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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)


Zu diesen zählte als die „himmlische“ Schönheit die Gräfin Julie Zichy, als die „coquette“ die Gräfin Karoline Szecheny, als die „teuflische“ die Gräfin Saurma, als die „triviale“ die Gräfin Sophie Zichy, als die „blendende“ die Fürstin Esterhazy Roisin, und schließlich als die „einzige“ Schönheit, welche Liebe erweckt, die von dem Kaiser verehrte Fürstin Gabriele Auersperg.

Außer diesen Damen befanden sich noch einige andere in Wien, denen der Kaiser sehr schmeichelhafte Namen beilegte. Es waren dies die drei ältesten Töchter der Herzogin von Kurland, die Herzoginnen von Acerenza, Sagan und Hohenzollern, welche, obgleich vermählt, dennoch ohne ihre Männer den Congreß besuchten. Alexander nannte diese Damen die „drei Grazien“. Dieselben zeichneten sich allerdings durch große Schönheit, aber auch ebenso sehr durch eine offene Galanterie aus, und von ihnen war es die Herzogin von Sagan allein, welche auch mit allem Rechte Anspruch auf Geist, Verstand und Charakter machen konnte, während die anderen beiden sich mit dem Besitze ihrer Schönheit begnügen mußten. Ueberdies stand die Herzogin von Sagan auch den politischen Intriguen auf dem Congresse nicht fern, wie wir später erfahren werden.

Unbegreiflich bleibt es, daß der galante und kritisirende Kaiser für die hervorragendste und ohne Frage bedeutendste weibliche Erscheinung auf dem Congresse keine Beziehung fand oder sich darum bemüht zu haben scheint. Vielleicht ist der Grund davon darin zu suchen, daß diese Dame bei aller Schönheit und Jugend sich von den Festlichkeiten mehr fern hielt und ihre Geistesrichtung und ihr Benehmen sie den Galanterien unnahbar machte. Es war dies die später berühmte Gräfin Perigord, Herzogin Dino, die vierte Tochter der Herzogin von Kurland, welche, obgleich vermählt, Talleyrand als dessen Nichte, und zwar ohne ihren Gatten, begleitete. Sie machte in dem Salon dieses Staatsmannes die Wirthin und übte überdies eine bedeutende politische Thätigkeit auf dem Congresse aus.

Wir kommen nun zu den Damen der Salons. Die Salons waren auf dem Wiener Congresse von großer Bedeutung, und wir werden in ihnen die vorzüglichsten Erscheinungen der Damenwelt finden. Für Oesterreich waren die Salons, außer durch die Kaiserin Ludovica, durch die Prinzessinnen Marie Esterhazy, Colloredo, Liechtenstein und Fürstenstein, die Gräfinnen Fuchs, Zichy und mehrere Andere vertreten, die sich einer verschiedenen Bedeutung und Beliebtheit erfreueten. Einer der hervorragendsten war der Salon der Gräfin Fuchs. Diese Dame beherrschte durch den Zauber ihres Wesens nicht nur dir vornehme Männerwelt, sondern übte auch durch ihr ebenso feines wie liebenswürdiges Benehmen eine so große Macht aus, daß man ihr den Namen „die Königin“ beigelegt hatte, eine Bezeichnung, die sie in der That mit vollem Rechte verdiente.

Dieser Salon war der beliebteste, und man erachtete es für eine Ehre, Zutritt zu demselben zu erhalten. Es versammelten sich daselbst die ausgezeichnetsten Personen und zwar in einer so großen Zahl und Mischung, daß der Reiz der Begegnung durch die darin herrschende Ungezwungenheit überaus erhöht wurde. Einige Namen der daselbst zu findenden Gäste werden als Beweis dafür dienen; es zählten zu diesen der Prinz Philipp von Hessen-Homburg, der Prinz Eugen Beauharnois, der fast täglich erschien, sodann Gentz, die Fürsten Esterhazy und Liechtenstein, die Grafen Neipperg, Wallmoden, und mehrere andere hervorragende Persönlichkeiten. Zu den Damen, die in diesem Salon zu finden waren, zählten auch die drei kurländischen Herzoginnen.

