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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

Wir wandeln zwischen den Reihen hin nach der Höhe der neuen Abtheilung des Friedhofes. Dort fällt uns ein neues, schönes Grabmal in die Augen; wir stehen am Grabe eines lieben Freundes, eines wackeren, deutschen Mannes, eines echten deutschen Künstlers, am Dichtergrabe Alexander Rost’s. Wenige Monate, nachdem die „Gartenlaube“ (1874, Nr. 39) in dem Artikel „Ein Thüringer Dichter“ durch die Feder Albert Traeger’s der gesammten gebildeten Welt ein treues, warmes Bild vom Leben und Wirken Rost’s gegeben, wenige Monate, nachdem sein letzterschienenes Werk, das Charaktergemälde „Der ungläubige Thomas“ unter lebhaftem Beifalle über die deutschen Bühnen gegangen, schloß der Dichter die Augen für immer. In der Mitte des Monats, in welchem er sonst im Weimarischen Parke unter jugendfrischem Grün und Blumenduft auf stiller abgelegener Bank zu ruhen und zu dichten pflegte, am 18. Mai 1875, wurde er hier unten zur ewigen Ruhe bestattet.

Die „Gartenlaube“ brachte ihren Lesern in Nr. 22 des Jahrgangs 1875 die Nachricht von dem Verluste, welchen durch seinen Tod die deutsche, vaterländische Kunst erlitten, und schloß mit der Mahnung: „Ihn, unsern Alexander Rost, ehre die Bühne und das Volk durch treue Pflege und Verbreitung seiner Werke! Namentlich das Letztere würden wir als die würdigste Liebesgabe für den Dichter preisen, weit höher, als den Denkmalstein, mit welchem nur allzuoft die Theilnahme für den Todten sich für immer abfindet.“ Doch nein, die Geschichte jenes Grabmals selbst beweist, wie warm die Sympathieen sind, welche sich der Verewigte in allen Ständen und Kreisen durch seine kernigen dramatischen Dichtungen erworben hat. Der Verleger der letzteren, Dr. Panse in Weimar, hat das Verdienst, die schöne Idee in’s Leben gerufen zu haben, indem er den Ertrag eines namhaften Theils jenes Verlags diesem Zwecke widmete; das Publicum hat diesen Act der Verehrung für den volksthümlichen talentvollen Dichter theilnehmend unterstützt, und schon im Sommer 1875 konnte sich das Denkmal, vom Bildhauer Linsenbarth geschmackvoll ausgeführt, auf Weimars Friedhofe erheben. Der Platz, welchen die letzte Ruhestätte unseres Rost und sein Denkmal einnimmt, entspricht ganz dem Wesen des Mannes, der still hier schlummert. Links drüben ruht in der Fürstengruft der Altmeister Goethe, dessen Werke die Grundlage seiner Bildung und seines poetischen Strebens geworden, – ruht auch der große Mann, den er sich allezeit zum Muster und Vorbild genommen, der unsterbliche Schiller. Von rechts her schauen die bewaldeten Höhen des Ettersbergs herüber, und weithin schweift das Auge über ein anmuthiges Thal des Thüringer Landes, des Landes, von dem Dingelstedt singt:

Thüringen, Deutschlands ewig junges Herz,
Hat stets, in guten und in bösen Tagen,
Nicht für die Kunst allein in Spiel und Scherz,
Nein, auch im Ernst für Licht und Recht geschlagen.

Und unser Rost war ein echter, wahrer Thüringer, und war es nicht nur im ganzen Leben, sondern ist es auch in jeder Zeile aller seiner herzerquickenden Dichtungen. So wußte er, ein treuer Freund seiner Freunde, klar und tiefgemüthlich, bieder und heiter den geselligen Kreis geistig zu beleben; zur Erinnerung an jene Stunden schaut in der Restauration neben dem Theater über dem Platze, den er einst einzunehmen pflegte, sein lebenswahres Bild, von Freundeshand gestiftet, herab, als wollte er sich noch an der geselligen Unterhaltung mit anregendem Gespräche, mit derbem, aber immer harmlosem Witze, mit kernigem Worte betheiligen. Es ist das vortreffliche, lebenswahre Portrait, mit welchem Adolf Neumann in der Gartenlaube (1874, Nr. 39) alle Freunde und Verehrer des Dichters zu Dank verpflichtet hat. Und allezeit hat sein Herz „für Licht und Recht geschlagen“. Er kämpfte und rang dafür in den trübsten Zeiten unseres deutschen Vaterlandes; er jubelte aus vollem Herzen auf, als endlich das große Kriegs- und Siegesjahr die langersehnte Verwirklichung seiner heißen patriotischen Wünsche brachte; er blieb bis zum letzten Athemzuge von edler Vaterlands- und Freiheitsbegeisterung und von glühendem Hasse gegen pfäffische Verdummung des Volkes erfüllt.

