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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)


Es möchte deshalb an der Zeit sein, unsern Lesern ein Bild jenes vor Salonichi vereinigt gewesenen Geschwaders, wie es für die „Gartenlaube“ von einem der tüchtigsten Marinemaler nach der Natur angenommen worden, hier vor Augen zu führen.

Ist es auch nur ein Theil, und zwar der kleinere Theil, der deutschen Schlachtenflotte, aus dem jenes Geschwader formirt worden, so gewährt dasselbe gleichwohl in seiner von unserem Maler naturgetreu wiedergegebenen Aufstellung einen recht imposanten Anblick, und der müßte kein Deutscher sein, der davon nicht von Freude erfüllt würde. Leider läßt sich hier im Bilde nur das Aeußere wiedergeben, während es doch hauptsächlich die vortreffliche Ausrüstung und Armirung der Fahrzeuge und deren Führung durch die tüchtigsten Officiere, sowie die exacte Ausbildung der ebenso gut geschulten wie disciplinirten Mannschaften ist, durch welche unsere doch immerhin noch junge Seemacht selbst ihren schlimmsten Neidern im Auslande Achtung eingeflößt und offene Anerkennung abgenöthigt hat.

Und mit welchem Jubel wird erst das Erscheinen der deutschen Kriegsflagge von unseren deutschen Landsleuten in fernen, fremden Landen begrüßt, wie wird von ihnen jede Ankunft eines deutschen Kriegsfahrzeuges als ein schon monatelang vorher ersehntes und erwartetes Ereigniß hochgefeiert! Haben sie doch auch alle Ursache zu solchem Jubel und solcher Freude. Ist der deutsche Aar doch schon überall und soweit der Kiel eines Schiffes bis in die fernsten Meere nur zu dringen vermag, eine feste Burg geworden für die Deutschen und das deutsche Recht, und nicht mehr, wie sonst, sind unsere Handelsschiffe der Raublust barbarischer Piraten und Strandräuber, die in fernen Zonen ansässigen Landsleute nicht mehr der Willkür fremder Machthaber schutz- und hülflos preisgegeben, wie das noch vor zwei Decennien, ja in uns noch näher liegenden Zeiten der Fall war.

Doch wenden wir uns nun zur Betrachtung unseres Bildes. Das vor uns sich ausbreitende Geschwader besteht aus neun Kriegsfahrzeugen, nämlich vier Panzer-Fregatten „Kaiser“, „Deutschland“, „Friedrich Karl“ und „Kronprinz“; einer Glattdecks-Corvette „Medusa“; einem Kanonenboot der Albatroß-Classe „Nautilus“, zwei Kanonenböten erster Classe „Komet“ und „Meteor“ und endlich einem Dampf-Aviso „Pommerania“, der zugleich dem Geschwader als Tender dient. Dieses letztere Fahrzeug ist ein Raddampfer, alle vorher genannten Schlachtschiffe sind Schraubendampfer.

Der Commandant des Geschwaders befindet sich an Bord des „Kaiser“. Dies sagt uns nämlich die viereckige Flagge, ein schwarzes Kreuz im weißen Felde zeigend, welche am hinteren, dem Kreuzmaste, dieser Panzerfregatte aufgehißt ist und zugleich bekundet, daß ein Contre-Admiral (bekanntlich der Contre-Admiral Batsch) das vor uns liegende Geschwader befehligt.

Zur Orientirung für unsere mit den Gebräuchen und der Rangordnung in der Marine nicht bekannten Leser wollen wir hier einschalten, daß Rang und Flagge der höheren Seeofficiere folgende ist:

1) Der Admiral (im Range eines commandirenden Generals der Landarmee) führt die Flagge (viereckig mit schwarzem Kreuz im weißen Felde) am mittleren, dem Großmast, seines Schiffes;
2) der Vice-Admiral (im Range eines Generallieutenants) führt dieselbe Flagge, aber am vordersten, dem Fockmast, seines Fahrzeuges;
3) der Contre-Admiral (der den Rang eines Generalmajors der Landarmee einnimmt) läßt die gleiche Flagge, wie schon oben erwähnt, am hinteren, dem Kreuzmaste, seines Schiffes wehen;
4) ein Capitain zur See (Commodore, im Range eines Obersten der Landarmee) führt den Commodore-Stander, das ist eine ausgezackte, weiße Flagge mit schwarzem Kreuze am mittleren, also dem Großmaste.

Diese vier Officiere heißen deshalb Flaggofficiere, weil sie zum Zeichen ihres Ranges eine Flagge führen, während allen übrigen Schiffsbefehlshabern nur gestattet ist, einen ganz langen und schmalen, vorn ausgezackten Wimpel zu führen.

