heben. Mit geheimnißvoller Miene erzählen die „Stocksharys“ (Eingeweihte unter den Speculanten) Diesem und Jenem unter dem Siegel der Verschwiegenheit, daß ein neuer Erzkörper entdeckt sei. Die Bonanzafürsten Flood und Mackey würden nächstens in „Ophir“ oder in „Yellow Jacket“ ein riesiges Steigen loslassen. Die guten Freunde beginnen „Points“ (guten Rath) zum Ankauf zu geben, bald für die Actien dieser, bald jener Mine. Man wisse ganz genau, daß der Diamantbohrer (womit man das Gestein bis auf 100 und mehr Fuß Entfernung anbohren und etwa darin verborgene Erzkörper, lange ehe ein Stollen sie erreicht, entdecken kann – Notabene allemal das Privateigenthum der „Insiders“ –) auf reiches Erz gestoßen sei etc. Es dauert denn auch nicht lange, so eröffnen die Actien einer bevorzugten Mine den Reigen und fangen an zu „springen“ – 10, 20, 50 Dollars per Tag – und die gesammte Reihe der Comstocks folgt nach. Der Himmel hängt wieder voller Geigen, und Jedermann, der bei der letzten Panik nicht bankerott wurde, legt sich ein neues Assortiment von Stocks ein, in der Hoffnung, eines schönen Morgens als Millionär aufzuwachen. Niemand ist mit einem geringen Nutzen zufrieden. Wer „Mexican“ zu 15 kaufte und sich fest vornahm, es zu verkaufen, sobald es auf 20 stiege, thut dies sicher nicht und denkt, wenn es schon auf 25 steht, er will nun doch lieber warten, bis es auf 50 oder 100 steht. Auf einmal fallen wieder die Actien mit fabelhafter Schnelligkeit. Der Millionäraspirant denkt immer noch an den imaginären Gewinn und kann sich nicht entschließen, rasch zu verkaufen. Sein Kartenhaus bricht zusammen; seine Glücksträume schwinden dahin wie Schnee an der Julisonne.

Bei einem echten Minenaufruhr (stock excitement) tauchen stets eine Menge ganz obscurer Actien auf, die sogenannten wild cats, die wilden Katzen. Es sind dies die Namen von Minen, welche gar keinen reellen Werth besitzen und sonst entweder gar nicht oder zu einem sehr niedrigen Curse an der Stockbörse notirt sind. Wer nicht genug Geld oder Credit hat, um in Comstocks speculiren zu können, der versucht sein Glück mit den Wildkatzen, in der Hoffnung, daß sich die eine oder die andere derselben als eine respectable Gold- oder Silbergrube entpuppen werde, oder daß es ihm gelinge, einen hübschen Nutzen zu erzielen, ehe der Markt wieder fällt. Sobald dies eintritt, verschwinden die meisten dieser „Werthpapiere“ wieder von der Stockbörse und sinken in ihr Nichts zurück.

Steigen die Actien einer reichen Mine zu solcher Höhe, daß Leute mit beschränkten Mitteln nicht mehr im Stande sind, darin ein Sümmchen anzulegen, so pflegt man aus purer Menschenliebe diese Werthpapiere zu zertheilen. Aus einer Actie werden fünf oder zehn gemacht, um Jedem Gelegenheit zu geben, sich an dem Nutzen zu betheiligen. In der guten alten Zeit gab es nur „Füße“, das heißt: jede Mine schrieb so viele Actien aus, als sie Längenfuß am Comstock-Gange besaß. Jetzt ist eine Mine von 600 bis 1000 Längenfuß in 100,000 und mehr Shares eingetheilt. Da bei anderen Minen, wenn auch nicht in solchem Grade, das umgekehrte Verhältniß stattfindet, so ist der Speculirende nie sicher, ob er billig oder theuer einkauft oder verkauft, und ist überhaupt ein solcher Wirrwarr in den relativen Werthen der Bergbau-Actien eingetreten, daß sich Niemand mehr darum kümmert.

