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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


die Tempel und Hallen theilweise zerstört. Dann hat der Strom diesen Theil des Thales überschwemmt und unter seinem Schlamm und Sande alles begraben. Olympia war fast spurlos von der Erde verschwunden.

Daß hier wichtige und kostbare Denkmäler einer großen Zeit im Schooße der Erde ruhn, wußte jeder. Die Franzosen hatten schon einmal vergeblich versucht, dieselben zu heben. Professor Curtius, Geschichtslehrer des deutschen Kronprinzen, hatte diesen schon lange für den Gedanken, Olympia auszugraben, einzunehmen gewußt; indeß weder die eigenen Mittel des Fürsten, noch die des kleinen Preußen reichten zur Ausführung eines solchen Unternehmens hin. Kaum war das deutsche Volk aber staatlich geeint, da trat man an die Regierungen und Volksvertretung mit dem Ansuchen heran, hier ein großes Werk uneigennützig auszuführen, im Dienste der Wissenschaft und der Kunst. Bereitwillig gingen beide darauf ein; die Uebereinkunft zwischen der deutschen und der griechischen Regierung wurde abgeschlossen; die Geldmittel wurden bewilligt. Zuerst warf man 57,000 Thaler für das Unternehmen aus, später, 1876, noch 40,000 Mark; endlich wurden für den Winter 1877 bis 1878 weitere 150,000 Mark demselben zugewiesen. Griechenland, wie alle jungen und schwachen Staaten eifersüchtig auf sein Ansehen und seine Würde, stellte harte Bedingungen. Wir mußten das aufzugrabende Land erkaufen, sämmtliche Kosten für die Arbeit tragen, dabei auf den Besitz aller Funde verzichten. Was der Boden herausgiebt, bleibt Eigenthum Griechenlands; wir haben nur das uns allein zustehende Recht, Abformungen und Abbildungen von allen Gegendständen zu nehmen. Griechische und deutsche Commissare sollten die Erfüllung der Vereinbarung an Ort und Stelle überwachen. Wir hatten nur die Wahl, entweder ganz auf die Hebung der olympische Schätze zu verzichten oder uns in voller Uneigennützigkeit mit dem Bewußtsein zu entschädigen, auf unsere Kosten der Wissenschaft und der Alterthumskunde unschätzbare Dienste zu leisten. Wir haben alle Ursache stolz darauf zu sein, daß man sich für das Letztere entschieden. Die Ausgrabungen von Olympia sind dadurch zu einem Werke des gesammten deutschen Volkes geworden.

Die Oberleitung der Olympia-Ausgrabungen erhielt in Berlin ihren Sitz und ist den Professoren Curtius und Adler, sowie dem Legationsrath Dr. Busch anvertraut worden. An Ort und Stelle übernahm zuerst die wissenschaftliche Leitung Dr. Hirschfeld, die der Erdarbeiten Baumeister Bötticher. Im Jahre 1875 begann das Werk.

Unsere Deutschen haben es in dem ungesunden, menschenleeren, völlig verwilderten Lande nicht leicht gehabt. Der Thalgrund des Alpheiosstromes, in dem Olympia liegt, ist heute gänzlich unbewohnt. Aus den Kalksteingebirgen, die den Kern und Mittelpunkt der peloponneischen Halbinsel bilden, fließt das gelbliche, reißende Bergwasser hinab. Sein Lauf wird eingerahmt von Gebirgszügen. Flüßchen durchbrechen diese und vereinigen sich mit dem größten Strome der Landschaft. Die seitlichen Bergzüge sind meist bewaldet: sie treten manchmal als steile, spitze Vorgebirge weit auf den ziemlich breiten Thalboden vor, oft aber lassen sie dem Wasser ein ausgedehntes Vorland frei, welches bei jedem anhaltenden Regen oder zur Zeit der Schneeschmelze leicht überfluthet wird. Deshalb lagert Fieberluft auf der ganzen Thallandschaft. Die wenigen menschlichen Ansiedelungen dieser wilden Gegend sind vor den giftigen Dünsten hinaufgeflohen auf die Höhen. Dort sieht man ab und zu die zerstreuten Häuser eines armseligen Griechendorfes hoch oben am Rande des Abhanges nisten. Den Thalgrund, der die Reste Olympias in seinem Schooße birgt, bedecken Corinthenäcker, Gerstenfelder, niedriges Gestrüpp, wilde Birnbäume, Platanen und Unkraut, unter dem die dunkelrothe Anemone schön hervorleuchtet. Die Aecker gehören zu dem Dorfe Druva, das wir nach fast einer Stunde steilen Steigens auf einer vorhängenden Klippe des Gebirgszuges erreichen. Man ist hier nur etwa eine Meile vom Strande entfernt, übersieht also das blaue Meer, die malerischen, bewaldeten Gebirgszüge und das ganze grüne Thal des Alpheiosstromes, der sein gelbes Gewässer hastig hinabwälzt. Die Aussicht ist schön, aber darauf beschränken sich auch die Vorzüge des Lebens auf Druva. In diesem Dorfe nämlich, hoch entlegen über dem Arbeitsfelde, wohnt unsere deutsche Colonie.

Durch Vermittelung des umsichtigen und liebenswürdigen deutschen Consuls, Herrn Hamburger in Patras, war von dem deutschen Reiche auf der vorspringenden Bergkuppe dicht an den letzten Häusern des Dorfes ein Häuschen erbaut worden, wenige Schlafzimmer, ein gemeinsamer Raum für die Mahlzeiten, Küche,


Heinrich der Vogler. Von Paul Thumann.
Aus dem Prachtwerke „Album für Deutschlands Töchter“.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 813. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_813.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)