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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

der uns mit der Hoffnung erfreut, daß auch diese so ganz niedergedrückten Naturen wieder zu heben seien. Es wäre von Seiten der Osmanen gar nicht nöthig gewesen, den Christen das Tragen gewisser Stoffe und jeder Art von Waffe zu verbieten: man hätte sie doch erkannt an ihrer Tracht. Der christliche Bosnier kleidet sich, wie unser Berichterstatter schildert, meist in dunkle Stoffe, er trägt das einfache Fez von einem braunrothen oder noch dunkleren Tuche umwunden, hüllt seine Beine in faltenreiche blaue Beinkleider, die bis zum Knie reichen. Eine Art Gamaschen, dann Opanken (Bundschuhe) und ein Tuchgürtel, über dem meist noch ein lederner Taschengürtel befestigt ist, in welchem sich einige Habseligkeiten befinden, und mitunter ein „Jelek“, eine Art Spenser von gestreiftem Baumwollenzeug mit langen quergestreiften Aermeln – das ist Alles, was er auf dem Leibe trägt. Daß auch die langen weiten ungarischen Beinkleider mit vorkommen können, zeigt unsere Abbildung eines griechischen „Insurgenten“, der, wie der sitzende Junge, den der Künstler „Siromacek“ (Waise) nennt, als bosnischer Flüchtling abgebildet worden ist.

Die Tracht der Frauen ist theils der serbischen oder morlackischen, theils der türkischen nachgeahmt. In der letztern zeigen sie sich mit einer gelben, rothen oder braunen weitärmeligen, vorne offenen Jacke bekleidet, unter welcher ein niederes Mieder das bis zum Gürtel offene Hemd theilweise bedeckt. Keine sonderliche Zierde sind meistentheils die Beinkleider von dunkler Farbe, die ihnen von den Hüften bis zu den Knöcheln reichen; die gewöhnlich bloßen Füße stecken entweder in Pantoffeln oder in weit ausgeschnittenen, am Fuße festgebundenen Schuhen. Das Haupt der Bäuerinnen bedeckt entweder ein Fez oder der sogenannte „Tarposch“, ein weiter, haubenartiger Kopfputz, den unsere Abbildung von drei Bosniakinnen von allen Seiten zur Anschauung bringt. Die Kleidung des mohammedanischen Bauern ist von der des christlichen auf den ersten Anblick wenig zu unterscheiden; nur trägt er gern hellere Farben, am liebsten hochrothe, und schließt sich im Uebrigen meist der allgemeinen türkischen Tracht mehr an.

Eine eingehendere Schilderung des Lebens und der Lebensnothdurft der Rajah müssen wir uns für einen spätern Artikel vorbehalten, um für diesmal noch einen Blick auf das bosnische Haus werfen zu können.

Wie überall der Hausbau sich nach dem zugänglichsten Material richtet, so finden wir denselben auch in der steinreichen Herzegowina anders als im holzreichem Bosnien. Das bosnische Haus besteht meistens aus Fachbau von ziemlich schwachen Balken. Die Fächer mauert man entweder mit Lehmziegeln aus, oder sie werden mit Fachhölzern versehen, dann mit Fachgerten durchflochten und mit Lehm verschmiert. Als Fenster läßt man kleine Löcher frei, für die freilich nur selten der Schutz des Fensterglases vorhanden ist. Das Haus eines Mohammedaners ist sofort an dem buntbemalten Holzgitter zu erkennen, welches die Fenster des Frauengemachs verschließt. Das Schindeldach ist gleich so eingerichtet, daß der Rauch von Herden, Kaminen und Oefen keines Schornsteins zum Abzug bedarf. Das Erdgeschoß ist gewöhnlich für das Vieh und oft auch für das Gesinde bestimmt. Zum oberen Stock führt in der Regel eine bedeckte Freitreppe aus Gebälke und Brettern, die zunächst in eine Art Veranda („Divanhan“) mündet, den Lieblingsaufenthalt der Familie in den guten Jahreszeiten (vgl. unsere Abbildung S. 681). Von da gelangt man auf den Vorplatz und in die einzelnen Wohnräume. Da diese häufig keine Decke, sondern gleich das Dach über sich haben, so hat es etwaiger Rauch um so leichter, ins Freie zu gelangen. Hausrath, wie in unseren Bauernstuben, sucht man hier vergebens. Dafür findet man stets Wandschränke, die mitunter künstliche Schnitzerei zeigen, vor Allem aber eine Art Pritschen, die etwa acht Zoll über dem Boden mehrere Wände entlang und gewöhnlich drei Fuß breit angebracht und, je nach dem Wohlstand der Familie, mit Matratzen, Teppichen oder Rohrmatten belegt sind. Das sind schon stattliche Häuser. Neben ihnen leistet die Baukunst auch Geringeres, wenn auch bisweilen Kühneres, wie (in unserer Abbildung) die malerische Hütte zeigt, die man offenbar auf abgesägten Baumstämmen errichtet hat.

