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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

so sollen dieselben hier nicht gefördert oder zur Arbeit zugelassen werden“. Nur den Goldschmieden und den Kürschnern war gestattet, drei Lehrjungen neben einander zu halten.

Das willkürliche Verlassen der Werkstatt vor Ablauf der Lehrzeit war strenge verboten und wurde an dem Lehrlinge durch die Bestimmung gesühnt, daß derselbe „hinfür seines Handwerks beraubt war und weiter zu lernen nicht zugelassen wurde“. Auf der andern Seite fehlt es nicht an Bestimmungen, welche den Lehrling gegen schlechte Behandlung schützen und in gewissen Fällen ihm das Recht zusprechen, aus der Werkstatt auszutreten, und zwar: wenn er kein ordentliches Essen oder keine ordentliche Lagerstatt erhält, gefährlich mißhandelt, oder mit Arbeit überlastet, oder „durch den Meister oder dessen Weib mit Handarbeit, Kinderwarten oder Anderem so hart beladen wird, daß er in der Werkstatt nicht bleiben könnte und in der Lernung des Handwerks verhindert würde“. In einem solchen Falle durfte der Lehrling von einem andern Meister zum Auslernen angenommen werden, der schuldig befundene Meister aber wurde dadurch gestraft, daß er keinen neuen Lehrling annehmen durfte, bis die Lehrzeit des schlecht behandelten abgelaufen war.

Wie am Anfange der Lehrzeit die Einschreibung, so erfolgt nach Beendigung derselben die Ausschreibung, und zwar beim „Rugsschreiber“, außerdem die Ausstellung des Lehrbriefes, „der unter Wissen und im Beisein der Vorgeber in der Kanzlei unter gemeiner Stadt Insiegel gefertigt werden sollte“.

War der Lehrling freigesprochen, so trat er in den Gesellenstand ein, bezüglich dessen die Hauptgrundsätze in erster Verordnung vom 18. December 1573 enthalten sind. Darnach hatte sich der eingewanderte Geselle zunächst auf die Herberge zu begeben und nach den Zuschickmeistern zu senden, welche ihn an solche Meister wiesen, die nach der Zunftordnung zunächst auf seine Arbeit Anspruch hatten. Da es nämlich Grundsatz des Handwerks der damaligen Zeit war, daß kein Meister vor dem anderen einen Vorzug haben solle, so war sowohl den Meistern verboten, den ankommenden Gesellen Arbeit anzubieten oder sich Gesellen aus der Fremde zu verschreiben, wie auch den Gesellen untersagt, unmittelbar einem Meister ihre Arbeit anzubieten. Beide Theile mußten sich der Vermittelung der Zuschickmeister, beziehentlich der Zuschickgesellen bedienen, welche zunächst stets die Meister zu berücksichtigen hatten, die am längsten ohne Gesellen gewesen waren. Am genauesten waren diese Verhältnisse bei den Buchbindern geordnet: im Hause des ältesten Vorgebers befand sich eine Tafel, auf welche der eines Gesellen bedürftige Meister seinen Namen schrieb; kam nun ein fremder Geselle zugewandert, so wurde er zunächst zu demjenigen Meister gewiesen, dessen Name am längsten auf der Tafel stand. Bei ihm hatte er vierzehn Tage lang zum Mindesten zu arbeiten. Die Annahme als Geselle war für ihn an gewisse Bedingungen geknüpft, zunächst daran, daß er seine Lehrjahre ordnungsmäßig ausgelernt, ferner, daß er von seinem früheren Meister ordnungsmäßig entlassen worden war und auf „redlichen“ Werkstätten (das sind solche, welche innerhalb der Zunftordnung standen) gearbeitet hatte. Waren die vierzehn Tage Arbeit bei dem ersten Meister, zu dem der Geselle gewiesen, abgelaufen, so konnte er entweder bei ihm weiter arbeiten und „Leihkauf“ machen, oder in eine andere Werkstätte gehen.

Was den Lohn betrifft, so mußte derselbe entweder Stück- oder Wochenlohn sein; eine Verbindung beider Lohnarten war verboten. Jener, der Stücklohn, war immer durch Gesetz geregelt, letzterer, der Wochenlohn, vielfach der freien Vereinbarung überlassen. In der Schleiferordnung war der Wochenlohn auf 9 Pfund 30 Pfennig festgesetzt; hatte die Woche zwei Feiertage, so betrug der Lohn 7½ Pfund 30 Pfennig. Bei den Schneidern ergab der Wochenlohn nur 15 Pfennig, doch war den Meistern aufgegeben, die Gesellen beim Trinkgelde zu fördern; die Schuhmachergesellen erhielten für die Woche 5 Kreuzer und den Flicklohn unter 6 Kreuzer nebst Trinkgeld. Der Taglohn der Steinmetzen, Zimmerer und Dachdecker war 32 Pfennig und für jede Stunde Ueberarbeit 4 Pfennig; wegen Versäumniß ward dieselbe Summe abgezogen.

