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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

auch zugeknöpft wurde. Zu diesen Unterärmeln gesellten sich später, von der Mitte des Unterarms herabfallend, weite lange Oberärmel, die gewöhnlich erst beim Ausgehen angeheftelt oder angeschnürt wurden. Ihre Länge wurde den Frauen oft so lästig, daß sie genöthigt waren, dieselben um den Arm zu wickeln. Abgeschafft wurden sie deshalb nicht; im Gegentheil, sie wurden nur immer länger und weiter bis hinein in das fünfzehnte Jahrhundert. Sie waren freilich ein willkommener Platz zur Anbringung von allerlei Zierrathen, Verbrämung mit Pelzwerk, Stickerei und Edelgestein, und im Winter leisteten sie gute Dienste – als Muffe und Nasenwärmer.

Zwischen Rock und Mantel drängte sich dann noch das Obergewand. Unter dem Namen „Kurzebold“ tritt es als kurzes Gewand und Staatskleid schon im elften Jahrhundert in die Scene; im dreizehnten modelt es sich zum förmlichen Oberrock und nimmt zugleich modisch wechselnde Formen an. Enganliegend und der polnischen Kasseweika ähnelnd, auch in der That slavischen Ursprungs, erscheint es unter dem Namen „Sukenie“; weitärmelig und an der Seite von unten aufgeschlitzt, führt es sich ein als „Surkot“; als Pelzoberrock, „Kursit“, war es über den Rhein herübergekommen. Eben daher kam später die „Tappert“, ein langer rundgeschnittener Ueberwurf, von dem hinten ein langer Streif auf der Erde hinschleppte. Von den Frauen verlassen, rettete die Tappert sich auf’s geistliche Gebiet hinüber und fristet noch bei den protestantischen Kirchendienern ihr vereinsamtes Dasein. Die „Frau auf Reisen“ hüllte sich in ein weites Uebergewand mit Aermeln, das die ganze Figur vom Scheitel bis zur Sohle bedeckte und auch noch eine Kapuze für den Kopf abwarf. Man sieht, unsere Damenregenmäntel haben auch ihre Ahnen.

Auch die Mäntel wurden kostbarer. Inwendig, selbst im Sommer, mit feinem Pelzwerk gefüttert, tragen sie am Außenrande reich mit Gold und Borde gezierte Säume. Die linke Schulter war vom Mantel bedeckt und dieser auf der rechten befestigt, sodaß der rechte Arm frei blieb. Beim Gehen hob man mit der rechten Hand den Mantel etwas in die Höhe, und der linke Daumen hielt die schließende Spange fest.

Untergewand und Rock hielt ein Gürtel zusammen. Anfangs einfach, ein seidenes Band, ein Riemen von rothem Leder, wurde er später zu einem luxuriösen Schmuckstück, bei welchem man Gold und Edelsteine nicht schonte. Er war aus Erz oder Silber getrieben, auch wohl vergoldet, und man zierte ihn im vierzehnten Jahrhundert noch obendrein mit Glocken und Schellen. Eine besondere Art war der „Dupfing“, aus viereckigen Platten zusammengesetzt, den man nicht mehr in der „Krenke“ – dies der mittelhochdeutsche Ausdruck für Taille –, sondern tiefer um die Hüften gespannt trug. Die Laune der Mode hat diesem Dupfing bekanntlich gegenwärtig wieder zu einem flüchtigen Dasein verholfen. Inzwischen hatte man auch begonnen, die Kleider zu schnüren, indem man durch einen an der Seite angebrachten Schlitz Fäden zog. Dies führte unter französischem Einflusse dann weiter zur Verengung der Kleider und der Taille, von welcher sich unsere Frauenwelt nicht wieder hat emancipiren können. Nunmehr hatte der Gürtel die Berechtigung seiner Existenz verloren; er wurde zum bloßen Luxusartikel.

Bedeutend mehrte sich der Reichthum und die Mannigfaltigkeit der Kleiderstoffe in ihren verschiedenen Arten und Abarten. Sie werden zugleich zum redenden Zeugniß für die hohe Entwickelung, auf welcher sich damals die Industrie befand. Die Linnenweberei der deutschen Frauen war weltberühmt. Die Niederlande, Niedersachsen und Schwaben waren die Hauptfabrikationsgebiete, und die Veroneser, später die Brabanter Leinwand genossen einen hohen Ruf. Als ein besonders feines und weißes Linnen galt der Saben, dessen Erzeugungsstätte die Dichter nach Marocco verlegten. Eine feine einheimische Linnenart nannte man nach ihrem gleißenden Scheine Gliza. Auch doppelt gewebter Zwillich und Hanfleinen kamen schon vor.

