Seite:Die Gartenlaube (1878) 657.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

für ungefähr ebenso viel werth halten, wie die andere Versicherung: „das Wasser hat gekocht“, wenn ihm[WS 1] nicht fortwährend neue Wärme zugeführt wird.

Aerzte und Gesundheitslehrer haben mündlich und schriftlich schon viel gepredigt, daß reine Luft dem Schlafenden mindestens ebenso nothwendig sei, wie dem Wachenden, und daß gute Luft der Schlafstuben eine wesentliche Bedingung der Gesundheit ausmache; geholfen haben diese Predigten offenbar noch nicht recht viel. Die große Mehrzahl der Menschen weiß vom Luftbedürfniß sehr wenig: man achtet die Luft vielleicht deshalb so gering, weil sie umsonst zu haben ist. Sind doch sogar weise Gesetzgeber darauf verfallen, die Fenster zu besteuern, als ob diese Luftlöcher ein Luxusartikel seien. Andere wissen freilich, daß reine Luft höchst wünschenswerth ist, aber wie man sich ohne Gefahr solche verschaffen könne, das ist den Meisten noch immer ein ungelöstes Räthsel.

Schlafzimmer sollen geräumig, hoch und luftig sein, aber die Nothdurft des Lebens steht nur zu oft dieser Forderung entgegen, namentlich in größeren Städten, wo die Wohnungen theuer sind und Wohn- und Arbeitszimmer, Geschäftsräume und die oft ebenso „unentbehrlichen“ (!) Empfangs- und Gesellschaftszimmer die besten Räume in Anspruch nehmen. Dann werden zu Schlafzimmern die kleinsten, oft nach engen Höfen belegenen Räume, oder die unter dem Namen Alkoven bekannten Zwischenzimmer benutzt, die überhaupt keine unmittelbare Verbindung mit der Außenluft haben.

Wie ist nun diesem Uebelstande, und zwar ohne Gefahr für die Schlafenden und ohne wesentlichen Kostenaufwand, wenigstens einigermaßen, abzuhelfen?

Als erstes Erforderniß ist auch hier, wie überall, wo es sich um Erhaltung und Beschaffung guter Luft in geschlossenen Räumen handelt, im Auge zu halten, daß man nicht außer den lebenden Insassen noch andere Quellen der Luftverschlechterung duldet und daß man wenigstens den Tag benutzt, um alle Spuren der vergangenen Nacht hinauszuschaffen.

Aus letztgedachter Rücksicht ist Morgens sogleich das geöffnete Bett durch Oeffnen von Fenstern und Thüren möglichst lange einem kräftigen Luftstrome auszusetzen, wobei die einzelnen Bettstücken und Nachtkleider so zu legen oder zu hängen sind, daß sie von der Luft durchdrungen und wirklich ausgelüftet werden. Alles gebrauchte Wasser und Geschirr und was irgend zu Ausdünstungen Veranlassung geben kann, muß alsbald aus dem Schlafzimmer entfernt und draußen gründlich gereinigt werden. Damit schlechte Luft möglichst wenig Schlupfwinkel und Haftpunkte finde, sollte im Schlafzimmer nicht mehr Mobiliar vorhanden sein, als für seine Zwecke nothwendig ist: also Bettstellen, Waschtisch, Nachttische, einige Stühle, ein Schrank für Wäsche und solche Kleidungsstücke, die nahe zur Hand sein müssen, wenn man nicht, was immer vorzuziehen ist, im Nebenzimmer einen Platz dafür einrichten kann. Polsterstühle, Polstersophas etc. dürfen im Schlafzimmer überhaupt nicht sein, weil die Polsterung verdorbene Luft anzieht und festhält, auch dem Staube Lagerplätze bietet. Wollene Fenster- und Thürvorhänge sind aus demselben Grunde sehr bedenklich und erfordern mindestens ausgiebige Reinigung durch Lüften und Ausklopfen. Dient das Zimmer als Krankenzimmer bei irgend ansteckenden Krankheiten, als Masern, Scharlach, Pocken, Rachenbräune, Typhus u. dergl. m., so dienen die Polstermöbel und Wollstoffe, neben den Betten und Kleidern, vorzugsweise als Schlupfwinkel und Sammelstätten der Ansteckungsstoffe und erfordern wenigstens besondere Reinigung oder Desinfection durch Ausschwefeln, Ueberhitzen, Waschen mit scharfen, chlorhaltigen Laugen oder anderen Zerstörungsmitteln organischer Keime.

Fußböden und Wände des Schlafzimmers müssen so eingerichtet sein, daß Staub und Verunreinigungen wenig Haftstellen an ihnen finden und nicht in sie eindringen können. Die Dielen der Fußböden müssen deshalb geölt oder mit Firniß überzogen, auch gut gefugt oder in den Fugen verkittet sein. Für die Wände ist einige Fuß hoch eine Bretterverkleidung, die ebenso wie der Fußboden glatt und wasserdicht gemacht werden muß, oder ein glatter Kalkanputz mit wasserfestem Anstriche sehr zu empfehlen; höher oben wählt man am besten einen haltbaren, nicht abbröckelnden glatten Anstrich, oder glatte Tapeten. Wo man, wie in den meisten Miethswohnungen, diese Einrichtungen nicht findet, noch selbst treffen kann, behilft man sich durch Belegen der Fußböden und derjenigen Wandstellen, die am meisten der Befeuchtung und Beschmutzung ausgesetzt sind, mit Wachstuch. Immer ist es nothwendig, das Schlafzimmer jeden Morgen mit einem feuchten Tuche sorgfältig aufzuwischen; das Tuch darf jedoch blos so feucht sein, daß es nur gerade den Staub aufnimmt, aber möglichst wenig Wasser zurückläßt.

