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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

weiden. Alle Säle waren gedrängt voll, aber unter der bunten Menge war nur ein Einziger, der, von dem Wechsel menschlicher Dinge heftig ergriffen, sich eine Thräne aus dem Auge wischte: und dieser Mann war William Makepeace Thackeray.

Ein anderes Beispiel von der Wärme seines Herzens!

Eines Tages, als ich bei ihm vorsprach, rief er mir entgegen: „Wie freut es mich, daß Sie kommen! Sie können mich vielleicht aus einer großen Verlegenheit reißen.“ Und als ich ihn fragte, um was es sich handelte, sagte er, daß ein deutscher Künstler seine Dienstfertigkeit in Anspruch genommen. „Er hat mir bereits zweimal geschrieben,“ fuhr er fort, „aber immer das Hauptsächlichste vergessen: seine Adresse. Die Unbeholfenheit dieses Mannes erregt meine lebhafteste Theilnahme. Ich möchte ihm gern dienen und in ihm den Verdacht nicht aufkommen lassen, daß ich seine Briefe gleichgültig in den Papierkorb geworfen.“ Er bat mich sodann, nichts unversucht zu lassen, um etwas Näheres über meinen Landsmann zu erfahren. Dies gelang mir jedoch trotz aller meiner Bemühungen nicht, worüber Thackeray ganz trostlos war.

Ich sah ihn, nachdem ich London verlassen, oft in Paris, wo seine Mutter wohnte, eine edle ehrwürdige Matrone, in deren Antlitz die Spuren früherer Schönheit noch deutlich zu sehen waren. Bei ihr lebten, während Thackeray’s Reisen in den Vereinigten Staaten, seine zwei Töchter. Ich glaube, es war im Spätsommer 1861, als ich ihn zum letzten Male sah. Ich begegnete ihm auf den Boulevards und fand ihn aufgeregt. Er sagte mir, daß er soeben seiner älteren Tochter das letzte Capitel der „Newcomes“ dictirt habe. Er lud mich ein, mit ihm eine Spazierfahrt nach dem Bois de Boulogne zu machen, und klagte mir auf dem Wege, daß seine Gesundheit zerrüttet, daß alle seine Illusionen dahingeschwunden und daß er froh sei, durch die Früchte seiner Arbeit die Zukunft seiner Kinder gesichert zu wissen. Die häufigen Reisen nach Paris fingen an, ihn zu ermüden; er überredete deshalb seine von ihm wahrhaft angebetete Mutter nach London überzusiedeln und in seinem Hause den Abend ihres Lebens zu verbringen. Das Glück, in seiner Nähe zu leben, währte nur kurze Zeit. Am 24. December 1863 ward ihr der Sohn, in dessen Ruhm sie sich verjüngte, plötzlich durch den Tod entrissen. Dieser Verlust brach ihr das Herz, und sie folgte ihm bald in’s Grab.

Thackeray war von athletischem Körperbau. Auf seinen breiten Schultern saß ein gewaltiger Kopf, der von Energie und Festigkeit des Willens zeigte. Er hatte bereits schneeweißes Haar, als er kaum das Jünglingsalter überschritten, was ihn viel älter erscheinen ließ, als er war. Sein Gesicht war voll und derb und wäre vielleicht schön zu nennen gewesen, hätte sich nicht die Nase auf Kosten desselben so sehr breit gemacht. Was indessen das Gesicht dadurch an Adel verlor, gewann es an Originalität. Wenn sich Thackeray’s Züge im Gespräch belebten, hatten sie sogar einen ganz eigenthümlichen Zauber.

Im Umgang war Thackeray schlicht, wohlwollend und ohne die allergeringste Prätension. Er zeigte sich oft kaustisch, doch ohne jemals zu verletzen. Obgleich Engländer durch und durch, war er doch frei von den Vorurtheilen, die, wenigstens noch vor drei Decennien, in seinem Vaterlande gegen alles Nichtenglische herrschten. Thackeray war ein Gentleman, und zwar in der umfassendsten, vor allein in der schönsten Bedeutung des Wortes.


