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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

tönt, um so größer ist ihre Freude. Der Beachtung werth erscheint es mir, daß die Trommel in irgend welcher Gestalt bei fast sämmtlichen auf tiefer Entwickelungsstufe stehenden Menschenstämmen sich befindet, also jedenfalls zu den ursprünglichsten Tonwerkzeugen gezählt werden muß.

Bei innigem Umgange mit einem wohlerzogenen, um nicht zu sagen gesitteten Schimpansen, kann es wohl geschehen, daß man das Thier in ihm, wenn nicht beständig, so doch für Augenblicke vergißt. Ein solcher Affe lebt sich nach und nach in der Familie ein, nimmt menschliche Sitten und Gewohnheiten an, geberdet sich in vieler Beziehung einem Menschen täuschend ähnlich, lernt beständig Neues und wird mit jedem Jahre verständiger und geistig reifer. Ob sich dies für alle Altersstufen des Menschenaffen sagen läßt, steht dahin. Wenn man den Schädel eines alten Gorilla betrachtet, ist man geneigt, es zu bezweifeln, ob man aber wirklich dazu ein Recht hat, läßt sich schwer sagen. Ein stichhaltiger Grund für ein geistiges Zurückgehen der Menschenaffen mit zunehmendem Alter läßt sich nicht anführen, und die Beobachtung anderer Affen gestattet in keiner Weise eine daraus hinausgehende Schlußfolgerung. Makaken und Paviane, welche wir viele Jahre pflegen und beobachten konnten, von denen wir bestimmt wissen, daß wir alte, ja zum Theil greisenhafte Thiere vor uns haben, nehmen mit dem Alter unbedingt an Verstand zu, und gut erzogene Affen vervollkommnen sich auch in denjenigen Beziehungen, welche wir, vom Menschen sprechend, sittliche nennen: sie verbessern, sie veredeln sich, soweit der alte Adam in ihnen es gestattet. Warum sollte dies bei Menschenaffen anders sein? Warum sollten sie, hinderte die böse Lungenschwindsucht, welche sie bei uns ausnahmslos dahinrafft, ihr Gedeihen nicht, unter Pflege, Obhut, Lehre und Unterricht des Menschen nicht eben dasselbe werden können, was der Hund geworden ist, dessen Ahnen Wolf und Schakal, Alpenwolf und Buansu waren und wie sie sonst alle heißen mögen, die wilden Kläffer, welche wahrhaft herzlich wenig gemein haben mit unserem treuesten Diener, unserem allzeit bereiten Gehülfen, unserem demüthigen Genossen, unserem Freunde, unserem Geschöpfe!?

Bis hierher darf wohl auch derjenige Naturforscher gehen, welcher einzig und allein die strenge Beobachtung des Thatsächlichen anerkennt und sich nicht verleiten läßt zu Schlußfolgerungen, für welche die Beobachtung keinen Anhalt gewährt. Und somit darf ich vielleicht mit folgenden Worten schließen: Menschen sind sie nicht, die Menschenaffen; ob sie unsere Vorgänger waren, ob unsere Vorfahren ihnen glichen, wissen wir einstweilen noch nicht, aber als eines thierischen Stammes mit uns, als unsere nächsten Verwandten werden sie jederzeit und von jedem Thierkundigen aufgefaßt werden müssen. Denn unsere nächsten Verwandten sind sie und werden sie sein und bleiben. Ob durch diese Wahrheit das Bewußtsein des Menschen in irgend einer Weise geschädigt wird, ob es nöthig erscheint, in ingrimmigen Zorn zu gerathen, wenn über Affen geschrieben oder gesprochen wird, ob der Abscheu vor der Verwandtschaft in thierkundlichem Sinne gerechtfertigt oder nicht: dies zu entscheiden überlasse ich nach Vorstehendem dem Urtheile aller vernünftigen Leser.[1]




Marbach und die Enthüllung des Schiller-Denkmals.


Von E. Vely.


I.


„Muntre Dörfer bekränzen den Strom, in Gebüschen verschwinden
Andre, vom Rücken des Bergs stürzen sie jäh dort herab.
Nachbarlich wohnet der Mensch noch mit dem Acker zusammen – –“

Fernab vom Weltgetriebe liegt das Städtchen, von welchem aus ein Stern aufging, der seine Strahlen über den ganzen Erdkreis sandte – das kleine Marbach, genannt und bekannt, soweit deutscher Sinn reicht und deutsche Zunge klingt.

