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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)


der Wildparkstation von Norden nach Süden in senkrechter Richtung zu jener über den zum Theil mit Klinkern gepflasterten, zum Theil mit Rasenbeeten bedeckten Hof, die sogenannte „Mopke“, zwischen der Rückseite des Neuen Palais und den Communs, hinwegführt. Die letzteren sind zwei durch eine korinthische Säulenhalle verbundene Schlösser, welche früher die Wohnungen der Hofcavaliere und Hofdamen enthielten, jetzt als Caserne des Lehrbataillons benutzt werden. Die Anlagen hinter den Communs (das ist westlich des genannten Fahrwegs) sind die eigentlichen Vorrathskammern für die Schmuckanlagen vor dem Palais und nach den speciellen Anordnungen der Kronprinzessin von dem königlichen Hofgärtner Sello (seit 1864) eingerichtet worden. Hier finden sich in dem einen Quartier die zartesten Blumenarten – englische Veilchen, Reseden, Primeln, Rosen etc. – beetweise mit einander abwechselnd;


Kinderfest im Garten des Neuen Palais.


in dem anderen eine Baumschule für die schönsten Waldbäume, in welcher die jungen Stämmchen ebenfalls gruppenweise geordnet und theils von der Frau Kronprinzessin selbst gezogen, theils unter ihrer Leitung von den jungen Prinzen gesetzt wurden.

Durch diese Anlagen hinter den Communs hat der Kronprinz eine vierfache Lindenallee führen lassen, welche bei dem Römischen Triumphbogen in der Colonnade zwischen den beiden Commnusschlössern beginnt und gewissermaßen die Fortsetzung der Hauptallee von Sanssouci hinter dem Neuen Palais bildet.

Unmittelbar vor der Hauptfront des Neuen Palais liegt ein halbkreisförmiges Rasenparterre, welches von hohen Orangebäumen umgeben und durch die Hauptallee von Sanssouci in zwei Viertelkreise getheilt wird. Auch dieses Parterre ist nach den eigenen Zeichnungen der Frau Kronprinzessin von dem Hofgärtner Sello mit zierlichen Blumenrabatten geschmückt worden. Um das halbkreisförmige Parterre legen sich die von hohen, geschorenen Buchshecken eingerahmten verschiedenen Reviere des Gartens. Die Quartiere südlich des Hauptweges sind als Obstgärten nach englischem Muster eingerichtet worden. Hier werden die edelsten Obstsorten gepflegt und geerntet. Der größte Theil der Bäume ist von den kronprinzlichen Herrschaften selber gepflanzt.

Die nördlichen Quartiere, vor dem von den kronprinzlichen Herrschaften bewohnten Nordflügel des Palais, sind die eigentlichen Schmuckgärten. Hier sind die durch hohe Laubwände von den großen Parkwegen abgeschlossenen, stillen Gärtchen mit duftigen Bosquets und glatten Rasenteppichen, mit zierlichen Vasen und kleinen Springbrunnen, mit Rosenlauben und Nischen, wo die hohe Frau sich ganz dem Glücke des Familienlebens widmet. Ihre Lieblingsplätze sind so gewählt, daß sie zugleich die Gärten und Spielplätze der Kinder vor Augen hat. Neben dem Theehäuschen mit dem eigentlichen Heimgarten der Kronprinzessin ist der Obstgarten für die Kinder eingerichtet mit reichtragenden Johannisbeer- und Stachelbeersträuchern, Himbeeren, Erdbeeren und Obstbäumen. Aber wer genießen will, muß auch pflanzen; selbst müssen die Kinder unter der mütterlichen Leitung für die Unterhaltung ihrer kleinen Lustgärten Sorge tragen.

Ueberall ist mit dem Angenehmen das Nützliche verbunden. Zwischen den Blumengärten liegt ein Apotheken- und Kräutergarten, welcher eine Sammlung der heilsamen und schädlichen Kräuter – Fenchel, Anis, Kümmel, Thymian, Salbei, Wermuth, Hollunder etc. – in verschiedenen Abtheilungen zur Unterweisung der Kinder enthält, die eigene Schöpfung der sorglichen Hausfrau.

Ein freier, weiter Rasenplatz, von alten Eichen und dunkeln Blutbuchen begrenzt, von hohen Linden beschattet, ist der Spiel- und Tummelplatz der kronprinzlichen Kinder. Zwei junge Eichen in der Nähe, welche, wie die daran hängenden Täfelchen besagen, vom Kronprinzen und der Kronprinzessin am 18. October 1873 gepflanzt sind, haben vielleicht die Bestimmung, noch späten Nachkommen Schatten zu geben. In einer Ecke sind Turngerüste, Barren, Reck und Schaukel aufgestellt; daneben ist im düsteren Grün der Tannen der Schießstand für Bolzenbüchsen mit Schießhütte und Graben angelegt. In einem anderen Theile des Platzes erhebt sich eine nach allen Regeln der Befestigungskunst erbaute kleine Schanze mit Graben und Palissaden, davor Laufgräben im Zickzack vorschreitend, Schanzkörbe und Faschinen. Hier lernen die jungen Prinzen unter der Leitung erfahrener Militärs spielend die Künste des Krieges, den Bau der Schanzen, die Belagerung und Vertheidigung der Festungen, und das Auge des Vaters folgt mit Wohlgefallen ihrem emsigen Treiben. Auch für sie könnte ja die Zeit kommen, da die Spiele der Jugend einen ernsten Nachhall im Leben finden und die jungen Hohenzollernaare den alten Wahlspruch „Nec soli cedit“ („Auch der Sonne weicht er nicht“) zu bewähren haben.

Auch die Flotte ist vertreten. Nur wenige Schritte von jenem dem Mars geweihten Platze steht ein vollständig aufgetakelter Mastbaum mit Raaen und Stengen. Er ist dem kleinen Maste der „Hela“ genau nachgebildet. Matrosen der kaiserliche Marine ertheilen hier den jungen Prinzen praktischen Unterricht, und oft sieht man den Prinzen Heinrich sich auf den Raaen schaukeln oder an den schwanken Strickleitern bis zur höchsten Spitze des Mastes emporklimmen.

Für die jungen Prinzessinnen und ihre Gesellschafterinnen ist eine Rasenfläche nördlich des Schlosses zum Criquetspiele eingerichtet.

Aber nicht allein für die kronprinzlichen Kinder sind die

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 726. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_726.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)