In der Herzegowina herrscht der Steinbau vor, wenn man die dort am häufigsten vorkommenden steinernen Höhlen mit ihren platten Dächern, niedriger Thoröffnung und ganz kleinen Fensterluken, die häufig auch ganz fehlen, noch Häuser nennen will. – Die Bedürfnißlosigkeit wächst mit dem Unwerth des Lebens. Möge auch für diese Völker die Zeit kommen, wo sie den wahren Werth des Daseins erkennen lernen und dort der Mensch der vom Himmel so reich gesegneten Natur froh wird und ihr zum Schmuck dient!

H. v. C.




Der canadische Achilles.
Von E. Werber.
(Schluß.)


Am frühen Morgen, als ich mein Fenster öffnete, drang mit der Luft und den würzigen Düften von Wald und Wiese Entzücken in meine Sinne.

„O entsetzliches Cincinnati mit deinen schwarzen Schlöten, ich will dich nie, nie wieder sehen,“ rief ich und ging zur Wiese hinab, wo Eleanor Linnen zum Bleichen ausspannte.

„Liebes Kind,“ sagte ich, „lassen Sie mich Ihnen helfen! Ich möchte gern ein wenig glücklich sein.“

Sie sah mich erstaunt an. „Sind Sie denn unglücklich?“ fragte sie.

„Ja, Eleanor, sehr unglücklich,“ erwiderte ich und nahm aus dem Wäschekorb ein Tischtuch und breitete es auf dem duftenden Grase aus. „Denken Sie sich, Eleanor, ich glaubte seit fünfundvierzig Jahren zu leben, und gestern erkannte ich plötzlich, daß ich gar nicht gelebt, sondern es mir nur eingebildet habe – und das macht mich sehr unglücklich.“

„Aber wie kann man sich so etwas einbilden?“ rief das Mädchen.

„Ach, Sie wissen nicht, Eleanor, was man in den Städten sich alles einbildet! Man lebt dort ganz in der Einbildung.“

„Und das bemerkt Ihr erst nach fünfundvierzig Jahren? So spät?!“

„Liebes Kind, ich bin eine seltene Ausnahme. Die Meisten von uns sterben, ohne je bemerkt zu haben, daß sie gar nicht lebten.“

„Das ist traurig und doch auch zum Lachen,“ sagte Eleanor. „Aber warum möchtet Ihr nur ein wenig und nicht sehr glücklich sein?“

„Sehr glücklich! Ja Ihr, Ihr habt ganze Empfindungen, ganze Wünsche, Ihr wißt, was Ihr wollt, und Ihr wollt nicht weniger, als was Ihr verlangt. Aber wir! Wir verkommenen Weltmenschen begnügen uns auch mit weniger. Kann ich dies nicht haben, so nehme ich etwas anderes, denken wir; wir sind nicht halsstarrig – wir geben nach. Wir machen den Lebensverhältnissen überhaupt so viele Concessionen, daß zuletzt gar nichts mehr von uns übrig bleibt. Aber wir gewöhnen uns auch daran.“

„O, ich würde vor mir selbst roth werden, wenn ich so wäre,“ rief das Mädchen.

„Haben Sie nie eine Stadt gesehen?“ fragte ich sie.

„Doch, ich habe Montreal gesehen. Aber es gefiel mir nicht; der Wald ist schöner als die Stadt.“

„Und Sie möchten immer im Walde leben, Eleanor?“

„Immer,“ erwiderte sie und sah mit ihren Veilchenaugen hinüber zum Walde, zu jener Stelle, wo ich am verflossenen Abend gesessen hatte. Dann breiteten wir schweigend das übrige Linnen auf dem Grase aus, und als der Korb leer war, sagte Eleanor:

„Ihr habt heute noch nichts genossen. Geht jetzt hinein in die große Stube, wo Ihr meinen Vater finden werdet und trinkt den Thee mit ihm!“

„Und Sie, Eleanor?“

In diesem Augenblicke rief Wilson von der Schwelle des Hauses: „Kommt doch, Euch zu stärken! Ihr habt ja furchtbar gearbeitet.“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 682. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_682.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)