Von Ludwigsburg, dem einstigen „schwäbischen Versailles“ zur Zeit seiner Rococopracht unter den Herzögen Eberhard Ludwig und Karl Eugen und dem heutigen „württembergischen Potsdam“, sind es noch fast zwei Stunden bis zu Schiller’s Geburtsort, aber ein anmuthiger, abwechselungsreicher Weg ist es, theilweise am Neckar entlang, der silberblitzend sich durch die Fluren windet, von Weinbergen und sanften Hügeln begrenzt. Malerisch senkt sich das Dorf Neckarweihingen an das Flußufer hinab, dann weicht die Fahrstraße ab vom freundlichen Strome, bis sie endlich, eine große Biegung machend, wieder an ihn hinan tritt. Noch ragen im Hintergrunde die Thürme von Ludwigsburg empor, aber vor uns auf der Höhe winkt bereits Marbach; seine kleinen, bescheidenen Häuser ziehen sich hinunter bis zum Neckar, als wollten sie sich in seinem klaren Spiegel betrachten.

Obwohl mauerumfriedigt und als Stadt geltend, bietet Marbach doch einen ganz ländlichen Anblick, aber der alte Ort hat mehr Geschichte, als man beim flüchtigen Schauen glaubt. Mauerreste deuten auf römische Niederlassungen; mehrere Straßen zweigten sich von hier aus ab. Im zehnten Jahrhundert war „Villa Markbach“ als Grenzort im Besitze eines Bischofs von Speier, und im dreizehnten kam es an Württemberg.

Vielfach hat der Schlachtenlärm um Marbach getobt, im Bauernkriege, im schmalkaldischen und im dreißigjährigen, und endlich fiel die Stadt 1693 der Habgier der Franzosen anheim, welche sie ausplünderten, die Einwohner vertrieben und dann die Häuser niederbrannten.

Nur allgemach erstand das Städtchen auf’s Neue, und kaum im Aufblühen litt es schon wieder unter den Einquartierungen und Truppendurchzügen des siebenjährigen Krieges. Mit diesem beginnt die Geschichte der Schiller’schen Familie in Marbach. Am 14. März 1749 wanderte Schiller’s Vater in die Neckarstadt als Regiments-Chirurgus ein.

Herrn Johann Caspar, dessen Biographie wir hier nur in Bezug auf Marbach in kurzen Strichen wiedergeben, da sie als bekannt vorausgesetzt werden darf, hatte es weidlich in der Welt umgetrieben, auch in ihm steckte ein großer Theil jenes bekannten Wandermuthes der Schwaben, welcher schon im dreizehnten Jahrhunderte in einer Wiener Handschrift erwähnt wird:

„Wenn der Schwab’ das Licht erblickt,
Wird er auf ein Sieb gedrückt,
Spricht zu ihm das Mütterlein
Und der Vater hinterdrein:
So viel Löcher als da sind
In dem Siebe, liebes Kind,
So viel Länder sollst Du sehen,
Dann magst Du zu Grunde gehen.“

In Bittenfeld bei Waiblingen geboren, hatte Caspar Schiller sich der Heilkunde zugewandt und war als Chirurg gewandert. In Nördlingen trat er in ein Husarenregiment, das unter den Kaiserlichen in Holland gegen Frankreich kämpfen sollte. Ueber drei Jahre, bis zum Aachener Friedensschluß, blieb er als Regimentsscheer unter dem lustigen Soldatenvolke, sah Haag und Amsterdam, machte einen Abstecher nach London und zog dann endlich wieder der Heimath zu.

In dem kleinen Marbach wohnte eine Schwester Caspar Schiller’s; sie zu besuchen, kam er nach dort und fand – die Lebensgefährtin. Dem hübschen Wirthstöchterlein vom „Goldenen Löwen“, Elisabeth Dorothea Kodweis gelang es, den wanderlustigen Kriegsmann zu fesseln, sodaß er nichts anderes wünschte, als sich ein behaglich Nestchen in Marbach einzurichten.

Noch heute steht unweit des ehemaligen Niklas-Thores die „Herberge zum goldenen Löwen“, damals ein stattliches Besitzthum; neben dem Gewerbe als Gastwirth trieb der Eigenthümer desselben das Bäckergeschäft (Wirth und Bäcker in einer Person findet man auch jetzt noch überall in Schwaben) und war zugleich herzoglicher Holzinspector beim Floßwesen.

Nicht lange durfte der stramme, weitgereiste Regimentsfeldscheer

  1. Wir benutzen diese Gelegenheit, um auf die vielen an uns gerichteten Anfragen zu erwidern, daß sich Dr. Brehm augenblicklich in Begleitung des Dr. Finsch und Graf Waldburg-Zeil auf der vom Bremer Polarverein veranstalteten Forschungsreise in Westsibirien befindet und uns freundlichst zugesagt hat, den Lesern unseres Blattes die Resultate seiner naturwissenschaftlichen Forschungen in einigen instructiven Schilderungen mitzutheilen.
    D. Red.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 286. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_286.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)