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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

welche bald großes Ansehen in Deutschland erlangte und zu einer Musteranstalt sich aufschwang. So verfaßte er ferner im Namen zahlreicher Fabrikanten und Kaufleute Thüringens 1819 eine Adresse an den Bundestag und forderte darin die Erfüllung des in der Bundesacte gegebenen Versprechens, sofort bei der ersten Zusammenkunft der Versammlung in Frankfurt wegen des Handels und Verkehrs zwischen den verschiedenen Bundesstaaten in Berathung treten zu wollen. Schleunige Herstellung des freien Handels und Gewerbsverkehrs im Innern des deutschen Bundesgebietes und Sicherstellung des deutschen Gewerbfleißes gegen gänzliche Lähmung und Vernichtung mittels einer kräftigen, gemeinsamen Handelspolitik – das war es, was die Adresse verlangte.

Hatte sich auch der wackere Mann in seinem Vertrauen auf den deutschen Bundestag bitter getäuscht, legte auch die dortige Kurzsichtigkeit und Perfidie die Bittschrift verächtlich bei Seite, so blieb doch der Patriot Arnoldi, auch während der Zeit der tiefsten Erniedrigung Deutschlands, unerschrocken einer der tapfersten Agitatoren für Aufrichtung eines deutschen Zoll- und Handelsbundes. Ein von ihm herausgegebenes Taschenbuch für Freunde des deutschen Handelsvereins eröffnete er 1820 mit den Versen:

Was ich Euch zeige? Es schwimmt noch leuchtend im Strome der Zeiten,
Aber die Zeiten sind trüb, und es enteilet der Strom.
Freunde! Erkennet das Riff und steuert behutsam den Nachen,
Denn er ist leck schon. Er sinkt, wenn ihn die Brandung erreicht.

Während der nächsten Jahre schritt er zu den segensreichen Acten nationaler Selbsthülfe, welche seinen Namen unsterblich gemacht haben. Die interessante Entwickelung derselben läßt sich jetzt klar erkennen und verstehen. Es bestanden damals fast überall nur staatliche oder communale „Brandcassen“ zur Sicherung der Gebäude gegen Feuersgefahr, während für Versicherung des Mobiliarvermögens fast nichts gethan wurde. In England war zuerst der Gedanke aufgetaucht, aus dem Großbetriebe der Feuerversicherung ein gewinnbringendes Geschäft zu machen, und die englischen Capitalgesellschaften (Londoner Phönix etc.) hatten, ohne Concurrenz und daher mit hohen Prämien, ihr Geschäft in solchem Maße auf Deutschland ausgedehnt, daß der deutsche Markt vom Auslande förmlich ausgebeutet wurde. Hiergegen lehnte sich Arnoldi’s ökonomischer und patriotischer Sinn auf, und schon im Frühjahr 1817 sprach er im „Allgemeinen Anzeiger“ den Gedanken aus: „Wenn durch die Vereinigung aller deutschen Fabriken und Manufacturen für gemeinschaftliche Zwecke eine Versicherungsanstalt gegen Feuersgefahr zu Stande käme, so würde der Ueberschuß der Prämie dem gemeinsamen Vaterlande und den Fabriken unter sich durch diese Anstalt erhalten sein; wie die Sachen gegenwärtig stehen, bleibt dieser Ueberschuß der Phönix-Assecuranz-Societät in London.“ Im folgenden Jahre führte ihn ein eigenthümliches zufälliges Ereigniß zu dem Entschlusse, den Gedanken zur Ausführung zu bringen. Es sei mir vergönnt, nach Hopf’s oben erwähnter Festschrift Arnoldi’s eigene Erzählung des merkwürdigen Zufalls und sein ihn schilderndes sinniges Gedicht hier wiederzugeben:

„Als ich 1818 mich in Köln aufhielt, wurde durch den Umstand, daß ich auf dem Wallgrunde im Brandschutt einen Boraciden von seltener Größe und Schönheit fand, der Gedanke in mir angeregt, welcher zur Begründung der Feuerversicherungsbank führte. Am nämlichen Tage vertauschte ich den Krystall gegen eine in Eisen geschnittene Antike, welche ein junger Mann mir zudringlich dafür anbot. Ich habe sie seitdem wie ein Kleinod bewahrt.

Auf Kölns, der alten Reichsstadt, Festungswerken
Ergeh’ ich mich, und auf dem alten Grund,
Der neue Wälle hülfreich soll verstärken,
Und thu’, im Schutte schwankend, einen Fund.
Aus Brandestrümmern, seitwärts ausgeschieden,
Trifft mich der Glanz von einem Boraciden.

Und den Krystall bewundernd, fällt ein Kummer
Mir auf das Herz gleich einem Zauberdunst,
Erweckend aus dem jahrelangen Schlummer
Die Sorge um des blinden Glückes Gunst,
Dem wohl’ allein es füglich beizumessen,
Hat uns’re Hab’ der rothe Hahn vergessen.

