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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


gar nicht mehr um das Theater bekümmere, machen Sie daher mit meinem ‚Faust‘, was Sie wollen!

von Goethe.“     

Diese kalt ablehnende Zugeknöpftheit Goethe’s erregte unter den Mitgliedern des herzoglichen Hoftheaters einen wahren Sturm der Entrüstung, und es wurden in der Hitze sogar Vorschläge gemacht, die sich der öffentlichen Wiedergabe entziehen. –

In dieser verletzenden Weise von Goethe abgewiesen, machte sich Klingemann auf eigene Hand an’s Werk und stellte die treffliche Bearbeitung des „Faust“ her, wie sie noch heute auf allen Bühnen feststeht.

Am 19. Januar 1829 wurde der Goethe’sche „Faust“ zum ersten Male an der braunschweigischen Hofbühne aufgeführt.

Der Erfolg war ein durchschlagender. Es ist fast unbegreiflich, wie eine kunstgeschichtliche Thatsache von solcher Bedeutung nicht längst zur Kenntniß des internationalen Publicums gelangen konnte. Der Glaube, daß Goethe selbst es gewesen sei, der seinen „Faust“ zuerst in Weimar auf die Bühne brachte, existirt sogar noch bei vielen unserer jüngeren Schauspieler. Wir haben hier gezeigt, daß Goethe der Bühnendarstellung seines Meisterwerkes eher Hindernisse bereitete, als dieselbe förderte. Nach dem Erfolge freilich war Goethe loyal genug, die Klingemann’sche Bearbeitung des „Faust“ anzuerkennen. Braunschweig aber hat, dank einer Marotte seines excentrischen Herzogs Karl, das Verdienst, den „Faust“ von Goethe zuerst auf’s Theater gebracht zu haben. Marr wählte die Rolle des Mephisto zu allen seinen Gastspielen, und trug dadurch nicht wenig dazu bei, das Werk dramatisch populär zu machen. –

Nach dem Braunschweiger Erfolge fühlte sich Goethe denn doch veranlaßt, aus seiner Indolenz dem Theater gegenüber wieder herauszutreten. Am 29. August 1829, also etwas über sieben Monate nach der Braunschweiger Aufführung, wurde „Faust“ im Hoftheater zu Weimar gegeben. Herr Durand gab die Titelrolle, Karl von La Roche den Mephisto, Fräulein Karoline Lortzing das Gretchen. Die Vorstellung wurde aber erst am 7. November desselben Jahres wiederholt, und die dritte Aufführung fand erst am 17. November 1832 statt. In Braunschweig war Goethe’s „Faust“ dagegen ein Repertoirestück geworden.

In Hamburg fand die erste Faust-Aufführung am 29. Juni 1831 statt. Unsere zahlreichen Hamburgischen Leser dürfte die damalige Rollenbesetzung des Stückes interessiren. Sie war wie folgt:

Faust: Herr Schütz; Mephistopheles: Herr Marr (Beide als Gäste vom Braunschweigischen Hoftheater); Wagner: Herr Dupré; Margarethe: Demoiselle Le Gaye; Valentin: Herr Fehringer; Frau Martha: Madame Marschall; Brander: Herr Gloy; Frosch: Herr Lebrun; Altmayer: Herr Hollmann, der Aeltere; Siebel: Herr Mädel; Ein Schüler: Herr Mentschel; Eine Hexe: Madame Klengel; Ein böser Geist: Madame Lebrun; Der Erdgeist: Herr Lenz.

