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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

Ein politischer Dichter und Kämpfer.

Ernst Scherenberg.
Nach einer Photographie auf Holz gezeichnet von Adolf Neumann.


Am Ostseestrande, in dem Hafenstädtchen Swinemünde, wurde am 21. Juli 1839 dem Kaufmann und Rheder Julius Scherenberg ein Knabe geboren. In die Wiegenlieder, welche ihm seine Mutter sang, tönte das Rauschen des Meeres; es tönte in die Lieder des Knaben, der sich am Strande oder in den Buchenwäldern der Insel Usedom umher tummelte; es drang zu ihm hinauf, wenn er hoch oben auf dem Lugthurm saß, der auf dem Hause seines Vaters errichtet war. Heute ist der Knabe ein Mann, in der Vollkraft des Lebens, und um seine Stirn haben inzwischen die Musen den stolzen Lorbeer des Dichters geflochten. Wir reden von Ernst Scherenberg, dem Neffen des Dichters von Leuthen und Waterloo, Christian Friedrich Scherenberg, und des bekannten Malers Hermann Scherenberg.

Die Erinnerung an die Heimath und die Sehnsucht nach dem Meere klingt durch einen großen Theil der Gedichte Ernst Scherenberg’s, und dem Leben an und auf dem Meere hat er eine Reihe seiner schönsten Bilder entnommen; selbst das Liebesglück, das er in späterer Zeit gewonnen, hat er in jenen jungen Tagen auf dem Meere schon vorgefühlt:

„Nun weiß ich doch, weshalb zum Meer
Mich stets ein dunkler Zug getrieben,
Daß ich so gern, wenn’s still umher,
Im Kahn auf blauer Fluth geblieben:

Was ich in ihr, versunknen Blicks,
Erschaut in solchen Dämmerstunden,
Es war die Ahnung jenes Glücks,
Das ich in Deinem Aug’ gefunden.“

In seinem elften Jahre hatte er das Unglück, seine Mutter zu verlieren; der Schmerz um sie spricht sich in ergreifender Weise in einem Gedichte „Daheim“ aus, das entstanden ist, als ihn, nach langer Trennung, sein Fuß wieder nach der heimathlichen Insel und an das Grab der Mutter zurückführte. Im Jahre 1852 sandte ihn sein Vater an das Gymnasium in Stettin, wo er, was hier nebenbei bemerkt sein mag, im Gesang ein Lieblingsschüler von Karl Löwe wurde, dem noch immer unerreichten Balladen-Componisten. Schon nach zwei Jahren wurde Scherenberg veranlaßt, das Gymnasium mit der Gewerbeschule zu vertauschen, um sich für einen praktischen Beruf vorzubereiten, und so finden wir ihn im Jahre 1856 in einer Maschinenfabrik

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 821. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_821.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)