Wie frische Waldluft vom Gebirge her weht diese Gesinnung durch seine Dramen, vom Volksschauspiel „Kaiser Rudolph in Worms“ an bis zum „Ungläubigen Thomas“. Von denselben Ideen ist auch sein letztes Drama getragen, vor dessen gänzlicher Vollendung ihn der Tod abgerufen hat. Den Heldenkampf Tirols zum Gegenstand, doch nicht Hofer selbst, sondern eine Verwandte desselben zum eigentlichen Helden nehmend, sollte es den Titel führen: „Das Weib vom Land Tirol“. Nach den Mittheilungen, welche mir der Dichter über die handelnden Personen und die dramatische Entwickelung der Handlung mündlich machte, versprach das Stück die vollendetste aller seiner Arbeiten zu werden; unzweifelhaft reiht es sich in poetischem Schwung und edler patriotischer Gesinnung seinen früheren Dramen würdig an. Auf einzelne Blätter geschrieben, bedarf diese seine letzte dramatische Arbeit noch der Ordnung und Vollendung. Möge sie ihr durch begabte Hand zu Theil werden und damit ein neuer edler Schatz für unser Volk gewonnen sein! – Gab und giebt es doch in der gesammten deutschen Literatur nur wenige dramatische Dichter, welche so in Schiller’s Geist, so kernig, markig und dabei so volksthümlich gedichtet haben, wie unser talentvoller Alexander Rost.

Mögen seine Dramen immer mehr Eingang im Volke, immer mehr Pflege bei den deutschen Bühnen finden! Dann wird nicht nur der Wittwe des Dichters die Hülfe, welche ihr das deutsche Volk als Dank schuldet, zu Theil, sondern auch dem verewigten Dichter selbst im Herzen und Andenken des gesammten Volkes ein noch edleres Denkmal geschaffen werden, als das sinnige Grabmal, welches Freundschaft und Verehrung ihm auf dem Friedhofe Weimars errichtet hat.

Robert Keil.




Geschichtskarten, die uns den Wandel der politischen Gestaltung der Reiche und Völker in der Vergangenheit in Landkartenbildern vor Augen führen, sind nicht nur ein wesentliches Hülfsmittel des Geschichtsunterrichts, sondern können, zur rechten Zeit dem Volke vorgehalten, auch sehr warm zu Herzen reden. Wir schlagen von dem uns vorliegenden neuesten historischen Atlas die Karte von „Mittel-Europa zur Zeit der höchsten Machtentfaltung Frankreichs im Jahre 1812“ auf. Wo ist da Deutschland? Verschwunden und verloren! Frankreich reicht von den Pyrenäen bis Lübeck im Norden und bis Terracina und Cattaro im Süden; zwischen ihm und den zerstückelten, im Kartenbilde kaum wiederzuerkennenden Preußen und Oesterreich breitet der „Rheinbund“ sich aus von der Ostseeküste Mecklenburgs bis zur italienischen Grenze Bayerns. Wie nahe stand damals unser Vaterland dem Schicksale Polens! Ja, solche Karten sprechen. Jede Landkarte wird durch die Zeit in eine Geschichtskarte verwandelt; unsere Karten von Deutschland vor 1866 und 1870 sind jetzt Geschichtskarten geworden. Da aber die Kartographie nach heutigen Ansprüchen nur bis 1790 und nach Mercator’s Projection bis etwa 1550 zurückreicht, so muß für alle Zeiten, aus welchen keine Karten des ehemaligen Landesbestandes vorhanden sind, von den Geschichtskundigen dieser Mangel ergänzt werden. Neuerdings zeichnet sich der Dietrich Reimer’sche Verlag durch seine historischen Atlanten aus, indem er dem bekannten „Atlas antiquus“ von Heinrich Kiepert einen neuen „Historischen Atlas zur mittleren und neueren Geschichte“ von Dr. Karl Wolff in Hildesheim folgen läßt. Der ersten Lieferung dieser gediegenen Arbeit gehört die oben genannte Karte an. Deutschland, dem Wolff schon 1872 seine große kartographische Darstellung der „geschichtlichen Bestandtheile des ehemaligen römisch-deutschen Kaiserreichs“ gewidmet, findet auch in dem neuen Atlas von achtzehn Karten besondere Berücksichtigung.