Was das soeben am Großmaste des Flaggschiffs „Kaiser“ gehißte Signal bedeutet, ist uns einstweilen noch unbekannt, da uns das zur Erklärung nöthige Signalbuch nicht zur Hand ist, doch können wir es leicht errathen,[WS 1] wenn wir ein wenig aufmerken, und da haben wir’s wohl auch schon; es heißt vermuthlich: „Bramsegel festmachen!“

Für unsere seebrauchsunkundigen Leser sei hier noch bemerkt, daß außer dem internationalen Flaggensystem, vermittelst dessen sich die Schiffe aller Nationen mit einander verständigen können,[1] jedes Land für seine Kriegsmarine auch noch ein eigenes Signalsystem hat, das streng geheimgehalten wird und werden muß und bei einer befürchteten Entdeckung sofort sich ändern läßt. Viele dieser mit Recht streng verborgenen Signalbücher sind in Blei gebunden, um sogleich über Bord geworfen und in’s Meer versenkt werden zu können, falls ein Schiff vom Feinde genommen wird.

Wer noch niemals ein Seeschiff, zumal ein größeres Kriegsfahrzeug, gesehen hat, der wird sich schwerlich einen auch nur annähernd richtigen Begriff von der Größe und Ausrüstung, vor Allem aber der regelrechten Leitung eines solchen See-Ungethüms machen können. Raum und Zeit sind uns aber heute so knapp zugemessen, daß wir unseren Lesern leider eine näher eingehende instructive Beschreibung der einzelnen uns bildlich vor Augen geführten Schlachtschiffe, so interessant dieselbe auch für sie sein möchte, hier nicht mehr zu geben vermögen. Wir müssen uns das für eine spätere gelegentliche Spazierfahrt nach den deutschen Kriegshäfen noch vorbehalten und uns für diesmal darauf beschränken, Alter, Stärke und Kampffähigkeit unserer Geschwader-Fahrzeuge, soweit es möglich ist, hier noch anschaulich zu machen.

1) Das Flaggschiff „Kaiser“, mit dem Geschwader-Chef, Contre-Admiral Batsch, an Bord, commandirt vom Capitain zur See Freiherrn von der Goltz, ist am 19. März 1874 vom Stapel gelassen. Es hat 458616/94 Tonnen Gehalt und eine Maschine von 8000 nominellen Pferdekräften. Seine etatmäßige Besatzung besteht aus sechshundert Mann. Es führt acht lange Sechsundzwanzig-Centimeter-Kanonen in Rahmenlaffeten und eine lange Einundzwanzig-Centimeter-Ringkanone in Kajütslaffete. Außerdem hat es noch vier schwere Acht-Centimeter-Stahlkanonen auf zweiräderigen Laffeten als Landungsgeschütze an Bord.
2) Die Panzerfregatte „Deutschland“, zur Linken des „Kaiser“, hat die gleiche Größe, Armirung und Bemannung, wie dieser. Sie machte ihren Stapellauf am 12. September 1874. Commandant ist der Capitain zur See Mac-Lean.
3) Der Aviso „Pommerania“, der zwischen beiden genannten Schiffen sichtbare, unserem Geschwader als Tender beigegebene Raddampfer, hat 400 Tonnen Gehalt und eine Maschine von 700 nominellen Pferdekräften. Er ist im Jahre 1870 von der Marineverwaltung angekauft, hat eine etatsmäßige Besatzung von vierundvierzig Mann und wird zur Zeit vom Capitain-Lieutenant Georgi befehligt.
4) „Friedrich Karl“, dem „Kaiser“ zunächst, ist gleich diesen Panzerfregatte und am 16. Januar 1867 vom Stapel gegangen. Sein Tonnengehalt ist 4003; seine Maschine hat 3500 nominelle Pferdekräfte. Er führt fünfzehn kurze Einundzwanzig-Centimeter-Ringkanonen und eine lange Einundzwanzig-Centimeter-Ringkanone in Rahmenlaffeten. Außer diesen hat er vier schwere Acht-Centimeter-Stahlkanonen auf zweirädrigen Laffeten (Landungsgeschütze) an Bord. Seine etatsmäßige Besatzungsstärke ist fünfhundert Mann. Commandant ist Capitain zur See Przewinsky.
5) „Kronprinz“, eine am 6. Mai 1867 vom Stapel gelaufene Panzerfregatte, hat 3404 Tonnen Gehalt und seine Maschine 4800 nominelle Pferdekräfte. Etatsmäßige Armirung und Besatzungsstärke ist die gleiche wie beim „Friedrich Karl“. Commandant ist Capitain zur See Livonius.
6) „Nautilus“, dem vorhin genannten Panzer zunächst liegend, ist ein Kanonenboot der Albatroß-Classe, von 60125/94 Tonnengehalt mit einer Maschine von 600 nominellen Pferdekräften. Er ist am 31. August 1871 vom Stapel gelassen. An Geschützen führt er zwei kurze Fünfzehn-Centimeter-Ringkanonen in Rahmenlaffeten und zwei Zwölf-Centimeter-Ringkanonen in Brookwelllaffeten. Er hat eine etatsmäßige Besatzungsstärke von fünfundneunzig Mann. Commandant ist Corvetten-Capitain von Valois.
  1. Signalflaggen unterscheiden sich durch Form, Farbe und Farbenzusammenstellung von einander, und zwar kommen „Flaggen“, dreieckige „Stander“ und lange „Wimpel“ dabei zur Anwendung.
  2. Anmerkungen (Wikisource)

    1. Vorlage: erratheu
    Empfohlene Zitierweise:
    Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 656. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_656.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)