In früheren Jahren pflegte der Frühling stets einen Stock-Aufruhr zu bringen. Wenn die ersten Blumen sproßten, fingen auch die Shares an, sich zu rühren. Man nannte dies den „Spring rise“ die Frühlings-Erhebung. In neuerer Zeit aber scheint die Frühlings-Erhebung aus der Mode gekommen zu sein, wenigstens ist kein Verlaß mehr darauf. Im Gegentheil pflegt jetzt der goldene Herbst auch die goldenen Träume zu bringen.


Schluß folgt.



Geborgtes Sonnenlicht.
Die Sage vom Karfunkelstein. – Ein Schuhmacher als Prometheus. – Balduin’s Sonnengold und Stein der Weisen. – Die alchemistische Beleuchtung und Verpflegung in der Arche Noäh. – Leuchtende Kornblumen, Photographien, Namenszüge, Zifferblätter etc. – Phosphorescenz und Fluorescenz. – Diamanten und Rubinen im höchsten Glanze.

In alten Märchen spielt der wunderbare Karfunkelstein, welcher im Dunkeln mit hellem Glanze leuchtet und seinen Namen von Carbunculus (das ist ein glühendes Kohlenstückchen) bekam, eine große Rolle. Lucian erzählt, daß das Schnitzbild der syrischen Göttin im Tempel von Hierapolis an ihrem Stirnbande einen Stein trug, den man Lychnis (Lampe) nannte, weil er, am Tage mäßig funkelnd, des Nachts mit seinen Strahlen den ganzen Tempel erleuchtete. Aehnlich lesen wir in Shakespeare’s „Titus Andronicus“ von dem erschlagenen Prinzen Bassianus:

„Am blut’gen Finger trägt er einen Ring
Von seltnem Werth, der rings die Kluft erhellt;
Wie Fackelglanz in dunkler Todtengruft
Scheint er auf seines Leichnams fahles Antlitz.“

Von den Gnomen und Zwergen wurde erzählt, daß sie solche Steine als Grubenlichter auf dem Kopfe trügen, und verschiedenen Vögeln, namentlich den Zeisigen, wurde nachgesagt, daß sie dieselben zu finden wüßten, um damit des Nachts das Innere ihres kleinen Familienhauses zu erleuchten. Die Vorliebe gewisser Vögel, wie z. B. der Dohlen, für glänzende und schimmernde Dinge hat sich zu einem lieblichen, internationalen Märchen ausgebildet, und auch in Amerika sagt man mehreren Vögeln nach, daß sie das Innere ihrer Nester mit aufgespießten Feuerfliegen erleuchteten. Aber der Karfunkelstein hat noch einen besonderen geheimen Werth; er macht das Nest und seinen jedesmaligen Träger für Thier und Mensch unsichtbar. Wie soll nun der Mensch dieses Kleinod, das nur die Vögel mit ihrem scharfen Auge im Geröll zu erspähen vermögen, ausfindig machen? Auch dafür hat die dichtende Phantasie Rath gewußt. Die Unsichtbarkeit ist ihr nur eine Blendung der Augen durch den leuchtenden Schein – aber ein Spiegel läßt sich nicht blenden. Man geht also am Ufer eines Baches oder Sees entlang und sucht, wo sich im Wasser ein Vogelnest mit dem Baumgeäst spiegelt. Sieht man nun ein solches im Wasserspiegel, nachher direct am Baume aber nicht, so ist es das rechte. Auf dieses Geheimniß hat der neuerdings durch ein – am 17. August 1879 zu Renchen enthülltes – Denkmal geehrte und mit Recht gefeierte Verfasser des „Simplicissimus“ seine unterhaltende und lehrreiche Geschichte vom „wunderbarlichen Vogelnest“ begründet, welche uns an der Seite des unsichtbaren Erzählers das innerste Volksleben zur Zeit des dreißigjährigen Krieges belauschen läßt.

Die Sage vom Karfunkelstein stammt aus dem alten Edelsteinlande Indien und bezieht sich offenbar auf die merkwürdige Eigenschaft vieler Diamanten und mancher Rubine – der Rubin war der Karfunkel der Römer – längere Zeit im Dunkeln mit lebhaftem Glanze nachzuleuchten, wenn man sie kurze Zeit den Sonnenstrahlen oder auch nur dem hellen Tageslichte ausgesetzt hat. In Europa scheint dieses Verhalten erst im 17. Jahrhundert von dem bekannten Naturforscher Boyle beobachtet und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_009.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2021)