Mehr gesucht und vielleicht vornehmer als der vorige Salon war derjenige der vom Kaiser Alexander als „himmlische“ Schönheit bezeichneten Gräfin Julie Zichy, der die höchsten Monarchen zu seinen Gästen zählte. Julie Zichy war eine geborene Gräfin Festestics, eine Ungarin, und die Gemahlin des Grafen und Ministers Zichy. Wie der Biograph dieser Dame berichtet, vereinten sich in ihr der reinste Adel der Weiblichkeit, die seltenste Schönheit und der Ausdruck der Tugend und Unschuld mit der ganzen Fülle der Weltbildung. Dieses in der That außerordentliche Lob wird es erklärlich machen, daß der Salon dieser Dame eine große Anziehungskraft ausübte. Namentlich war dies hinsichtlich des Kaisers Alexander und des Königs von Preußen der Fall, die daselbst häufig unangemeldet erschienen und gern verweilten. Der König huldigte dieser Dame ganz besonders, welche ihn, wie man sagt, außer durch die genannten Vorzüge noch durch eine entfernte Ähnlichkeit mit seiner vor wenigen Jahren verstorbenen Gemahlin Luise fesselte. Der Besuch der gekrönten Monarchen hielt natürlich andere Gäste fern, doch fand außerdem ein lebhafter Verkehr vornehmer Personen daselbst statt. Die Gräfin bot überdies bei allen Festlichkeiten, an denen sie Theil nahm, stets das gesuchteste Ziel der Bewunderung.

Leider theilte sie das Schicksal der schönen Preußenkönigin, denn auch sie starb in der Blüthe des Lebens und zwar bald nach dem Congresse, dessen den ganzen Winter andauernde Feste den Keim zu ihrem, wie zu dem Tode vieler anderen Damen gelegt hatten, ein Beweis für die übermäßigen Anstrengungen, zu welchen das Treiben während des Congresses die Frauen herausforderte. Es sei an dieser Stelle zugleich noch verrathen, daß nicht nur dergleichen Opfer gefordert wurden, sondern daß ganze Familien, deren Eitelkeit und gesellschaftliche Stellung sie verleiteten, trotz ihrer weniger glücklichen äußeren Verhältnisse mit anderen besser situirten zu rivalisiren, sich finanziell gänzlich ruinirten. Die ungeheuere Prachtentfaltung des österreichischen Hofes, sowie diejenige der fremden Monarchen und Fürsten, verleitete zu den unerhörtesten Anstrengungen und Opfern. Niemand wollte in dem fürstlichen Glanze unbeachtet bleiben.

Wir entwerfen als Beweis für den übergroßen Luxus, welcher in jenen Tagen in Wien herrschte, die Skizze einer Festlichkeit in der Hofburg, die hinreichend sein dürfte, einen Begriff von der übermäßigen und zugleich allgemeinen Prachtentfaltung zu geben. Um in die Eintönigkeit der Hof- und Gesandtenbälle einige Veränderung zu bringen, vielleicht auch, um durch die Anforderung höchster Eleganz im Anzuge den Andrang der Theilnehmenden zu beschränken, war eine „Redoute parée“ von dem kaiserlichen Gastgeber befohlen worden. Um die große Zahl der Gäste zu fassen, fand dieselbe in dem großen und kleinen Redoutensaale und der mit diesen in Verbindung gebrachten Reitbahn statt, und waren zu demselben nicht weniger als viertausend Personen eingeladen worden; diese große Zahl der Einladungen läßt erkennen, daß die auf dem Maskenballe erschienenen Personen nicht allein den fürstlichen und adligen, sondern auch andern, weniger bevorzugten Ständen angehörten. Es war bei diesen Einladungen jedoch gleichzeitig die Bedingung gestellt worden, daß die Damen nur in Anzügen von weißer, hellblauer oder rosa Farbe, die Herren im blauen oder schwarzen Fracke, mit weißem oder schwarzem kurzem Beinkleide, Schuhen mit Schnallen, Klapphut mit Federeinfassung erscheinen dürften.

Man denke sich, welche ungeheuern Mittel zur Herstellung dieser Toiletten erfordert wurden, und man wird es kaum glaublich finden, wenn man erfährt, daß man sich vor den Hutmacherläden um die überaus schwer zu beschaffenden Klapphüte fast schlug. Denn es muß zur Erklärung dieses außergewöhnlichen Treibens bemerkt werden, daß nicht nur die eingeladenen, sondern auch viele andere nicht eingeladene Personen die Maskerade besuchten, sofern sie so glücklich waren, mehr denn hundert Gulden dem Thürsteher an den Sälen für ein Billet zahlen zu können, dessen Besitzer sich bereits in den festlichen Räumen befand. Es war das ein sehr einträglicher Handel, den die Thürsteher bei allen denjenigen Festen trieben, zu denen Einladungen ausgetheilt waren. Die Zahl solcher ausgetheilter Einladungen blieb stets hinter der Menge, welche sich der Theilnahme an diesen Festlichkeiten zu rühmen begehrte, weit zurück, und so sahen sich Viele zur Erlangung dieser Ehre genöthigt, keine Kosten und Mühen zu scheuen. Die Berechtigung zum Eintritt knüpfte sich jedoch, wie gesagt, nicht nur an das Billet, sondern auch an den bezeichneten Anzug, und dieser war eben sehr schwer zu beschaffen.


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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875). Leipzig: Ernst Keil, 1875, Seite 404. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1875)_404.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)