Das Feld der Reclame war in den zwanziger und dreißiger Jahren noch nicht so beackert, wie es heute ist. Durch die Presse schallten keine Posaunenstöße. Klingemann’s Verdienste um die Inscenirung werden noch heute an vielen Bühnen dadurch geehrt, daß man seinen Namen auf dem Zettel unsichtbar bleiben läßt, während der Name des zeitweiligen Regisseurs mit fetter Schrift sich wichtig macht. Auch hat in neuerer Zeit eine gewisse Arrangeurwuth Platz gegriffen, über die es erlaubt ist, verschiedene Aussichten zu haben. Wir haben die Faust-Tragödie schon mit einem solchen Aufwande von scenischen Aeußerlichkeiten gesehen, daß man versucht war, das Werk „Automaten und Nebelbilder. Mit Text von Goethe“ zu nennen.

Hat nun der Exherzog Karl von Braunschweig der Stadt Genf sein Geld und seine Diamanten hinterlassen, so hat seine Excentricität dem deutschen Theaterpublicum ebenfalls zu einem Juwel verholfen, und dieses Juwel heißt: Goethe’s Faust auf der Bühne.

W. Marr.




Blätter und Blüthen.

Der schottische Windhund. (Mit Abbildung Seite 685.) Der schottische Windhund oder Deerhound[1] ist eine der ältesten Hunderacen der britischen Inseln, und seine directe Abstammung von dem großen, nunmehr fast ausgestorbenen Irischen Wolfshunde ist nicht zu bezweifeln. Er war der Jagdhund der alten Kelten, während die Sachsen und Normannen den schwerfälligen Talbot oder Bluthund und den glatthaarigen Windhund einführten. Mit der Ausrottung der Wölfe auf den britischen Inseln ward der Wolfshund in Irland überflüssig und verschwand allmählich; im schottischen Hochlande fand er mit der zunehmenden Entwaldung des Landes als Deerhound Verwendung, indem er zum Hetzen des zahlreichen Rothwildes auf den weiten kahlen Bergen und Haidestrecken benutzt wurde.

Der heutige Deerhound ist immer noch eine stattliche Erscheinung von achtundzwanzig bis zweiunddreißig Zoll englisch Schulterhöhe. Von unserem gewöhnlichen Windhunde, und selbst von dessen rauhhaariger Varietät, unterscheidet sich der Deerhound in mancher Beziehung. Die größere Breite des Oberkopfes zwischen den Ohren, das große, schwarze Auge, der starke, mit einem vorspringenden Knebelbart gezierte Unterkiefer geben seiner Physiognomie einen ganz eigenthümlichen Ausdruck. Der lange, hagere Hals erweitert sich nach unten allmählich und geht unmerklich in den colossal entwickelten, tief hinabreichenden Brustkorb über. Der Rücken ist in der Nierengegend breit und leicht gekrümmt, die Hinterschenkel oft in ganz auffallender Stärke entwickelt. Mit Ausnahme der kurz und seidenweich behaarten Ohren ist das Haar am ganzen Körper zottig, rauh und von harter, drahtartiger Beschaffenheit, an der Unterseite der langen dürren Ruthe eine zerrissene Feder bildend. Der Fuß ist kurz, rund, mit derber Sohle. Die Färbung entweder röthlichgrau, sandgrau oder eisengrau, häufig mit weißlichem Bruststreif. Exemplare mit schwarzen Ohren, Nase und Augen, bei abweichender Färbung des übrigen Körpers, sind sehr geschätzt. Der Preis eines guten Exemplares variirt zwischen vierzig bis hundert Pfd. Sterl.

In früherer Zeit ward die Hetze mit dem Deerhound folgendermaßen ausgeübt. Der Jäger schlich sich – gefolgt von zwei aufgekoppelten Hunden – möglichst nahe unter Wind an das Wild und löste dann die Hunde, welche den Hirsch bald überholten und am Halse oder hinter den Schultern zu fassen suchten. Diese ersten Angriffe pflegte der Hirsch leicht abzuschütteln, bei zunehmender Ermüdung aber suchte er das nächste Wasser zu erreichen, wo er die Hunde mit dem Geweih leicht zurückweisen konnte. Die Hunde begnügten sich indeß meist damit, den Hirsch unter fortwährendem Lautgeben zu umkreisen, bis der Jäger herankam und den Hirsch entweder todtschoß oder in einer solchen Richtung aus seinem Asyl trieb, daß er die Hunde beim Fortstürmen nicht überrannte oder mit dem Geweih forkeln konnte. Die Hunde faßten den fliehenden Hirsch dann meist von der Seite und zogen ihn nieder, worauf ihn der Jäger mit dem Hirschfänger abfing.