Die Baumwolle nahm den Weg von Arabien über Spanien und Italien erst ziemlich spät nach Deutschland. Wohl aber webte schon früh die Hand des Germanen aus Schafwolle und Ziegenhaaren Tuch. Das beste wurde bereitet im Lande der Friesen. Dann traten die Niederlande in den Vordergrund. Gent, Brügge, Antwerpen, Ypern und andere niederländische und flandrische Städte gaben ihm Namen und Heimath. Aber auch der ausländische Import war ein bedeutender. Unser Gewährsmann Weinhold stellt eine ziemliche Menge der verschiedensten Arten zusammen. Da ist der Barragan, ein lichter dicht gewebter Stoff, dessen Fabrikort das äußerst industrielle Regensburg war; der Buckeran, aus Ziegen- oder Bockhaaren gewoben, dessen feinste Sorten aus Syrien, Armenien, Persien und Cypern kamen; Diasper, fein, vielfach schillernd; Ferran, von Farbe apfelgrau, aus Wolle und Seide gemischt; Fritschel, grün und gelb, aus reiner Wolle; Kamelot, aus Kammeelhaaren; Serge, von seidenartiger Feinheit, in Flandern, England und Irland zu Hause. Vor allem aber beliebt und von Rittern und Edelfrauen mit Vorliebe getragen war das Scharlachtuch; ursprünglich von Farbe roth und braun, gab es später auch grünen und blauen, selbst weißen Scharlach.

 Ein Gürtel golden
Umschloß den dunkeln Scharlachrock,
Der weit umwallte die Holden –

heißt es im „Parcival“ von der Gräfin Tenabrock und ihrer Gespielin. Die Niederlande, besonders Gent und Ypern, lieferten den besten; England und Regensburg wetteiferten ihnen nach.

Der Orient führte auf der Wasserstraße der Donau und über Italien und Spanien schon früh seinen Reichthum an feinen Stoffen und Geweben, an Seide, Sammet, Schmuck und edlem Gestein in’s deutsche Land. Arabien, Libyen, Marocco, Ninive, Alexandrien und Syrien werden in den Dichtungen des Mittelalters als die Mutterorte der Seide bezeichnet. Daneben aber auch noch andere gar wunderlich zusammengesetzte Orte, deren Namen der heutige Geograph vergebens zu ermitteln streben würde. Alle Farbennüancen waren in ihr vertreten: „weiß wie Schnee“, „grün wie Klee“, „gelb-roth“, „wolkenblau und schwarz“. Wunderbare Sagen lebten über ihre Herkunft und Bereitungsweise im Volksmunde. Das weitaus berühmteste war der Pfellel. Von ihm heißt es an einer Stelle in Gottfried’s von Straßburg „Tristan“:

Rock und Mantel hat er an
Von edlem Pfellel; der war
Gewirket wunderbar.
Es hatte Sarazenenhand
Mit feinen Börtlein dies Gewand
Zu aller Augen Preise
Nach heidnischer Weise
Gar künstlich durchwoben.

Eine andere Stelle bezeichnet ihn von Farbe „grüner als Maiengras“. Der Sage nach sollten ihn Salamander weben „in einem hohlen Berge, weit drinnen in der großen Asia“. Daher galt er für unverbrennbar.

Andere Seidenstoffe waren der Plialt, ein theurer golddurchwirkter Stoff – „ein kostbar Gut“, heißt es im „Parcival“ – purpurbraun oder schillernd. Ferner der Palmet, leichtes Seidenzeug – „Matrazen von Palmet, köstlich gesteppt“ –; der Pfauin, ein schillernder Seidenstoff, auf welchem Pfauenfedern künstlich nachgeahmt waren; der Baldekin, aus Seide und Goldfäden moiréeartig gewoben; „grüner Achmerdi aus Arabia“; der Triblet, dreimal in Purpur oder Scharlach getaucht; der Zindal, eine leichte, schon früh im Handel befindliche Sorte, in Lucca und Granada in gleicher Weise gefertigt, wie in Regensburg. („Parcival“, IV, 49.) Ueber Alles aber ging der Purpur, von Farbe nicht blos purpurbraun und violett, sondern auch wachsgelb und weiß und, als zu höchst im Werthe, schillernd. Auch der Sammet entstammte dem Morgenlande („Sammet von Ethnise und Persia“). Doch hatte auch Italien Sammetwebereien und führte viel nach Deutschland aus, das erst im Beginne des sechszehnten Jahrhunderts dessen Anfertigung betrieb. Auch eine unserem Manchester ähnliche geringere Art tritt unter dem bezeichnenden Namen „Bastardsammet“ auf. Sammet und Seide wurden oft gemeinsam durchwebt.

Bedeutend war auch der Verbrauch von Pelzwerk. Marder, Eichhörnchen, schwarze Füchse, Hermeline und Zobel trugen ihre Felle zu Markte, um den „holden Leib“ der deutschen Frau zu schmücken. Regensburg und Ulm tauschten das Pelzwerk ein von dem Süden, die Hansestädte von dem Norden. Mit Grau- und Buntwerk und dem edlen Hermelin, glänzend wie Schwan fütterte man Mäntel und Decken. Der vornehmste aber unter allen Pelzen war der Zobel. Er diente dem Hermelin gleichsam als Folie, indem er als Vorstoß und Besatz durch seine dunkle Färbung dessen Weiße glänzender zur Geltung brachte. Im

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 510. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_510.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)