Seite:Die Gartenlaube (1878) 768.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


weder sich noch auch die Welt ausgeben können, die, um nicht weinerlich zu sein – eben Humoristen sein müssen. Die typische Figur derselben ward Till Eulenspiegel, ihr Attribut die Pritsche; der Wahrspruch aller Humoristen ist jenes Wort von Christofel von Grimmelshausen:

„Es hat mir so wollen behagen,
Mit Lachen die Wahrheit zu sagen.“ –

Daß sich oft die lächerliche Wirkung ohne oder wider die Absicht des Betheiligten einstellt, ist bekanntlich gar nicht selten der Fall. Dieser Art ist beispielsweise jene Grabschrift, welche ein freigelassener Neger seinem Kinde hatte setzen lassen; sie begann: „Liebliche, früh gebrochene Lilie“ etc. Zum Begriff einer solchen gehört bekanntlich durchaus die weiße Farbe – und hier als Gegenstand der Anwendung ein schwarzes Mädchen! Als Jemand äußerte, daß er gern allein spazieren ginge, meinte ein Anderer: „Dies thue ich auch gern; da können wir nun zusammen gehen.“ Die begriffliche Maxime: was zwei gern thun, können sie zusammen thun, wird hier auf den Fall angewendet, wo Gemeinschaftlichkeit ausgeschlossen ist. – Eine junge Dame antwortet ihrem Tänzer, der von ihren Eigenschaften schwärmte und zuletzt von der „holden Sittsamkeit“ sprach, die ihr aus den Augen leuchte – „nein, wie Sie schmeicheln können!“ Wenn sie damit Heiterkeit erregt, geschieht dies dadurch, daß sie den sonst richtigen Gedanken, daß Höflichkeiten auf dem Balle nicht ernstlich zu nehmen sind, auf den besondern Fall anwendet, wo eine Unwahrheit einer argen Beeinträchtigung ihrer eigenen moralischen Unanstößigkeit gleichkommen würde.

Wir kommen jetzt zur zweiten Gattung des Lächerlichen, in welcher die Anschauung dieselbe Rolle spielt, wie in der bisher behandelten das Wort: die Anschauung einer Situation, eines Bildes, einer Handlung, – sei es in der Wirklichkeit, sei es in der Vermittlung durch bloße Schilderung, – welche eine Incongruenz zu den in unserem Kopfe vorhandenen begrifflichen Voraussetzungen ergiebt.

Der Ursprung des Lachens, welches uns beim Anblick eines unzureichend Bekleideten überkommt, manchmal trotz unseres gleichzeitigen Mitleids, ordnet sich dieser Gattung des Lächerlichen ein. Es drängt sich uns dabei die Wahrnehmung einer Incongruenz auf gegen den allgemeinen Gebrauch, sich der Temperatur entsprechend zu kleiden. Zugleich sehen wir an diesem Beispiel, daß es gar nicht immer nothwendig ist, das betreffende Begriffliche auszusprechen, nur muß es im Kopf des Lachenden vorhanden sein. Altmodische oder auffällige Anzüge üben aus ähnlichem Grunde eine leichte komische Wirkung aus, ebenso wie ein plötzliches Stolpern, und das um so mehr, je gravitätischer der Gang vorher war. Auch die Bewegungen der Affen buchen für uns etwas Lächerliches, weil wir durch eine gewisse Aehnlichkeit jener mit dem Thun und Treiben der Menschen veranlaßt werden, den Begriff des Menschenthums unbewußt anzuwenden, von dem aus dann freilich sich zahlreiche Incongruenzen einstellen. Hier muß auch die erheiternde Wirkung der Münchener und anderer Bilderbogen genannt werden; die Anschaulichkeit wird durch die carikirten oder doch derb realistischen Illustrationen vermittelt, und so hat Meister Busch schon manche Grille hinweggescheucht.

Handlung ist das Element des Lustspiels, der Komödie. Das Komische derselben muß daher zum größten Theil in diese Gattung des Lächerlichen in die der närrischen Handlungen einzureihen sein. Begriff und Grundsatz, nach welchem gehandelt wird, ist dabei im Allgemeinen ganz richtig, nur unter den zur Darstellung gebrachten Verhältnissen ergiebt sich eine Incongruenz. Beispiele anzuführen, kann hier wohl füglich unterbleiben; jedes Lustspiel bietet deren eine Fülle.