Doch sieh! der Sorg’ entspringt ein schöner Funke
Und lodert auf zu einem reinen Licht;
In einen Phönix wandelt sich der Unke,
Der Kummer weicht dem heitersten Gesicht;
Denn ein Gedanke glänzt auf trübem Grunde
Und blitzt durch’s Aug’ und schwebet auf dem Munde.

Die Sonne taucht vom reinsten Abendhimmel
Gleich einer Braut erröthend in den Rhein;
Mein Ohr vernimmt nichts von der Stadt Getümmel;
Versunken bin ich mit dem Stern hinein
In’s Flammenmeer, und wie die Wellen blinken,
Glaub’ ich vom Strom ein Himmelslicht zu trinken.“

Nach Gotha zurückgekehrt, schritt er zur Ausführung des Gedankens, der „ihm durch das Auge geblitzt und auf dem Munde geschwebt“ hatte. In der Innungshalle wurde von ihm die Versicherungsfrage erörtert und die erkannte Nothwendigkeit verhandelt, dem deutschen Handelsstande ein weniger kostspieliges Versicherungsmittel gegen Feuersgefahr zu verschaffen, als Engländer, Franzosen und Deutsche in den bestehenden Anstalten darboten. Der Gedanke fand verdienten Beifall, Arnoldi aber blieb die Seele des Unternehmens. Vereinigung der Versicherungsbedürftigen zum Selbstbetriebe mittelst wechselseitiger Gewährleistung war die Parole. Die Grundsätze voller Gegenseitigkeit, der Selbstverwaltung und der Oeffentlichkeit wurden zur Basis des Ganzen genommen, als Gebiet des Unternehmens von vornherein ganz Deutschland angesehen, aber die Theilnahme aus Vorsicht zunächst nur auf Kaufleute beschränkt, bei welchen ohnehin die Bedürfnißfrage am meisten vorlag. Unter dem 18. August 1819 wurden, von Arnoldi verfaßt, diese „Vorschläge zur Errichtung einer Feuerversicherungsbank für kaufmännische Waarenlager, Kaufmannshäuser und das Mobiliar derselben“ von sechszehn Gothaischen Firmen im „Allgemeinen Anzeiger“ der Kritik der deutschen Kaufmannswelt unterstellt.

„Anders würde es sein,“ so heißt es in den Vorschlägen, „wenn an die Stelle von Versicherungsgesellschaften eine Versicherungsbank tritt, deren Theilnehmer zugleich Versicherer und Versicherte sind und die an der Spitze der Verwaltung ihrer Bank nur Männer ihrer Wahl erblicken; es kann eine allgemeine deutsche Versicherungsanstalt zum Vortheil der Banktheilnehmer und des deutschen Vaterlandes daraus hervorgehen; die Idee ist keine Frucht engherziger Gewinnsucht, vielmehr könnte sie einem unscheinbaren, aber Segen verheißenden Samenkorn, in deutsche Erde gelegt, verglichen werden.“

Unter eifriger Mitwirkung der Gesinnungsgenossen in anderen thüringischen Städten, namentlich in Erfurt, Langensalza, Eisenach und Arnstadt, kam die Versicherungsbank und ihre Verfassung zu Stande; sie erhielt die landesfürstliche Genehmigung, und mit froher Genugthuung konnte im November 1820 Arnoldi einem Freunde schreiben: „Die Versicherungsbank ist in Correspondenz mit ganz Deutschland und findet überall Eingang und Anerkennung; ein solches Kind macht Freude.“

Mit Neujahr 1821 wurde die „Feuerversicherungsbank für den deutschen Handelsstand“ eröffnet. Sie war die erste große deutsche Nationalanstalt. In einer Zeit, in welcher von der herrschenden Metternich’schen Politik der deutsche Gedanke im deutschen Vaterlande politisch geächtet war, war diese Versicherungsbank, als die freie That deutscher Bürger, die erste große, ganz Deutschland umfassende wirthschaftliche Schöpfung. Arnoldi, der Schöpfer des Werkes, war auch sein erster erwählter Director. Schon am Schluß des ersten Geschäftsjahres berechneten sich die Versicherungen auf 13,500,000 Thaler, die Zahl der Policen auf 1804 mit etwa 54,000 Thaler Prämieneinnahme und es konnten 31 Procent als Ueberschuß zurückgewährt werden. Trat auch Arnoldi am 10. Februar 1822 von der Direction zurück, seine Schöpfung gedieh auf den von ihm erhaltenen soliden Grundlagen weiter, und nachdem im Jahre 1830 die Bank, welche inzwischen unter allen Ständen bedeutenden Anhang gewonnen, zu einer „Feuerversicherungsbank für Deutschland“ sich erweitert hatte, wurde im Jahre 1834 dem Begründer des großen Vereins von dessen Mitgliedern eine Ehrengabe dankbar dargebracht.

Die nach der Niederlegung der Direction gewonnene Muße gab Arnoldi die Möglichkeit, sich der Erwägung und Ausführung eines gleich großen, ja noch großartigeren Projectes zu widmen: der Begründung einer Lebensversicherung auf derselben

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 344. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_344.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)