Seite:Die Gartenlaube (1878) 832.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


Etwas von den deutschen Hülfsvereinen in der Schweiz.
Heiteres und Ernstes von einem Comitémitgliede.

„Ich werde in den gelesensten deutschen Zeitungen veröffentlichen, wie man hier arme, hülfsbedürftige Landsleute behandelt; ich werde Sie vor dem ganzen Vaterlande an den Pranger stellen.“ So hat uns schon seit Jahren mancher arbeitsscheue Stromer, mancher internationale Tagedieb gedroht, dessen Durste wir nicht nach Wunsch zu Hülfe kamen und der zwar dem Vaterlande längst abgeschworen hat, die gespendeten deutschen Markstücke aber nicht weniger willkommen heißt, als die Frankenstücke. Allein immer noch lassen diese Drohungen auf Verwirklichung warten, immer noch sind wir nicht an den Schandpfahl gestellt, und weil die Herren uns denn doch gar zu lange warten lassen, so wollen wir selbst ihnen einen Theil der Mühe abnehmen und uns in dem allergelesensten deutschen Blatte selbst der Oeffentlichkeit preisgeben. Schade nur, daß wir nicht mit der culturhistorischen Feder Riehl’s schreiben können, oder daß wir nicht Socialpolitiker sind, um unsere langjährigen Erfahrungen praktisch zu verwerten! Wir wollen darum nur einfach wiedergeben, was wir seit einer Reihe von Jahren erfahren haben und fast täglich noch erfahren, indem wir es dem Leser überlassen, weitgehende Schlüsse daraus zu ziehen.

Ein „Vocativus“.
Von Hugo Kauffmann in München.
Aus dem Prachtwerk „Spießbürger und Vagabonden“.


Die deutschen Hülfsvereine in der Schweiz haben im Allgemeinen denselben Zweck: Unterstützung ansässiger und durchreisender hülfsbedürftiger Landsleute; einzelne Vereine verbinden mit diesem human-patriotischen Zwecke zugleich den gesellschaftlichen, eine innigere Verbindung der an demselben Orte oder in demselben Cantone ansässigen Deutschen herzustellen. Landsleuten zu gewährende Unterstützungen werden in besonderen Vorstands-(Comité-)Sitzungen behandelt; zur Abfertigung der Durchreisenden aber sind tägliche regelmäßige Bureaustunden bestimmt, welche abwechselnd von den Comitémitgliedern übernommen werden und überall auf eine Vormittagsstunde verlegt sind, damit Diejenigen, welche von den Vereinen befördert werden, ihre Reise am gleichen Tage antreten oder fortsetzen können. Diese Unterstützungsbureaux werden täglich von einer größeren oder kleineren Anzahl von „Reisenden“ frequentirt, am stärksten wohl dasjenige in der Bundesstadt, weil diese als der Sitz der Gesandtschaften allerlei Pilger anzieht. Denn unser Herrgott hat gar mancherlei Kostgänger, und unzählig sind die Mittel und Finten, durch welche dieselben sich einen Weg zum Herzen des functionirenden Ausschußmitgliedes und zur Casse des Vereins zu bahnen suchen. Gesunde, arbeits- und marschfähige Reisende erhalten in der Regel keine Unterstützung (Ausnahmsfälle sind indeß immer noch

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 832. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_832.jpg&oldid=- (Version vom 14.12.2019)