Die Begriffe, welche wir als vorweg bestehend bei dieser Gattung des Lächerliche vorauszusetzen haben, sind entweder unsere eigenen oder die eines Anderen. Während wir im ersteren Falle eine belustigende Ueberraschung spüren, lachen wir andernfalls über den Andern, halten ihn bei öfterer Wiederholung in der unbewußte Erzeugung jener Incongruenzen für einen Narren. Wer nun den Narren oder Lustigmacher zu spielen hat, muß geflissentlich solche Begriffe und Handlungen in Beziehung bringen, welche eben Inkongruenzen aufzeigen. So muß also eigentlich der Komiker erst einen Witz in seinem Kopfe produciren, den er jedoch nicht ausspricht; er begeht vielmehr eine solche Handlung, als ob das Paradoxe zwischen dieser und seiner Maxime ihm verborgen geblieben wäre. Indem dieses sich nun dem Zuschauer aufdrängt, erzielt der Narr die Wirkung, das heißt die belustigende Ueberraschung, welche er erst vorbereitet hatte.

Zur Narrheit gehören auch alle sogenannten Don-Quixoterien. Es werden dabei vorgefaßte, meist romantische oder moralische Begriffe auf niedrige Alltäglichkeiten angewendet. Bei aller Idealität des Charakters bringt es deshalb der Ritter Don Quixote, wie auch sein modernes Ebenbild Don Larioz, nur zu Ungereimtheiten und zu Schaden an Leib und Seele. Während hier wirklich vollzogene oder als solche mögliche Handlungen vorliegen, wird es bei den Münchhauseniaden versucht, mit der ernstesten Miene von der Welt unmögliche Handlungen als vollzogene dem Zuhörer aufzubinden.

Zur Narrheit gehört endlich auch die Pedanterie. Sie besteht darin, daß man dem eigenen Verstande mißtraut, im gerade vorliegenden Falle das Richtige unmittelbar zu treffen, und dazu lieber die Vernunft zu Hülfe ruft, das heißt immer von allgemeinen Regeln, Begriffen, Maximen ausgeht. Da nun diese nie für alle Fälle passen, nie die Mannigsfaltigkeit der realen Welt erreichen können, da, „so fein auch die Mosaik des abstracten Wissens sein mag, doch die Grenzen der Steine stets bleiben und nicht der stetige Uebergang und die feinen Modificationen des Anschaulichen erreicht werden können“, so geräth auch der Pedant allerorten in Differenzen und zeigt sich unklug und unbrauchbar. In diesem Sinne ist auch das Wort Vauvenargues’[WS 1] treffend, daß Niemand größere Fehler mache, als derjenige, der nur nach Reflexion handle.

Unsere Theorie des Lächerlichen erschließt uns auch das Wesen des Ernstes. Besteht jenes in einer eintretenden Incongruenz zwischen Gedachtem und Veranschaulichung, so ist letzterer die ungestörte Uebereinstimmung dieser beiden Vorstellungsarten. Der Ernste ist überzeugt, daß er die Dinge denkt, wie sie sind, und daß sie sind, wie er sie denkt. Aber eben darum ist dann auch der Uebergang vom Ernste zum Lachen gerade durch Kleinigkeiten zu bewirken, und wer des ganzen Ernstes fähig ist, kann um so herzlicher lachen. Das wesentlich Subjektive dieses ganzen seelischen Processes beim Lachen aber erklärt eben, daß derselbe Witz bei verschiedenen Personen in verschiedenem Grade zum Lachen reizt; bei Leuten ohne geistiges Leben, ohne Gedanke und Begriffe, versagt auch die beste Leistung Saphir’s – oder aber sie lachen über Alles. Daß das Prädicat „lächerlich“ so beleidigend ist, wo man von ernsten Dingen spricht, ist nun auch leicht zu erklären, indem mit ihm gerade ausgesagt wird, daß zwischen Begriffen und Wirklichkeit nicht alles in Ordnung ist, wie denn auch das Hohngelächer eines Verzweifelnden den Eintritt der Erkenntniß bezeichnet, wie wenig die ihm schrecklich enthüllte Wirklichkeit gedeckt wird durch die Gedanken und Hoffnungen, welche er von Schicksal und Menschen gehegt hatte.

Wenn man noch fragen wollte, warum denn die Wahrnehmung einer Incongruenz des Gedachten und Wirklichen uns lachen mache, so wäre eine Antwort darauf nur durch eine weitere Theorie oder Hypothese möglich, welche gewissermaßen noch weiter hinter die Oberfläche des Wissens zurückgehen müßte. Sie muß außerhalb des Rahmens unserer heutigen Betrachtungen liegen. – Nach einem Ausspruche Voltaire’s bedarf man, um langweilig zu sein, nur Eines: man muß Alles sagen; ich will zum Schlusse die Hoffnung aussprechen, daß ich mich heute in dieser Beziehung nicht versündigt habe.



