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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

Adam Oehlenschläger.
Nach dem Riepenhausen’schen Portrait auf Holz gezeichnet von Adolf Neumann.

konnte. Das kam leider wiederum nur seiner Phantasie zu Gute, auf[WS 1] Kosten seiner eigentlichen Ausbildung. Mit seinen Kenntnissen sah es nicht zum Besten aus; und auch als der Dichter Edvard Storm, Vorsteher einer höheren Realschule in Kopenhagen, auf den lebhaften, begabten Knaben aufmerksam ward und ihm einen Freiplatz in seiner Schule verschaffte, half dies nicht viel: der Knabe beschäftigte sich nur mit solchen Fächern, die ihn besonders ansprachen, wie die Geschichte und die nordische Mythologie, und die unterhaltende Lectüre blieb ihm nach wie vor die Hauptsache. Schon damals aber begann er zahlreiche kleinere Gedichte zu schreiben, ja er verstieg sich sogar zu dramatischen Werken, welche unter Beihülfe seiner Schwester und einiger Altersgenossen fast ausschließlich in ihrem Kreise, nur selten vor Zuhörern, aufgeführt wurden.

Viele Kenntnisse besaß der sechszehnjährige Jüngling demgemäß nicht, als er die Schule verließ, allein sein Geist war ungemein frisch und gesund, für alles Schöne und Gute empfänglich, und unverkennbar traten seine vortrefflichen Anlagen hervor. Er selbst hatte noch keine Ahnung davon, in welcher Richtung sie sich entwickeln würden, und überließ das getrost der Zukunft. In der That vergingen noch Jahre, ehe er den rechten Weg fand.

Der junge Oehlenschläger sollte nach dem Austritt aus der Schule sich dem Handelsfache widmen. Allein im letzten Augenblicke stand er davon ab und begann sich zum Maturitätsexamen vorzubereiten. Indessen wollte es damit keinen rechten Fortgang nehmen, denn seine Phantasie war mit ganz anderen Dingen beschäftigt – er verschlang um diese Zeit die Schriften von Spieß und Lafontaine – und zuletzt warf er die Classiker in den Winkel und ging zum Theater. Es war jedoch nicht der Beruf zum Schauspieler, der ihn zu diesem Schritte trieb, sondern der bei angehenden Schauspieldichtern, die über ihre Bestimmung noch nicht zur Klarheit gediehen sind, so häufig vorkommende Drang, mit der Bühne in Berührung zu kommen. Nachdem er in den verschiedensten Stücken aufgetreten, ward er irre an seinem Schauspielertalent und nahm nun eifrig, unter Leitung der beiden später so berühmt gewordenen Brüder Oersted, die ihm mit Rath und That getreulich beistanden, seine Vorbereitungen für das Studium wieder auf. Im Jahre 1800 wurde er Student; statt aber sich, wie er beschlossen, in die Jurisprudenz zu vertiefen, machte er sich an die Beantwortung einer von der Universität aufgestellten ästhetischen Preisfrage: in wie fern es für die schöne Literatur des Nordens ersprießlich sein könne, wenn sich dieselbe auf die alte nordische Mythologie statt wie bisher auf die griechische stütze? und beschäftigte sich gleichzeitig mit dem Studium von Schiller, Goethe und Jean Paul, die er erst jetzt kennen lernte und die sofort einen überwältigenden Eindruck auf ihn

Anmerkungen (Wikisource)

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 765. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_765.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)