Blätter und Blüthen.


Ein deutscher Freihandels-Apostel“. So nannte die „Gartenlaube“ im Jahrgang 1863 den berühmten volkswirthschaftlichen Schriftsteller Julius Faucher, der, seiner Fahne bis zum Ende getreu, am 12. Juni dieses Jahres in Rom gestorben ist. Er ist nur achtundfünfzig Jahre alt geworden und stand in der höchsten Manneskraft, als vor fünfzehn Jahren die „Gartenlaube“ zu seiner Lebensschilderung sein Bildniß brachte. Wie die Freundeshand Heinrich Beta’s ihn vor uns hingestellt hat, mit seiner gewaltigen Arbeitskraft, seinem vielseitigen Wissen und dem Scharfblick, der in ihm sofort das volkswirthschaftliche Genie und den culturgeschichtlichen Hellseher erkennen ließ, – so hat er fortgewirkt, bedeutend als Schriftsteller, aber noch weit bedeutender als Redner, selbst als in den letzten Jahren seine Gesundheit erschüttert war und ein Augenleiden ihm das Schaffen erschwerte.

Faucher’s schriftstellerische Hauptthätigkeit blieb seit 1863 seiner „Vierteljahrsschrift für Volkswirthschaft und Culturgeschichte“ gewidmet. Im Kriege 1870 hatte ihm die englische Zeitung „Daily News“ die Organisation der Berichterstattung vom Feld aus anvertraut. Ebenfalls in englischer Sprache schrieb er über die Aufhebung der Leibeigenschaft in Rußland und über die englischen Branntweinzölle. Als eine werthvolle Reisefrucht begrüßte man seinen „Winter in Italien, Griechenland und Constantinopel“ (zwei Bände, Magdeburg, Faber); sein letztes Werk war das von Rümpler in Hannover 1877 gedruckte Buch: „Vergleichende Culturbilder aus den vier europäischen Millionenstädten“ (Berlin, Wien, Paris und London).

Was aber hatte in derselben Zeit dieser eine Mann als Redner und Organisator geleistet! Wollen wir auch seine Thätigkeit im preußischen Landtage nicht besonders hervorheben, so verdient dies doch vor Allem seine anregende Theilnahme an vielen volkswirthschaftlichen Congressen. Er hat 1865 in Wien das Eintreten des Kaiserstaats in das System der Cobden’schen Handelsverträge betrieben und wiederholte dies drei Jahre später in Petersburg für Rußland. Auf dem volkswirthschaftlichen Congreß zu Breslau (1868) gründete er den „Verein für Fluß- und Canalschifffahrt“. Bei der Landtagswahl 1871 dem Exminister Bodelschwingh erlegen, lebte er wieder in London und auf Reisen, nahm 1873 Theil am volkswirthschaftlichen Congreß in Wien und an den Arbeiten der Presse für Wiederherstellung der Valuta in Oesterreich. Auch die Feste des „Cobden-Clubs“ in London ehrten in ihm einen ihrer besten Sprecher. Wer so, wie Julius Faucher, in zweien Nationen Führer-Ehre auf einem der wichtigsten Arbeitsfelder erworben, wird nicht sobald der Vergessenheit anheimfallen.