Blätter und Blüthen.

Noch einmal die deutsche Kunst auf der Pariser Weltausstellung. Zu unserem mit diesem Gegenstand sich beschäftigenden Artikel in Nr. 42 der „Gartenlaube“ noch eine Ergänzung: Der als Autor des Entwurfes zu den beiden Pforten des Ausstellungssaales erwähnte Münchener Bildhauer heißt Gedon. Lorenz Gedon aber hat nicht nur den Entwurf zu diesen Pforten gefertigt, sondern der Entwurf zu der Anordnung und Ausschmückung des Ausstellungssaales überhaupt rührt ganz allein von ihm her. Im vorigen Jahre hatte er auf der kunstgewerblichen Ausstellung in München das Arrangement und die Ausführung der Abtheilung „Unserer Väter Werke“ ganz selbstständig besorgt und dadurch einen großen Theil zu dem bedeutenden Erfolge der Ausstellung beigetragen. Der umsichtige Oberleiter der deutschen Kunstausstellung in Paris, Anton von Werner, hatte in Gedon den Mann richtig erkannt, der mit wahrhaft künstlerischem Geschmack mit einer von warmem Patriotismus getragenen Thatkraft in der gegebenen kurzen Frist jenen so wesentlichen Theil der Aufgabe vorbereiten und durchführen konnte. Wie jeder große Feldherr weiß, welche Aufgaben er seinen einzelne Generalen stellen kann, so hat Anton von Werner sein Feldherrntalent bewiesen, indem er Gedon mit vollem Vertrauen in jener Richtung ganz selbstständig nach eigenem Plane vorgehen ließ.

Gedon hat, was daheim vorzubereiten möglich war, in München nach seinen Entwürfen, unter seinen Augen und seiner Leitung fertigen lassen. Mit dieser Ausrüstung und umgeben von seinem Generalstabe zog er etwa eine Woche vor Beginn der Ausstellung in’s Feld. Dieser Stab bestand aus seinem Freunde, dem Maler Heinrich Lossow, und zweiunddreißig schlichten, aber guten und erprobten Münchener Arbeitern.

Wie er alle in München mit den Vorarbeiten Beschäftigte zu rastlosem Eifer und außergewöhnlicher Thätigkeit anspornte, so hat Gedon seinen Generalstab mit dem patriotischen Gedanken beseelt, daß es gelte, eine deutsche That zu thun, den Siegen auf blutigem Schlachtfelde einen neuen auf dem friedlichen Felde der Kunst anzureihen.

Wir haben gesiegt. Die deutsche Kunstausstellung in Paris übertraf, wie unser Artikel mit Recht hervorhebt, „als Ganzes in ihrer edeln Würde, ihrer geschmackvollen Einrichtung und Ausstattung, ihrer einladenden freundlichen Stimmung die ganze lange Reihe der Nachbarn – ihr kleiner Saal war der schönste der gesammten Kunstausstellung aller Völker.“ Und das war – wie wir gern hinzufügen – wesentlich das Werk Lorenz Gedon’s.



Für die Hinterlassenen der verunglückten Seeleute vom „Großen Kurfürsten“

gingen ferner ein: Reinertrag eines Concerts des Gesangvereins zu Gröditz M. 18.35; C. K. in London M.15; Wilh. Müller in Straßburg i. E. M. 3; Revierförster Schmidt im Morgenröthe M. 5; Sammlung der Expedition des „Freiberger Anzeigers und Tageblatts“ M. 49.50; A. in Vallene M. 1; O. R. in W. M. 12.50; gesammelt in Bergheim durch Kreisrentmeister Schäfer M. 7; H. C. M. 5; Sammlung des Männer-Turnvereins in Hettstädt M. 3; „Deutscher Hülfsverein“ in Lausanne M. 25.96; in kleinem Kreise gesammelt in Laupheim M. 12.

Wir schließen hiermit unsere Sammlung und haben den Gesammtbetrag derselben mit M. 7135.43 an den Vorstand der „Marien-Stiftung Frauengabe-Berlin-Elberfeld“ in Berlin eingesandt. Besten Dank den Gebern!

Die Redaction



Verantwortlicher Redacteur Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Vauvenargue’s
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 768. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_768.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)