 Die heiligen drei Könige.

 (Mit Abbildung. S. 61.)[WS 1]

Zur stillen Zeit geht’s in der Ruh’
Der Kölner Domgruft seltsam zu.
Wo sie die Heiligenleiber verbergen,
Da regt es sich fröhlich in den Särgen:
Da steiget singend Herr Melchior
Mit dem frisch geputzten Stern hervor;
Der junge Herr Balthasar geigt wie zur Mette;
Herr Kaspar bläst die Clarinette.

„Das weiß in Köln ein jedes Kind,
Daß wir die heil’gen drei Könige sind.
Zur stillen Zeit wir auferstehen,
Von Dorf zu Dorf wallfahren gehen.
Macht auf die Thür, macht auf das Thor,
Die heil’gen drei Könige stehen davor!
Der Stern glänzt in Ehren, hell schallen die Weisen;
Nun gebt uns zu zehren, zu trinken und speisen!

Wir heil’gen drei Könige mit dem Stern,
Wir essen und trinken, bezahlen nicht gern.
Wir sind willkommen in frommen Landen
Als Könige und als Musikanten.
Doch weh’ uns Armen – kein Gottserbarm
Beschützt uns vor dem Herrn Gensd’arm,
Und die Ketzer rufen in allen Gassen:
Wir könnten uns wieder begraben lassen.

Es ist halt eine schlimme Zeit
Für uns’re Drei-Königs-Heiligkeit.
Sonst glaubten selbst die ältesten Weiber
An die drei heiligen Königsleiber:
Jetzt mag, mit verbotenem Heiligenschein,
Der Teufel ein heil’ger Drei-König sein!“ –
Das ist – o neue Reichsbeschwerde! –
Das Loos des Schönen auf der Erde!

 Fr. Hfm.




Ludwig Würkert. „Wenn der Leser diese Zeilen liest, sitzt Ludwig Würkert in seiner Gefängnißzelle auf Schloß Mildenstein bei Leisnig.“ So steht in Nr. 3 der „Gartenlaube“. Wir hatten die Absicht, dieses Blatt dem greisen Dulder zur Herzerfreuung in’s Gefängniß zu senden, das er am 11. Januar beziehen wollte. Da sprach, noch in der letzten Nacht vorher, um 11 Uhr, der Tod ihn von der Strafe frei. Ein Schlaganfall hatte rasch seinem prüfungsreichen Leben ein schmerzloses Ende gemacht. Das für ihn bestimmte Blatt der „Gartenlaube“ ist ihm in den Sarg gelegt worden. Nun ehrt der treue, tapfere Alte, der am 16. December seinen fünfundsiebenzigsten Geburtstag gefeiert hatte, anstatt das Gefängniß, den Gottesacker von Leisnig.



Kleiner Briefkasten.


O. v. M. in D. Sie bezweifeln die Wahrheit der in dem Artikel „Auf den Diensteid“ (Nr. 45 vorigen Jahrgangs: „Die Schäden der modernen Cultur“) berichteten Thatsache. Daß solche Ueberschreitungen noch immer vorkommen, wollen Sie aus einer Correspondenz des „Mainzer Anzeigers“ – in einer der ersten Nummern dieses Jahres – ersehen. Es heißt dort: „Eine Reihe von Mißhandlungen unglaublicher Art, verübt durch Agenten unserer Polizei, wird uns von den Opfern derselben mitgetheilt. Dieselben wurden wegen eines unbedeutenden Straßenlärms arretirt und in das Depot abgeliefert. Dort angelangt, wurden sie einem summarischen Verfahren unterworfen, welches sie, wie folgt, schildern: Nachdem wir ruhig hineingegangen waren, empfing man uns drinnen mit Faustschlägen, riß uns bei den Haaren, und schließlich regalirte uns der wachhabende Sergeant mit der Hundepeitsche.“ – Dies schließt übrigens nicht aus, daß von Seiten des Publicums oft ebenso rücksichtslos gegen die Beamten der Polizei vorgegangen wird.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: S. 69
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_076.jpg&oldid=- (Version vom 3.8.2022)