Die Heizung einer ganzen Stadt von einer einzigen Centralstelle aus ist im letzten Winter zum ersten Male mit gutem Erfolge zu Lockport im Staate New-York unternommen worden und wird auch während des Sommers fortgesetzt, um den Haushaltungen kochendes Wasser, den Gewerbetreibenden Dampf und Bewegungskraft zuzuführen. Einem kürzlich erschienenen Berichte von Mr. G. Maur entnehmen wir folgende Einzelheiten. Die Centralstelle enthält drei Dampfkessel, zwei von 16:5 Fuß und einen von 8:8 Fuß Länge und Durchmesser. Der überhitzte Dampf, den man in diesen Kesseln erzeugt, wird durch ein in seiner Gesammtheit drei englische Meilen langes Hauptröhrensystem in zweihundert Häuser geleitet, und diese unterirdischen Hauptröhren sind ebenso, wie die in die Häuser eintretenden Zweigröhren, durch Umgebung mit Substanzen, welche die Wärme schlecht leiten, derartig geschützt, daß sie nur wenig Wärme auf ihrem Wege verlieren. Die Ersparniß besteht darin, daß weniger Feuerstellen nöthig sind und daß die Wärme beinahe vollkommen ausgenützt wird, während in den Oefen der größte Theil derselben zum Schornstein hinausgeht. Dazu kommt die höchste Sauberkeit. Man öffnet einen Hahn, und sofort strömt der mehr als hundert Grad heiße Dampf durch den Zimmerofen, der aus einem einfachen oder doppelten Kranze senkrecht gestellter zollstarker Metallröhren von circa dreißig Zoll Länge besteht. Oben vereinigen sich dieselben zu einem Ringe, unten zu einem Behälter, aus welchem man jederzeit verdichtetes, beinahe kochendes Wasser für Haushaltungszwecke entnehmen kann.

In sehr kurzer Zeit sind die Zimmer durchheizt, und die Geschäfte der Küche erledigen sich überraschend schnell. Gewerbe, die, wie z. B. die Färberei, die Erhitzung größerer Wassermengen zur Siedetemperatur brauchen, erreichen dies mittelst Dampfdurchleitung aus siebförmigen Oeffnungen in zwei bis fünf Minuten, wozu sie sonst stundenlanger Feuerung bedurften. Selbst zwei Dampfmaschinen von zehn und vierzehn Pferdekraft entnehmen ihren Kraftbedarf aus der reichlich eine halbe englische Meile entfernten Anstalt. Da das Unternehmen vorläufig einen gemeinschaftlich unternommenen Versuch darstellt, so verlautet über den Kostenpunkt nichts Bestimmtes, doch dürfte derselbe sich, abgesehen von der größeren Bequemlichkeit und Reinlichkeit, kaum höher als derjenige der Privatheizung stellen.



Kleiner Briefkasten

Ch. D. in G. Unsere mit so vielem Beifall aufgenommene Zeitstudie Die Socialdemokratie und die Schule (Nr. 25) hat den Maler Ferdinand Lindner zum Verfasser, dessen illustrierter Artikel „Das venetianische Hamburg“ unsere heutige Nummer schmückt.



Für die Hinterlassenen der verunglückten Seeleute vom „Großen Kurfürsten“

gingen ferner ein: Latendorf in Pößneck M. 3; Mey und Edlich in Plagwitz-Leipzig M. 50; Karl Eggerß-Marseille in Rostock M. 25; Vorstand des Liederkranzes in Birkenfeld, Ertrag eines Concertes, M. 58.50; G. in Paris M. 20; durch Amtsrichter Leißring in Königsbrück gesammelt M. 25.50; ein Abonnent der „Gartenlaube“ in Stade M. 5; W. Kämpf in Greußen M. 3.20; Stationsverwalter Curschmann in Nieder-Flörsheim M. 6; C. Westphal, Lehrer in Stralsund, Ertrag eines Concertes, gegeben von dem Stralsunder Lehrer-Gesangsvereins, M. 67.10; Expedition der „Friedländer Zeitung“ in Friedland i. M., gesammelt in Folge einer Rede des Herrn Bürgermeister Voß bei Gelegenheit des fünfzigjährigen Jubiläums des Herrn Stadtsecretärs Advocat Durchschlag, M. 69.80; Z. Z. in Coburg M. 5; J. R. in Grimma M. 20; R. R. in Dresden M. 10.

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