Da bei dieser Gelegenheit die Arbeitszeit in Frage kommt, so mag hinsichtlich dieser hier gleich bemerkt werden, daß bei einigen Handwerken, z. B. bei den Tischlern, die Arbeitszeit nach der Jahreszeit bald länger, bald kürzer war, wonach der Lohn bald sich erhöhte, bald aber sank; bei anderen war die Zahl der Stunden gesetzlich festgestellt, bei den Tuchmachergesellen z. B. auf 13 Stunden. So sehen wir schon zu dieser Zeit den „Normalarbeitstag“ gesetzlich eingeführt. Erhielten die Gesellen bei den Meistern Kost, so mußten sie Kostgeld zahlen; auch dieses war gesetzlich festgestellt, doch haben wir mehrere Beispiele, nach welchen das Kostgeld wegen theurer Zeit durch Verordnung erhöht wurde, z. B. bei den Haftenmachern von 38 Pfennig, zwar nicht, wie die Meister gebeten, auf 72, wohl aber auf 45 Pfennig.

Auch die Qualität der Arbeit ist in den betreffenden Gesetzen nicht unberücksichtigt geblieben: wegen nachlässiger Arbeit wurde vom Lohne ein Abzug gemacht, und für die Messingschläger setzte eine Verordnung fest, daß, wenn ein Geselle dem Meister „an seiner Arbeit muthwilliger Weise etwas verderben oder verwahrlosen würde, so solle der Meister dem Gesellen für solchen Schaden, wie die geschworenen Meister darüber erkennen, wöchentlich einen Gulden in Münz abzuschlagen haben.“ Ueber Streitigkeiten wegen des Lohnes entschied der Rath der Stadt.

Dasjenige, was man heute „Contractbruch“ nennt, war streng untersagt. Die Kündigungsfrist der Gesellen war bei den verschiedenen Gewerben verschieden bemessen, z. B. bei den Kürschnern auf vierzehn, bei den Deckmalern auf acht Tage. Außerdem war es Sitte, daß der Geselle nur am Sonntage austrat. So sagt eine Nürnbergische Verordnung wörtlich und verbietet damit zugleich das eigenmächtige Fortbleiben aus der Werkstatt:

„Es gebieten unsere Herren des Rathes, daß fürbaß kein Handwerksknecht an keinem Werktage seinem Meister von der Arbeit ausstehe, und will ein Knecht oder mehrere Einen schenken oder ihn ausbegleiten, so soll dies an einem Sonntage oder Feiertage und nicht an einem Werktage geschehen; wer dagegen handelt, den will man in’s Loch legen und strafen, wie es einem ehrbaren Rath gerathen erscheint.“

Zu einem „ehrlichen Urlaube“ gehörte auch, daß der Geselle eine angefangene Arbeit nicht unvollendet zurückließ. Ein Zuwiderhandeln wurde bald mit Lohnabzug, bald mit Ausweisung gestraft. Selbst wenn der „ausstehende“ Geselle alle diese Bedingungen erfüllt hatte, durfte er doch nur dann, wenn die Lösung des Arbeitsverhältnisses vom Meister ausgegangen war, in der Stadt nach anderweiter Arbeit sich umsehen, und zwar wiederum in der Weise, daß er auf die Herberge ging und die Vermittelung der Zuschickgesellen in Anspruch nahm.

War aber die Kündigung des Arbeitsverhältnis von dem Gesellen ausgegangen, so mußte er an demselben Sonntage die Stadt verlassen und durfte erst nach Ablauf einer gewissen Zeit wieder nach Nürnberg, um Arbeit zu suchen, zurückkehren.

Wegen gesetzlicher Feststellung der Gesellenjahre gilt dasselbe, was bei den Lehrlingen gesagt ist; nur kamen hier auch noch Fälle vor, in denen diese Gesellenjahre auf’s Unbestimmte verlängert wurden. Als z. B. im Jahre 1613 die Zahl der Schuhmacher eine übergroße geworden war, setzte man durch Verordnung fest, „daß kein Geselle mehr Meister werden solle, bevor nicht die gegenwärtigen Meister bis auf vierzig abgestorben seien“.

Hatte der Geselle als solcher die vorgeschriebene Zeit gearbeitet, so konnte er Meister werden. Als wesentliche Bedingung für die Erwerbung des Meisterrechtes ist das Meisterstück zu betrachten, über dessen Qualität die verschiedenen Gewerbe-Ordnungen eingehende Bestimmungen enthalten. Da auch die Maler eine Zunft bildeten, so mußten auch sie, um Meister zu werden, ihr Meisterstück machen, und „alle diese Meisterstücke“ – so sagt die Maler-Ordnung von 1596 – „damit ein Jeder bestanden und darauf er von den Rugsherren als ein Meister angesagt ist, sollen auf dem Rathause bleiben, damit eines Meisters vor dem anderen Fleiß und wie ein Jeder seiner Arbeit und Kunst halber qualificirt sei, dabei erkennt werde“.

Aus der Gesammtheit dieser, wie gesagt, sehr eingehenden Bestimmungen über die Qualität des Meisterstückes und der bei Anfertigung desselben geübten scharfen Aufsicht geht klar hervor, daß bei sehr vielen Gewerben die Anforderungen, welche an den künftigen Meister gestellt wurden, über das Maß gewöhnlicher Handwerksarbeit weit hinausgingen und so hoch gestellt waren, daß man die betreffenden Gewerbe ohne Bedenken in die Kategorie der Kunstgewerbe stellen wird. Es hat diese Strenge der Gesetze über das Meisterstück einen doppelten Zweck: auf der einen Seite gilt es, den guten Ruf der städtischen Handwerksarbeit nach allen Seiten hin zu wahren, damit der Absatz dieser Waaren sich nicht mindere; auf der anderen Seite soll das

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 735. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_735.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)