Selbstverständlich ist, daß man zum Schlafzimmer niemals einen Raum wählt, in den von außen schlechte Luft eindringt: das kann aus Kellern – nicht blos aus Balkenkellern, sondern auch aus gewölbten –, sowie aus anderen Unterräumen, von Höfen, von Abtritten u. dergl. m. geschehen. Wo man solche Luft nicht abhalten kann, da ist es dringend geboten, ein anderes Schlafzimmer oder eine andere Wohnung zu suchen. Auch die aus Schwemmcanälen eindringende Luft ist, wie sichere Erfahrungen beweisen, höchst gesundheitsschädlich und besonders vom Schlafzimmer, in welchem ohnedies der geringste Luftwechsel zu sein pflegt, sorgfältig fern zu halten. Wenn das Schlafzimmer an die Küche stößt, so ist täglich und vorzüglich Abends gründliche Reinigung des Spülsteines, sorgsamer Abschluß des Ableitungsrohres, am besten wohl durch Wasserverschluß, und häufiges Ausspülen desselben mit Carbolsäure und reichlichen Wassermengen geboten. Außerdem ist es nothwendig, in der Küche keine anderen Quellen der Luftverderbniß, wie Schmutzeimer, riechende Speisenreste u. dergl. m. zu dulden. Damit Kochdünste nicht bei Tage in das Schlafzimmer eindringen, wo sie in den Betten sich hartnäckig festsetzen, auch die Wände feucht machen, muß für guten Abzug derselben gesorgt sein: wenn nicht ein offener Schornstein sie mit dem aufsteigenden Luftstrome entführt, ist der Küchenschornstein nahe unter der Decke mit einer Oeffnung zu versehen, in welcher eine stellbare Jalousieklappe angebracht wird. Eine solche, recht empfehlenswerthe Vorrichtung hat Senking in Hildesheim angefertigt; sie ist in dem „Lehrreichen Bilderbuch für Hausfrauen etc.“ von Ottilie Ebmeyer (C. Schmidt in Zürich) abgebildet. Die Klappe ist, ähnlich wie die weiter unten zu beschreibende Fensterklappe, um ihre untere Achse nach innen, das heißt nach der Küche zu, drehbar und durch einen Draht beliebig weit zu öffnen oder auch ganz zu schließen.

Wenn man die Lage des Schlafzimmers frei bestimmen kann, so ist sie an einer Außenwand zu wählen, wo möglich mit großen Fenstern, die auf einen Garten oder einen freien Platz zu führen; denn hierdurch ist nicht nur bei Tage eine reichliche Lüftung möglich, sondern es findet durch die Poren der Außenwand, sowie durch die Ritzen der Fenster auch bei Nacht ein keineswegs unbedeutender Luftwechsel statt, durch welchen ein Theil der verbrauchten Luft gegen bessere eingetauscht wird. Von den Himmelsrichtungen ist diejenige nach Norden am wenigsten wünschenswerth, weil sie des directen Sonnenlichts entbehrt, das nicht nur unmittelbar zur Luftverbesserung in den besonnten Stuben, sondern zur Austrocknung und Aufrechterhaltung der Luftdurchgängigkeit der Außenwand wesentlich beiträgt. Die westliche Lage hat die Unannehmlichkeit, daß die Außenwand des Zimmers im Sommer durch die tiefstehende Abendsonne zu stark erwärmt wird, um dann genügende Abkühlung für die Nacht zu erreichen. Jedenfalls sind aber auch diese ungünstigeren Außenlagen der Binnenlage an einem engen, schlecht gelüfteten Hofe oder im Inneren des Hauses vorzuziehen.

Die Fenster des Schlafzimmers sollen, wenn irgend möglich, den ganzen Tag offen stehen, damit die frische Luft auch in die verborgensten Winkel eindringen kann. Wenigstens aber soll Morgens und Abends (kurz vor Schlafengehen) durch Oeffnung sämmtlicher, besonders auch der oberen Fenster, und wo es durch gegenüberliegende Fenster und Thüren möglich ist, auch durch Oeffnen dieser ein möglichst starker Luftzug hervorgerufen werden. Die oberen Fenster müssen deshalb vorzugsweise geöffnet werden, weil die erwärmte mit Ausscheidungsstoffen beladene Luft nach oben steigt und hauptsächlich in dem oberen Zimmerraume verweilt.

Durch Anwendung solcher Maßregeln kann man denn wohl erreichen, daß beim Schlafengehen das Zimmer nur reine Luft und keine anderen Quellen der Luftverderbniß hat, als die menschlichen Bewohner; durch diese aber wird, wie wir wissen, die im Zimmer eingeschlossene Luft wirklich verdorben. Diese Thatsache läßt sich durch Wohlgerüche verstecken, aber nicht wegbringen: jeder Athemzug raubt der Luft Sauerstoff und giebt ihr dafür Kohlensäure und Wasserdampf; jede Blutwelle, die durch unsere Haut kreist, giebt Ausscheidungsstoffe an die Luft ab. Die Luft

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: ihn
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 657. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_657.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)