Diese eigentlichen Hetzjagden finden nur noch selten Anwendung. Die meisten Hirschjäger ziehen es vor, das Rothwild mit der Büchse zu pürschen (to stalk, und der Deerhound wird erst nach dem Schusse, und nur dann auf das Wild gehetzt, wenn dasselbe noch flüchtig fortgeht. Der Deerhound folgt dem Wilde allerdings zumeist nach dem Gesicht, indeß braucht er die Nase doch bei Weitem mehr als der gewöhnliche Windhund. Man hat ihn daher in neuerer Zeit mit dem Fuchshunde gekreuzt, in der Absicht, seine Nase noch mehr zu verbessern und ihn auch auf „kalter Fährte“ gebrauchen zu können. Eine weitere Kreuzung mit dem schottischen Schäferhunde (Collie) ist ebenfalls häufig versucht. Der Zweck dieser Kreuzung ist für uns schwer verständlich, wenn man nicht etwa hofft, die den meisten Deerhoundzuchten erblich anhängende Neigung zum Anfallen der Schafe dadurch auszumerzen.

In Folge dieser Kreuzungsversuche war die reine Deerhoundsrace schon vor längeren Jahren fast verschwunden und nur noch im Besitze der Königin und einiger alter Adelsfamilien in Schottland. Inzwischen aber haben die großen Grundbesitzer Schottlands herausgefunden, daß sie ihre weitläufigen Territorien gar nicht besser verwerthen können, als wenn sie die – früher als Schafweide verpachteten – Districte wieder mit Rothwild bevölkern und als „Shooting-ground“ an reiche Engländer auf fünf bis sechs Jahre gegen ganz enorme Geldsummen überlassen. In Folge dieses plötzlichen Umschwunges der Verhältnisse mehren sich die Rothwildgehege im Hochlande in ganz überraschender Weise, und demzufolge ist auch die Liebhaberei für die Deerhoundsrace wieder im Steigen begriffen.




Eine Bitte an deutsche Frauen. Die Grundlage für ein gedeihliches Volks- und Einzelleben ist die Familie, die mit ihren tausendfachen Beziehungen den Menschen an seinen Nebenmenschen kettet. Alle Einrichtungen, die darauf hinauslaufen, Familienglück und Wohlstand zu befördern, haben daher in erster Linie Anspruch auf unsere volle Beachtung. Zu diesen Einrichtungen gehört unstreitig die der Lebensversicherung, welche es bekanntlich Jedem durch Zahlung von jährlichen, halb- oder vierteljährlichen Beiträgen (Prämien) möglich macht, daß nach seinem Ableben einer oder mehreren Personen ein bestimmtes Capital von der Versicherungsgesellschaft ausgezahlt wird. Die verschiedenen Institute versichern Summen von 1000 bis 50,000 Mark und darüber, und mir sind in meiner Praxis doch schon Leute bekannt geworden, die – selbstverständlich bei

  1. Deerhound (wörtlich: Wildhund), nicht zu verwechseln mit dem im Süden Englands gebräuchlichen Staghound oder Hirschhund. Letzterer ist kein Wind- oder Hetzhund, sondern ein Jagdhund oder Bracke, welcher in ganzen Meuten unter beständigem Lautgeben der Fährte des Wildes mit Hülfe der Nase folgt, während der schottische Deerhound, wie jeder andere Wind- oder Hetzhund, vorzugsweise nach dem Gesichte jagt und bei seiner überlegenen Schnelle das Wild bald überholt und niederzieht.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 695. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_695.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)